22 de octubre
Bericht zum Thema Reisen
von RainerMScholz
(von RainerMScholz)
Der Bus nach Mexiko City fährt erst in vier Stunden, außerdem benutzt er die alte Strecke, die bestimmt reizvoller ist, aber dafür doppelt soviel Zeit in Anspruch nimmt. Natürlich hat sich wieder niemand informiert. Aber da fährt ja noch ein Bus nach Acapulco. Mit dem richtigen Anschluss dort könnte es klappen, wenn nicht, was soll's. Also kaufen wir die Fahrkarten und schon geht es los. Conny sitzt während der rasanten Fahrt über die Landstraße an einer zersplitterten Glasscheibe und fragt sich, wann ihr die Scherben um die Ohren fliegen. Ich sage lieber nichts dazu: das Loch da drin könnte auch von einer Kugel stammen.
Die grünen Hügel grinsen uns entgegen, exotische Vögel kreischen in den Wäldern, Vaqueros auf Pferden treiben müde Rinder durch karstige Schluchten, deren Sohle nicht zu erkennen ist. Kurzer Halt in einem namenlosen Ort. Halbnackte Männer scharen sich um das Wrack eines rostroten Chevrolets, unterhalten sich, lachen, lugen zum Bus hinüber. Barfüßige Kinder tragen Weidenkörbe voller Maiskolben auf ihren Köpfen. Nur die Hauptstraße ist asphaltiert, das Grün schlägt seine Ausläufer in die letzten Häuser am Ende der Nebengasse, Orchideen und Palmhaine.
Der Meeresmalachit glitzert dreißig Meter unter uns. Es gibt keine Leitplanke, der Bus wird nicht langsamer und die Spur scheint enger zu werden, weil die Felswand auf der linken Seite immer näher rückt. Conny liest im Lonely Planet, um sich abzulenken, und ich betrachte meine Fingernägel.
Vor der Stadtgrenze geraten wir in eine Straßensperre. Militär rechts
und links, ein Herr in Zivil steigt zu. Ob wir spanisch sprechen. Un poquito. Armas ("bumm, bumm"), drogas?. No. Und dann guckt der Typ
mir noch weitere stillschweigende zehn Sekunden lang durch seine schwarze Pupillen in die Augen, und das Verhör ist beendet. Alles sehr zwielicht, oder sind wir das?
Dann der Blick auf die langgestreckte blaue Bucht Acapulcos, die Stadt ein Häusermeer, Touristensilos bis beinahe in die Dünung. Wir fahren durch die Favelas hinauf in die Altstadt.
Tatsächlich gibt es am Busbahnhof einen direkten Anschluss zur Hauptstadt, in zehn Minuten. Conny rennt zur Toilette und ich schleife die beiden Rucksäcke zum Gate. Sicherheitskontrolle per Detektor, Bordkarten: Einsteigen zur ersten Klasse.
Auf der Autobahn ist es wie auf jeder Autobahn der Welt, nur in Mexiko.
Nach Stunden müssen wir in einen noch aufzutreibenden Bus umsteigen: Motorschaden. Der Fahrer grinst mich an und meint, ich könnte mir ruhig noch Zeit lassen mit meiner Zigarette. Deshalb stehe ich auch wie blöd draußen herum, als alle anderen Passagiere schon umgestiegen sind in den neuen Anschluss und Conny mich nervös am Ärmel zieht und fragt, weshalb unser Gepäck denn noch in der Ladeluke des ersten Busses sei. Wieder nix kapiert.
Siebzig Kilometer vor Ciudad de Mexico sitzt Conny abermals an einer gesplitterten Scheibe. Mit stoischem Gleichmut sind alle Fahrgäste von der ersten Klasse des vorherigen in die zweite Klasse des Ersatzbusses umgestiegen. Scheint niemand so genau nehmen zu wollen. Unfälle, Pannen und Missgeschicke geschehen eben. Das Leben wird weitergehen, jede Fahrt endet irgendwo.
Die Höhen um Mexiko City sind in Wolken gehüllt, die Umgebung ist in Watte gepackt, gleich durchfahren wir das Tor zu einer anderen Welt, mindestens ein anderer Planet, ein unbekannter Ort. Die Luft ist zum Greifen kompakt und es ist kalt. Immer höher hinauf geht es noch.
Der klapprige Bus schafft kaum die Steigung der engen Serpentinen und muss immer wieder zurücksetzen, um die Kurven zu nehmen. Grollende Lastwagen überholen uns, während wir auf das zweite Motorversagen dieser Strecke warten. Der Scheitelpunkt ist erreicht und wir gleiten sanft durch die Märchenlandschaft aus weißen Nebelschwaden. Feen tanzen zwischen den knorrigen Bäumen. Gefiederte Trolle verkriechen sich im samtigen Moos. Da ist die sumpfige Mulde, in welcher der Moloch brütet. Ein Zementwerk links der Straße summt geschäftig unter Neonlicht, vor uns eine rücklichterrote Blechkarawane. Wir sind da. Der Blick zurück war uns versagt, Welten verschwanden in den Wolken und wie durch einen Schleier sind wir heimgekehrt in die Realität des Hier und Jetzt.
Autobusses del Sur - Metro - Ausstieg am Zocalo. Noch drei Tage.
"Die wollen keine stinkenden Rucksacktouristen in ihrem Nobelhotel."
"Jetzt wart`s doch 'mal ab."
"Wie lange soll ich denn noch warten, bis diese chica ihren Zettelkram erledigt hat."
"Jetzt warte doch 'mal."
Also kein Zimmer im Hotel Cathedral, jedenfalls nicht für uns. Wir schreiben uns wieder in dem Bunkerbau 'Canada' ein. Ich bin müde. Und durstig.
Irgendwie habe ich Lust auf ein Guinness, so suchen wir in der Zona Rosa den Picadilly Pub. Den Namen trägt das Viertel zu recht. Ölige Türsteher wollen uns in zwielichtige Etablissements zerren, Oben-ohne-Bars wechseln sich mit piekfeinen Nobeldiskotheken ab, Einlass nach Garderobe. Weiter: obschon wir eigentlich mit unseren Kräften am Ende sind. Es war ein langer Tag. Nachdem wir erfolglos die dritte Runde durch die Mischung aus Bahnhofsviertel und Frankfurt-Sachsenhausen gedreht haben, fällt uns ein verblichener Schriftzug über einem vernagelten Häusereingang auf. Alles duster. Aus schierer Verzweiflung heraus betreten wir jetzt die Sports`n Fun Bar. Helle Spiegel, kaltes Ambiente, hellhäutige Gäste. Nach dem dritten Bier - die Beatles Revival Band gibt Bob Dylan - muss ich urinieren. Als ich die Toilette im dritten Stock endlich gefunden habe, bin ich einigermaßen verblüfft, denn hinter der Schwingtür zu dem engen Klosett sitzt ein Bediensteter in Livree, dessen einzige Aufgabe darin zu bestehen scheint, Klopapier an die besoffenen Amerikaner zu verteilen, die sich hier ergehen. Ich grinse den halbnackten Filmschönheiten längst vergangener Zeiten zu, die über dem Emaille an Plakaten hängen und verschwinde schleunigst wieder. Nicht ohne ein fettes Trinkgeld gegeben zu haben, versteht sich.
Conny langweilt sich auch schon.
Auf dem Heimweg hallt Sirenengeheul von den lichtentleerten Fassaden der Paseo de la reforma wider. Obdachlose Kinder betteln um einen Peso oder zwei. Was, fünf Peso? Der geht gar nicht mehr weg, der läuft uns hinterher. Fünf Pesos, Rotzbengel! Ich kann doch nicht die ganze Welt aushalten. "Cinquo, cinquo" heult er an meinem Ärmel. Conny wird schon schwach. Dann gib sie ihm doch endlich. Nein, diesmal nicht. Ein Peso oder gar nichts. "Cinquo, cinquo, por favor, por dios", rennt uns über die befahrene Straße hinterher, sein ausgemergelter kleiner Kinderkörper zittert, er heult. Also Scheiße nochmal, guck dir das an Junge, ich geb´ dir alles was du willst. Und ich mach den Geldbeutel leer, die Sicherheitsnadel kann er auch noch haben, die sich darin befindet. Wer weiß, wozu es gut ist. Dann zieht er ab. Kann sich seinen Klebstoffbeutel besorgen, damit der Entzug weggeht oder irgendwas. Damit der Hunger verschwindet. Für kurze Zeit. Wird wohl keine zehn Jahre alt gewesen sein. Conny, hast du das gesehen? Ja, ich hab dich gesehen. Da vorne war der Palacio de bellas artes. In der Ferne blechernes Sirenenheulen wie von Spielzeugautos.
Die grünen Hügel grinsen uns entgegen, exotische Vögel kreischen in den Wäldern, Vaqueros auf Pferden treiben müde Rinder durch karstige Schluchten, deren Sohle nicht zu erkennen ist. Kurzer Halt in einem namenlosen Ort. Halbnackte Männer scharen sich um das Wrack eines rostroten Chevrolets, unterhalten sich, lachen, lugen zum Bus hinüber. Barfüßige Kinder tragen Weidenkörbe voller Maiskolben auf ihren Köpfen. Nur die Hauptstraße ist asphaltiert, das Grün schlägt seine Ausläufer in die letzten Häuser am Ende der Nebengasse, Orchideen und Palmhaine.
Der Meeresmalachit glitzert dreißig Meter unter uns. Es gibt keine Leitplanke, der Bus wird nicht langsamer und die Spur scheint enger zu werden, weil die Felswand auf der linken Seite immer näher rückt. Conny liest im Lonely Planet, um sich abzulenken, und ich betrachte meine Fingernägel.
Vor der Stadtgrenze geraten wir in eine Straßensperre. Militär rechts
und links, ein Herr in Zivil steigt zu. Ob wir spanisch sprechen. Un poquito. Armas ("bumm, bumm"), drogas?. No. Und dann guckt der Typ
mir noch weitere stillschweigende zehn Sekunden lang durch seine schwarze Pupillen in die Augen, und das Verhör ist beendet. Alles sehr zwielicht, oder sind wir das?
Dann der Blick auf die langgestreckte blaue Bucht Acapulcos, die Stadt ein Häusermeer, Touristensilos bis beinahe in die Dünung. Wir fahren durch die Favelas hinauf in die Altstadt.
Tatsächlich gibt es am Busbahnhof einen direkten Anschluss zur Hauptstadt, in zehn Minuten. Conny rennt zur Toilette und ich schleife die beiden Rucksäcke zum Gate. Sicherheitskontrolle per Detektor, Bordkarten: Einsteigen zur ersten Klasse.
Auf der Autobahn ist es wie auf jeder Autobahn der Welt, nur in Mexiko.
Nach Stunden müssen wir in einen noch aufzutreibenden Bus umsteigen: Motorschaden. Der Fahrer grinst mich an und meint, ich könnte mir ruhig noch Zeit lassen mit meiner Zigarette. Deshalb stehe ich auch wie blöd draußen herum, als alle anderen Passagiere schon umgestiegen sind in den neuen Anschluss und Conny mich nervös am Ärmel zieht und fragt, weshalb unser Gepäck denn noch in der Ladeluke des ersten Busses sei. Wieder nix kapiert.
Siebzig Kilometer vor Ciudad de Mexico sitzt Conny abermals an einer gesplitterten Scheibe. Mit stoischem Gleichmut sind alle Fahrgäste von der ersten Klasse des vorherigen in die zweite Klasse des Ersatzbusses umgestiegen. Scheint niemand so genau nehmen zu wollen. Unfälle, Pannen und Missgeschicke geschehen eben. Das Leben wird weitergehen, jede Fahrt endet irgendwo.
Die Höhen um Mexiko City sind in Wolken gehüllt, die Umgebung ist in Watte gepackt, gleich durchfahren wir das Tor zu einer anderen Welt, mindestens ein anderer Planet, ein unbekannter Ort. Die Luft ist zum Greifen kompakt und es ist kalt. Immer höher hinauf geht es noch.
Der klapprige Bus schafft kaum die Steigung der engen Serpentinen und muss immer wieder zurücksetzen, um die Kurven zu nehmen. Grollende Lastwagen überholen uns, während wir auf das zweite Motorversagen dieser Strecke warten. Der Scheitelpunkt ist erreicht und wir gleiten sanft durch die Märchenlandschaft aus weißen Nebelschwaden. Feen tanzen zwischen den knorrigen Bäumen. Gefiederte Trolle verkriechen sich im samtigen Moos. Da ist die sumpfige Mulde, in welcher der Moloch brütet. Ein Zementwerk links der Straße summt geschäftig unter Neonlicht, vor uns eine rücklichterrote Blechkarawane. Wir sind da. Der Blick zurück war uns versagt, Welten verschwanden in den Wolken und wie durch einen Schleier sind wir heimgekehrt in die Realität des Hier und Jetzt.
Autobusses del Sur - Metro - Ausstieg am Zocalo. Noch drei Tage.
"Die wollen keine stinkenden Rucksacktouristen in ihrem Nobelhotel."
"Jetzt wart`s doch 'mal ab."
"Wie lange soll ich denn noch warten, bis diese chica ihren Zettelkram erledigt hat."
"Jetzt warte doch 'mal."
Also kein Zimmer im Hotel Cathedral, jedenfalls nicht für uns. Wir schreiben uns wieder in dem Bunkerbau 'Canada' ein. Ich bin müde. Und durstig.
Irgendwie habe ich Lust auf ein Guinness, so suchen wir in der Zona Rosa den Picadilly Pub. Den Namen trägt das Viertel zu recht. Ölige Türsteher wollen uns in zwielichtige Etablissements zerren, Oben-ohne-Bars wechseln sich mit piekfeinen Nobeldiskotheken ab, Einlass nach Garderobe. Weiter: obschon wir eigentlich mit unseren Kräften am Ende sind. Es war ein langer Tag. Nachdem wir erfolglos die dritte Runde durch die Mischung aus Bahnhofsviertel und Frankfurt-Sachsenhausen gedreht haben, fällt uns ein verblichener Schriftzug über einem vernagelten Häusereingang auf. Alles duster. Aus schierer Verzweiflung heraus betreten wir jetzt die Sports`n Fun Bar. Helle Spiegel, kaltes Ambiente, hellhäutige Gäste. Nach dem dritten Bier - die Beatles Revival Band gibt Bob Dylan - muss ich urinieren. Als ich die Toilette im dritten Stock endlich gefunden habe, bin ich einigermaßen verblüfft, denn hinter der Schwingtür zu dem engen Klosett sitzt ein Bediensteter in Livree, dessen einzige Aufgabe darin zu bestehen scheint, Klopapier an die besoffenen Amerikaner zu verteilen, die sich hier ergehen. Ich grinse den halbnackten Filmschönheiten längst vergangener Zeiten zu, die über dem Emaille an Plakaten hängen und verschwinde schleunigst wieder. Nicht ohne ein fettes Trinkgeld gegeben zu haben, versteht sich.
Conny langweilt sich auch schon.
Auf dem Heimweg hallt Sirenengeheul von den lichtentleerten Fassaden der Paseo de la reforma wider. Obdachlose Kinder betteln um einen Peso oder zwei. Was, fünf Peso? Der geht gar nicht mehr weg, der läuft uns hinterher. Fünf Pesos, Rotzbengel! Ich kann doch nicht die ganze Welt aushalten. "Cinquo, cinquo" heult er an meinem Ärmel. Conny wird schon schwach. Dann gib sie ihm doch endlich. Nein, diesmal nicht. Ein Peso oder gar nichts. "Cinquo, cinquo, por favor, por dios", rennt uns über die befahrene Straße hinterher, sein ausgemergelter kleiner Kinderkörper zittert, er heult. Also Scheiße nochmal, guck dir das an Junge, ich geb´ dir alles was du willst. Und ich mach den Geldbeutel leer, die Sicherheitsnadel kann er auch noch haben, die sich darin befindet. Wer weiß, wozu es gut ist. Dann zieht er ab. Kann sich seinen Klebstoffbeutel besorgen, damit der Entzug weggeht oder irgendwas. Damit der Hunger verschwindet. Für kurze Zeit. Wird wohl keine zehn Jahre alt gewesen sein. Conny, hast du das gesehen? Ja, ich hab dich gesehen. Da vorne war der Palacio de bellas artes. In der Ferne blechernes Sirenenheulen wie von Spielzeugautos.