Kleines Lexikon romantischer Posen - heute: "Einsamkeit"

Essay zum Thema Literatur

von  toltec-head

Wie die "Liebe" gehört auch die "Einsamkeit" zum Standardrepertoire romantischer Dichtung und so auch zum Standardrepertoire weichgespülter nivellierter romantischer Retro-Dichtung. Auch auf kV hat sie derzeit mal wieder Konjunktur. Jugendliche Gemüter und jugendlich gebliebene Gemüter schwelgen gern in ihr: der "Einsamkeit".

Von Châteaubriand, der noch vor Byron und Pushkin als Erfinder des "romantischen Ichs" gelten muss, wurde einmal gesagt, er wäre gern Eremit auf offener Bühne gewesen. Die scharfzüngige Bemerkung zeigt, dass die romantische Pose also als solche schon bei ihrem Erfinder decouvriert wurde. Ein Eremit auf offener Bühne ist eben kein Eremit sondern nur ein Poseur. Die Dichtung spielt sich aber immer auf offener Bühne ab und zwar gilt dies erst Recht im Zeitalter des Internetliteraturforendichtung. Um die romantische Pose zu decouvrieren, reicht daher heute eine einfache Frage: "Warum teilt er oder sie uns das mit?"

Wir rühren hier an ein Problem, dass also schon zur Zeit der echten Romantik verspürt wurde, und von dem umso unerklärlicher ist, warum unsere nivellierten romantischen Retro-Dichter es nicht sehen wollen: das Problem der Mitteilung. Was bereits für Liebe gilt, dass sie nämich nicht kommunizierbar ist, gilt noch viel mehr für ihren romantischen Zwilling, die Einsamkeit. Die echten Romantiker (Jean Paul, Tiek, E. Th. Hoffmann), welche dies sehr wohl erkannten, reagierten hierauf mit einer Waffe "Ironie" genannt. Würden die nivellierten romantischen Retro-Dichter bei ihnen in die Schulung gehen, gelangten sie schließlich dorthin wo sie eh schon sind: auf eine unter verschärften Beobachtungszwängen stehende offene Bühne mit dem Namen "Moderne". Posieren ist hier durchaus erlaubt, wenn nicht sogar erwünscht. Aber bitte als Poseur guten Gewissens und nicht als ein sich zur Schau stellender romantischer Eremit.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (24.04.13)
"Einige Menschen sehen die Dinge, wie sie sind, und fragen: Warum? Ich träume nie da gewesene Träume und frage: Warum nicht?"

George Bernard Shaw,

 irakulani meinte dazu am 24.04.13:
Das ist eine Freiheit, die wir uns viel öfter auch nehmen sollten!

L.G.
Ira

 toltec-head antwortete darauf am 24.04.13:
Wenn die Träume denn nie dagewesen wären, tät ich nichts sagen.
Jack (33)
(24.04.13)
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 toltec-head schrieb daraufhin am 24.04.13:
"Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."

Auch hier die Frage: warum teilt er uns das mit? Warum schweigt er nicht einfach?

Nicht nur auf kV wird posiert...
(Antwort korrigiert am 24.04.2013)
Jack (33) äußerte darauf am 24.04.13:
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 toltec-head ergänzte dazu am 24.04.13:
Trotzdem ist der Satz paradox. Denn er besagt ja etwas, wenn auch nur im Wege einer Negation.

Ich hab den Satz auch immer in Bezug auf seine Homosexualität gelesen.

Er funktioniert im Übrigen auch in der Umkehrung: Nur das, worüber man nicht reden kann, lohnt den Versuch der Sprache.

 EkkehartMittelberg (24.04.13)
Zur Schau gestellte Einsamkeit als Dauerreflex auf die Romantik nervt mich auch.
In einem anderen Punkt stimme ich dir nicht zu, darin, dass du bestimmte Romantiker als echte Romantiker bezeichnest. Die Romantik hatte viele sehr unterschiedliche Gesichter und wenn sie nicht in Trivialliteratur abrutschte, waren die alle echt.
Gruß
Ekki

 toltec-head meinte dazu am 24.04.13:
Gemeint war die Abgrenzung zwischen "echter" Romantik von damals und heutiger weichgespülter Retro-Romantik.
Jack (33) meinte dazu am 24.04.13:
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cooori (20)
(24.04.13)
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 toltec-head meinte dazu am 24.04.13:
Mir erzählte die Tage ein Freund, Karin Hegemann habe sich auf den Plagiatsvorwurf mit dem Stichwort Intertextualität herausreden wollen. Man rief bei der Erfinderin dieses Begriffs Julia Kristeva an, schilderte ihr den Sachverhalt und sie beschied: "Texte klauen ist nicht Intertextualität."

Also, ich würde für meine Texte in Anspruch nehmen, dass sie tatsächlich intertextuell sind. Was ich tatsächlich denke, weiß ich nicht. Ich meine aber zu wissen, dass dies eine nicht besonders sinnvolle Frage ist.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 25.04.13:
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 toltec-head meinte dazu am 25.04.13:
Frag mich, was aus ihr geworden ist. Studiert sie jetzt Jura?

Gehst du nachts gar nicht mehr in den Park oder wieso tummelst du dich hier jetzt immer früh morgens?
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 25.04.13:
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 Matthias_B meinte dazu am 05.09.13:
Laut FN erscheint in Bälde ein neues Buch von ihr; hoffentlich wurde in jenem diesmal ehrlich gearbeitet, sodass ihr, nachdem sie des Textdiebstahls überführt worden ist, nicht mehr einfallen muss, dass dieser als ihre brandneue wie oberrevolutionäre literarische Konzeption usw. usf. eigentlich vorgestellt hätte werden "können".

 toltec-head meinte dazu am 05.09.13:
coori, gib´s zu, du bist´s, also die hegemann mein ich jetzt natürlich, und bist hier nur um zu klauen.

ihre berichterstattung in der zeit über die bayreuther festspiele war übrigens lesenswert ("kleid wie von c & a, nur 80 mal teurer").

 Matthias_B meinte dazu am 05.09.13:
"Jage zwei Tiger" heißt es.

 toltec-head meinte dazu am 05.09.13:
Dies ist Jugendkulturgebiet: externer Link.
Dieter Wal (58)
(02.06.13)
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parkfüralteprofs (57)
(08.09.13)
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 toltec-head meinte dazu am 08.09.13:
Du, ich meine das Buch von der Bauer in der gleichen Zeit-Ausgabe rezensiert gesehen zu haben, in der die Hegemann über die Bayreuther Festspiele herzog (les nicht so oft Zeit). Fürchte, das ist eines dieser Bücher, die es mehr Spaß zu schreiben als zu lesen machen.
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