Mittels Bio-Blogging im Internet zu einem Mann ohne Eigenschaften werden.01

Essay zum Thema Literatur

von  toltec-head

Bio-Blogging als mystisch-anarchische Tätigkeit, als Prozess der Selbstenteignung und der Selbstausplünderung, der in die Selbstauslöschung führt. Mit dem Protestantismus, dem seine Seele mittels einem Gedicht, einem Roman, irgendeinem Text gehobener Sorte retten wollen, muss endlich Schluss sein. Wir wollen keine Literatur mehr, sie ermüdet uns wie die Spielfilme im Fernsehen mit ihren ausgedachten Dialogen. Worum es beim Bio-Blogging geht, ist nicht Literatur, sondern Erfahrungen von dem, der sie erlebt, unabhängig zu machen und so in eine Dimension des Unpersönlichen einzutreten: Den Sinn für Wirklichkeit, der durch Identität und Eigenschaften bindet, aufzulösen. Ob man nun vom Berghain, seinem Krebs oder seiner täglichen Tätigkeit als Amstmann/frau im Finanzamt Quakenbrück bloggt, das bleibt sich gleich. Hauptsache du bedenkst, dass deine Neurodermitis wie die Wichsattacken des 70jährigen Thomas Mann in seinen Tagebüchern sicherlich viel interessanter sind als deine Gottfried Keller Imitate.

Zwar ist es so, dass die meisten Blogger und Internetliteraturforenliteraten mit dem von ihnen getexteten Inhalt den aller abscheulichsten Protestantismus zelebrieren: die Zurschaustellung ihrer Eigentümlichkeit, ihrer sogenannten Authentizität, die Demonstration ihrer Unentfremdbarkeit. Die Form des Internets spielt aber gegen sie. Die Form ist katholisch, ist sex appeal des Anorganischen, Ritus ohne Mythos, differente Wiederholung. Die Form des Internet-Bloggings theatralisiert und karnevalisiert auf automatische Weise das schreibende Ich, entfremdet es, macht es, was gut weil real ist, zu einem unauthentischen Klon unter Klonen und das Ungenügen der meisten Blogs rührt nicht von ihrer literarischen Insuffizienz - wir scheißen auf literarische Suffizienz, auf Schreibschulen jeglicher Art-, sondern allein von der mangelnden Reflexion ihrer Form.

Liebe Angestellten-Existenz oder Angestellten-Existenz im Warte- bzw. Ruhezustand: warum willst du deine Existenz mittels Gedichthaftem und Romanhaftem verbrämen? Das können die wirklichen Autoren richtiger Bücher und vor allem die der Vergangenheit, die noch keine bloße Angestellten-Existenzen führten, doch sehr viel besser. Das Internet ist dazu geschaffen, dich deiner Angestellten-Existenz zu entäußern, aus ihr ein Theater zu machen, das Internet ist nichts anders als eine Selbstauslöschungstechnik ad maiorem dei gloriam . Lass also das Gedicht- und Romanhafte, diese subjektiven Sentimentalitäten, bitte bleiben. Versteife dich doch bitte nicht weiter darauf, subjektive und private Gefühle zu empfinden und diesen sodann in deinen Texten Ausdruck zu verleihen. Dergleichen ist für eine Angestellten-Existenz absurd, kindisch und lächerlich. Trete in ein Verhältnis "aktiver Passivität" zu dir selbst und zu deinem Alltag. Blogge deinen Alltag. Versuche, mittels Bio-Blogging im Internet zu einem Mann oder einer Frau ohne Eigenschaften zu werden.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 FRP (30.11.13)
Genau. Wir alle lassen alles ab sofort sein. Nun, wir wissen um die Belanglosigkeit all dessen. Inder-nett?-Amphoren sind totes Irdenes.
Man, bin ich froh, dass ich keinerlei Angestellten-Existenz mehr führe;
weder bei Firmen, Sex-Partnerinnen, noch bei Katzen. ICH bin ich bin ich bin ich; bin ich, nur der ARGE eimne gewisse Kommunikation schuldig. Insofern darf ich mich weiter ent-äußern, oder? Frau Slomka hats dem Gabriel neulich ordentlich gezeigt, finde ich. Ihr Namensvetter hingegen hat den Hannoveraner-SV wohl kaum noch im Griff.

 toltec-head meinte dazu am 30.11.13:
Bedenke, dass auch eine 0-Karriere eine Karriere bleibt, die entäußert werden will. So wie dies hier ja auch etwa Parkfüralteprofs, wenn auch leidlich verbrämt, tut. Ich weiß ganz genau, dass wenn ich demnächst einmal den Weg zu meiner Fallbetreuerin antreten werde, es mir nichts bringen wird, den Gabriel zu spielen, denn vor mir wird sitzen: die und nicht der Slomka.

 FRP antwortete darauf am 30.11.13:
Wenn sich Frau Slomka nur mal meines Falles annehmen würde!
Eigentlich eine coole Vorstellung: In 50 Jahren wird jeder "Fall" tagtäglich unter dem Namen "Tagesschau" von einer virtuellen Frau Slomka individuell abgearbeitet. Jedem seine persönliche Tagesschau! Jede "Wohneinheit" ist mit Big-Brother-Kameras durchsetzt, die das Treiben der "Bedarfsgemeinschaften" allgemein machen. Abends streicht uns Frau Slomka dann 10 Prozent Leistung, wegen fortgesetzter Kontemplation, hilfloser Eschatalogie, kontraproduktivem Nihilismus und putativer Renitenz. Widerstand gegen das definitive Annehmen der allgemeinen Belanglosigkeit ...

 toltec-head schrieb daraufhin am 30.11.13:
Dein Wort in des Archonten Ohr.
lucien (26)
(30.11.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head äußerte darauf am 30.11.13:
Fang du erst mal an, Scheiße zu essen, bevor du hier deinen Senf abgibst.
lucien (26) ergänzte dazu am 30.11.13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 30.11.13:
Dort Würstchen.
lucien (26) meinte dazu am 30.11.13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
mannemvorne (58)
(30.11.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 30.11.13:
Video witzig, weil ich gestern, Menschenkind wollt nicht kommen, Iraner fickte, der mir erzählte, dass du dich auch in Teheran im Internet daten kannst, kann halt nur sein, dass Date sich als Polizist entpuppt. Diese sehr alten Rassen sind immer ein wenig unsexy. Auch im Film kaum schöne Gesichter, wenn man mal von Soraya absieht. Wenn du aus dem Iran und schwul, bekommst du jetzt automatisch Asyl. Keine Ahnung, wie die das prüfen.
mannemvorne (58) meinte dazu am 30.11.13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
michaelkoehn (76)
(30.11.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 30.11.13:
Du solltest Asyl im Iran beantragen, michael.
michaelkoehn (76) meinte dazu am 30.11.13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
wa Bash (47)
(30.11.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 toltec-head meinte dazu am 30.11.13:
Wo hast du denn die Doku gesehen? Tät mich interessieren.
wa Bash (47) meinte dazu am 01.12.13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram