Garten (Weggehen)

Text zum Thema Natur

von  Ganna

Mir stand ein wunderschönes Stück Land stand zur Verfügung, allein im Walde liegend, eben, von Sonne beschienen, gleich neben dem Fluss, in Richtung das Windes von Büschen und Bäumen umsäumt. Dieses wundervolle Stück Land wollte ich in einen paradiesischen Garten umwandeln. Ich fand es mit feinen Bäumen bewachsen, um die sich meterhoch Brombeeren rankten, von denen einzelne Ranken bis zu zwei cm Durchmesser zeigten. Noch einmal zur Erinnerung, Maschinen besaß ich nicht und aus den bekannten Gründen, stand mir keine männliche Hilfe zur Verfügung. Voller Elan begann ich also mit einem Fuchsschwanz und einer einfachen Gartenschere die natürliche Bepflanzung zu entfernen. Anfangs war ich mit mir zufrieden, wenn ich täglich einen Quadratmeter schaffte. Stück für Stück rückte ich dem Urwuchs zu Leibe, das Traumbild meiner Gemüsebeete vor Augen und tatsächlich zeigte der kontinuierliche Einsatz Erfolg. Bald steckte ich auf meinem ersten Beet die ersten Zwiebeln.

In der Stadt aufgewachsen und ohne reale Anschauungen, nicht einmal eine Tante auf dem Lande hatte ich, glaubte ich den schönen Abbildungen in Gartenbüchern und auf Samentüten. Ich erwartete, dass das Gemüse sich den Fotos entsprechend entwickeln und diesen Bildern gerecht verhalten würde. Das tat es aber nicht.
Zuerst wollten nicht einmal Radieschen wachsen, Brokkoli und Möhren blieben auch bei bester Pflege mickrig, und das, was dicke Kohlköpfe werden sollten, wurde von gelb-schwarzen Käfern besiedelt, die den Pflanzen das Leben erschwerten. Allein Zwiebeln wuchsen, Porree, Bohnen und Salat gediehen, und auch Mangold.

Der Boden erwies sich als tonhaltiger Lehm, den Disteln und Brombeeren liebten und der mit zunehmender Trockenheit eine betonartige Konsistenz annahm. Ich konnte gar nicht so viel gießen, um dies zu verhindern, denn jede einzelne Kanne Wasser musste vom Fluss heraufgeholt werden. Und wie schwer Wasser ist, merkt man spätestens nach der zwanzigsten Kanne.

Schließlich dämmerte mir, dass nicht jede verfügbare Erde gleich einem fruchtbaren Gartenboden ist und dass dieser erst einmal geschaffen werden muss. Einfacher wäre es gewesen, mit Chemie zu arbeiten, aber genau das wollte ich nicht tun. Dann hätte ich gleich in der Stadt wohnen bleiben und mein Gemüse in einer Supermarktauslage finden können.
Guter Gartenboden ist meistens das Resultat jahrelanger mühseliger Arbeit, manchmal das Ergebnis vieler Generationen, die eine nach der anderen immer wieder dasselbe Fleckchen Erde bewirtschaften, jeden Herbst mit Mist und Kompost versorgen. Es war also mitnichten so, dass einfach ein in die Erde gesteckter Same auch eine prächtige Pflanze wachsen ließ.

Hier war Neuland, überwuchert mit einer natürlichen Vegetation, die den Boden liebte, auf dem sie wuchs und also zu ihm passte. Weder Löwenzahn, der eine humose Erde anzeigt, noch Brennnesseln, aus denen sich eine gute Jauche zum Düngen der Pflanzen herstellen lässt, waren zu finden. Wollte ich Gemüse wachsen lassen, musste die Voraussetzung dafür geschaffen werden. 
Von Stund an gab ich dem Boden alles, was ihn verbessern konnte. Jede Distel, jede Wegwarte, Brombeere, Quecke und Wegerich, die ausgerissen wurden, blieben als Gemüseschutz liegen. Im Herbst karrte ich viele Schubladen Laub auf die Beete und brachte das Sand-Muschel-Laubgemisch, welches der Fluss mit dem Hochwasser anspülte, in den Garten. Das andere Flussufer war von Farn bewachsen, der eine für Gemüse sehr günstige Zusammensetzung aufweist, wie mir meine Gartenbücher verrieten. Also sammelte ich Farn, wenn dieser begann zu welken und braun zu werden. Auf der Kuhweide sammelte ich Kuhfladen, aus dem Wald holte ich den von den Schweinen sorgsam aufgewühlten Boden, von der Wiese, auf der die Pferde standen, schaffte ich die Pferdeäpfel heran. Und Pierre, unser Ziegenkäsenachbar, brachte mir jedes Jahr eine Fuhre Mist vorbei, aus dem ich, gemischt mit wilden Pflanzen, Kompost herstellte. Die Erde schluckte alles. Hatte ich im Herbst eine dicke Schicht Mist, Mulch, Farn, Sand und Laub aufgetragen, so war diese im Frühjahr wie vom Erdboden verschwunden.

Aber, langsam, sehr langsam, begannen auch bei mir Radieschen sich zu runden und Möhren nahmen eine Größe an, die marktfähig gewesen wäre. Ich begriff, dass ein fruchtbarer Boden in vielen Fällen das Ergebnis jahrelanger mühevoller Arbeit ist. Ich begriff aber auch, dass der Boden ein großer, feiner Organismus ist, voller Leben, der sich aus einer Vielzahl von Kleinlebewesen, von Bakterien bis Würmern zusammensetzt. Sie bilden ein Gesamtgefüge, das mit den Pflanzen eine Beziehung eingeht, von der beide Seiten profitieren. Und es wachsen die Pflanzen, die den Boden ausgleichen und ihn somit auf ihre Weise verbessern.
Solch einen lebendigen Boden sollte man nicht mit chemischen Produkten zerstören. Denn die Zerstörung geschieht schnell und ist sie einmal vollzogen, bleibt eine tote Masse zurück, die nicht mehr in der Lage ist, lebendige und kraftvolle Pflanzen hervorzubringen. Ein guter lebendiger Gartenboden ist ein Schatz, der jedes Jahr essbare Pflanzen wachsen lässt und somit das eigene Überleben sichern hilft.

Doch ein guter Boden allein ist noch kein Garant für eine gute Ernte. Sind die Umstände so weit gediehen, dass Möhren, Brokkoli, Erbsen und Salat wachsen, fühlen sich Würmer, Schnecken, Käfer und Maden eingeladen, am Festmahl teilzunehmen. Und so manches Vöglein, welches die Menschen mit seinem schönen Gesang erfreut, sorgt dafür, dass keine reife Beere sich im Garten findet. Sie sind klug, denn sie ernten die feinen Früchte schon, bevor sie so reif und süß sind, wie wir sie gerne hätten.

Und ich machte eine neue Erfahrung. Wenn in den Gartenbüchern so freundlich vorgeschlagen wird, das reichliche Angebot des Gartens mit den Tieren zu teilen… Tiere sind nicht bereit ihrerseits zu teilen, was sich ihnen so verlockend darbietet. Einmal die Gelegenheit erkannt, fressen sie ratzekahl alles, was sie finden können ohne der armen Gärtnerin, die im Schweiße ihres Angesichts das Festmahl bereitete, ein Blättchen übrig zu lassen. Sie sagen nicht einmal danke.
Da muss man mit anderen Mitteln arbeiten. Und wieder fand ich so manch guten Ratschlag im Buch. Zwiebeln und Möhren vertreiben sich gegenseitig ihre Schädlinge, dasselbe funktioniert auch mit Porree und Möhren. Der Geruch des einen hält die Schädlinge des anderen fern. Knoblauch wird überall dort gesteckt, wo Läuse gerne Pflanzensäfte saugen. Substanzen des Knoblauchs, die von den neben ihm wachsenden Pflanzen aufgesogen werden, werden von Läusen gemieden und sie verschwinden.
Damit, dass meine Johannisbeeren regelmäßig abgefressen wurden, lernte ich zu leben. Ich konnte unmöglich alles unter Kontrolle haben und sah es als eine Art Opfergabe an.

Nur mit den Schnecken war es mir unmöglich, mich zu arrangieren. Sie fraßen ganze Reihen frisch gekeimten Salat einfach ab und fielen schon über die im Boden keimenden Bohnen her, bevor diese das Tageslicht erblickten. Täglich früh im Morgengrauen stürzte ich mit Eimern in den Garten, um ihnen aufzulauern, bevor sie sich vor der Sonne wieder versteckten. Nach Sonnenuntergang setzte ich meine Jagd fort. Und täglich kippte ich die Eimer mit den abgesammelten Schnecken auf der anderen Flussseite wieder aus. Und täglich waren sie alle wieder da, dort, wo ich sie so sorgsam abgesammelt hatte.
Die Pfade zwischen den Beeten waren von Schneckenfallen durchlöchert, wo ich sie im Bier ertränken wollte. Doch offenbar mochten die französischen Schnecken kein Bier, jedenfalls machten sie um die Plastikbecher einen Bogen. Auch Holzbretter, unter die sie sich verbergen sollten, mieden sie weitgehend.
Obwohl ich wochenlang keine mühe scheute, die Plage der Weichtiere in den Griff zu bekommen, war ihnen nicht beizukommen.
Ich tat, was ich nie tun wollte und griff zum Schneckenkorn, biologisches Schneckenkorn immerhin und fragte mich, wie haben die Menschen früher die Schneckenplage in den Griff bekommen?

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (03.06.14)
Detaillierte Erfahrungen einer Frau, die der Natur einiges abgerungen hat. Die Erlebnisse mit den Schnecken kann ich teilen. So radikal, wie die Blumen, junge Triebe in wenigen Stunden verputzen, geht kaum ein "Schädling" vor.
"Ich begriff, dass ein fruchtbarer Boden in vielen Fällen das Ergebnis jahrelanger mühevoller Arbeit ist."
Ja, so ist es wirklich!
Liebe Grüße
Jorge

 LotharAtzert (03.06.14)
Es empfiehlt sich, Pflanzen schneckensicher in Kübel vorwachsen zu lassen, bis sie eine gewisse Größe fürs Beet haben - Schnecken, als echte Gourmets, interessieren sich vorwiegend für "junges Gemüse".
Schön, daß Du auf Maschinen verzichtet. Ich mache das auch und das ist auch gut so!
Gruß
Lothar

Korrektur: Einen elektrischen Rasenmäher habe ich denn doch! Als Zugeständnis an die hiesigen Gepflogenheiten sozusagen. Mir wäre eine Sense allemal lieber, das hat mir früher sogar großen Spaß gemacht, diese rhythmisch gleitende Bewegung ...
(Kommentar korrigiert am 03.06.2014)

 Ganna meinte dazu am 04.06.14:
...da ich eine große Fläche bebaue, so gut wie alles an Gemüse, was man sich denken kann, ist das Vorziehen in Kübeln zu mühsam, außerdem müsste ich diese ja auch schneckensicher stellen und wohin?...das wäre auch nicht einfach...also benutze ich als einziges chemisches Mittel, das für biologische Gärten zugelassene Ferramol...ich weiß, ein Kompromiss, doch ohne den kann ich mir die Arbeit sparen...

...ich hatte früher auch einige Flächen mit der Sense abgemäht...fand ich auch toll, eine schöne Arbeit, so lange man sie nicht den ganzen Tag verrichten muss...wahrscheinlich würdest Du zu sehr auffallen, würdest Du Deinen Rasen mit der Sense mähen?

LG Ganna

 EkkehartMittelberg (03.06.14)
Ganna, ich habe mir gerade die Frage gestellt, ob es sich hier um einen interessanten Sachtext handelt oder um Literatur. Ich denke, dass Letzteres zutrifft, weil der Leser engagiert mit der Leitfrage liest, wie es diese alleinstehende Erzählerin schafft, das unwirtliche Land mit biologischen Methoden in einen ertragreichen Garten umzuwandeln, mit dem sie sich und ihre Kinder ernähren kann.
Weil ich mich in den letzten Jahren auch wieder etwas in meinem größeren Garten betätige, gibt mir dieser literarische Text aber auch einige sinnvolle sachdienliche Tipps.

Liebe Grüße
Ekki

 Ganna antwortete darauf am 04.06.14:
...ich weiß nicht, ob man Texte kategorisieren muss, ein Sachtext kann auch literarisch gut sein, also gut geschieben sein, denke ich, oder eben schlecht...doch finde ich es gut, dass Du dieses Thema ansprichst...mir ging es hier zuerst darum aufzuschreiben, mit welchen Problemen ich mich rumschlagen musste, als ich begann mein Gartenprojekt zu realisieren, die auftretenden Probleme sind sicher bei jedem anders...

...freut mich, wenn Du hilfreiche Tipps daraus entnehmen konntest...

LG Ganna

 Dieter_Rotmund (11.06.19)
Entschuldigung, aber auch 2014 schon Murks:

"Mir stand ein wunderschönes Stück Land stand zur Verfügung"
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