Und wenn überhaubt.

Erzählung zum Thema Biographisches/ Personen

von  franky

Am Montag den 10.09.1945 ging die Schule für meine Geschwister Poldi und Franziska wieder los.
Lehrer Schmied sammelte nach den vor Kurzem noch fürchterlichen Kriegswirren seine Schäfchen in der Laufnitzdorfer Volksschule.
Schüler vom Laufnitzberg und Laufnitzgraben hatten manche einen Fußweg von zwei stunden zu bewältigen. Um acht Uhr pünktlich in der Schule zu sein, mussten diese kleinen Geschöpfe schon um sechs Uhr, in tiefster Dunkelheit von zuhause abmarschieren. Die ersten Tage wurden diese Kinder von den Eltern begleitet. Später aber mussten diese Erstkläßler ganz alleine den langen Schulweg bewältigen.  Mütter vom Laufnitzberg waren meist schwerbeschäftigte Bäuerinnen, die am Hof dringend gebraucht wurden. Die Männer standen bis vor kurzem durch die Bank an der Front, bis die wieder nach Hause zurück kamen, konnte es noch eine Zeit dauern, wenn überhaupt. 
In diesen Wochen wurden auch die Grenzen der Besatzungsmächte in Österreich verschoben. Wo vorher in der Steiermark Russen waren, zogen nun das Englische Militär ein. Den Hauptsitz der Englischen Truppen richtete man im Schloss von Mayr Melnhof ein. Das Beste war gerade gut genug. 
Von Russen zu Engländern war eine markante Niveau-Steigerung zu verzeichnen.
Nun durfte man sich wieder mit einem Rad auf die Straße wagen, ohne dass ein Russischer Militarist es unter dem Hintern gleich wieder wegzog.

Im April wurde in Wien, unter Bundeskanzler Leopold Figl die Ostmak wieder in unsere Republik Österreich umgewandelt.
Und dieses wiedererstandene Österreich gleich wieder in fier Besatzungszonen aufzuteilen.
Von einer zur anderen Zone wurde streng kontrolliert, jede Person musste sich mit Identitäts-Ausweiß legitimieren. In Wien gab es vier Zonen:
Amerikanische, Englische, Französische und Russische Zone. 
Wenn man durch die Stadt Wien fuhr, musste man vier Mal den Ausweis zücken. Ein Kuriosum für eine befreite Stadt. 

Die anfangs In meinem Träumen sehenden Bilder, erloschen mit der Zeit, sie verblassten und wurden zu graubraun, wie Walderde bei meinem Unfall im Wieserwald. 
Mein kleines zerbombtes Leben war eine totale Baustelle. Ich sollte laut Gesetz in die vierte Klasse aufsteigen, doch hier war dies nicht möglich. Dann mein Stumpf, der für eine Prothese ungeeignet war, mit dem vorstehendem, zu langen Knochen. Der müsste in einem rechten Spital nachamputiert werden. Vor dem graute mir entsetzlich, Die Narkose mit dem stinkenden Äther und der folgenden Operation. 

Am 24.11.45 Hatte mir Carl Schweizer, Papas Chef im Grazer Unfallsspital einen Termin organisiert. Nun gab es kein Zurück, der Kelch ging nicht vorüber, ich werde ihn zur Gänze austrinken müssen.
Bis dahin konnte ich jedoch noch mit meinen kleinen GeSchwistern Resi und Trude
Unbeschwert spielen. Fertiges Spielzeug stand uns keines zur Verfügung. Wir suchten im anschließenden Wald nach Tannen und Fichtenzäpfen. Hinterm Haus, Steine und Sand, was Regenwasser aus der Erde geschwemmt hatte. Wenn man Glück hatte, fand man sogar einen wunderschön glitzernden kleinen Bergkristall. Aus Wasser und Sand bukten wir die herrlichsten Melspeisen.
Im Unterholz des Waldes richteten wir uns eine gemütliche Wohnung ein.   
Eine Küche mit Vorraum. Eine Stufe höher das Schlafzimmer. Die Betten waren an angehäuftem Laub zu erkennen. 
So sorglos in den Tag hineinleben; Diese Zeit war Kostbar und unwiederbringlich, sie waren wie Balsam für unsere kleinen Seelen.

Ende September vernahm man bei unserer Nachbarin Grassecker einen lauten Jubelschrei! Ihr Mann Leopold ist aus der Gefangenschaft in Jugoslawien entlassen worden. Herr Grassecker ist zu Fuß den langen Weg nach Laufnitzdorf, über verschlungene Seitenwege  gegangen.
Man hatte diesen alten Mann im vergangenem April noch zum Stellungsbau eingezogen.
Das waren so die letzten verzweifelten Aktionen von Hitlers Befehlshabern, die nicht kapieren wollten, dass der Krieg längst verloren war. Für uns Menschen in Laufnitzdorf wurde der verlorene Krieg zur Befreiung, die erst nach zehn Jahren tatsächlich eintrat.
Am 05.05.1955 wurde der Staatsvertrag im Schloss Belvedere von Vertretern der vier Besatzungsmächte und Außenminister Leopold Figl für Österreich unterzeichnet.
Bis dahin war aber noch ein steiniger Weg zurückzulegen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram