Unglückliche Liebe

Fabel zum Thema Liebe & Schmerz

von  EkkehartMittelberg

Der verwitwete Löwe hatte sich trotz hohen Alters noch einmal in eine Schönheit aus dem Volke verliebt. Doch seine Liebe wurde nicht erwidert und er war krank vor Liebeskummer. Er befragte also seinen Thronrat, wie er sich von der unglücklichen Liebe heilen könne.
Die Ratgeber wussten, dass die Angebetete tatsächlich liebenswert war und dass nur die Zeit den Herrscher von dieser Liebe befreien könne, also wagte keiner als Erster etwas zu sagen.
Schließlich fragte der Löwe den schlauen Dachs, der ihm schon öfter gut geraten hatte. „Durchlaucht, fragt  die Erwählte immer wieder, warum sie euch nicht liebt. Irgendwann werden ihr die Argumente ausgehen“, riet der Dachs. Er hoffte im Stillen darauf, dass die Schöne ungeduldig werden und die Eitelkeit des Herrschers kränken würde, sodass sich seine Liebe verlöre. Der König hatte aber keine Lust auf lieblose Antworten und wandte sich an die kluge Eule. Diese dachte an die Bestechlichkeit der meisten Menschen und empfahl ihrem Herrn, die Umworbene mit so schönen Geschenken zu verlocken, bis sie nicht mehr widerstehen könnte. Doch dieser wollte Liebe und wusste, dass man sie nicht erkaufen konnte. Jetzt blieb dem Herrscher nur noch die Möglichkeit, seinen schlauesten Ratgeber, den Fuchs, zu befragen. Dieser erinnerte sich daran, dass die Zeit fast jeden Liebesschmerz heilte, und er setzte auf sie. „Serenissimus“, sagte er, „es ist nicht unehrenhaft, unglücklich verliebt zu sein. Bereist die Welt. Andere Höfe werden es sich zur Ehre anrechnen, euch ihre schönsten Töchter vorzuführen. Mit der Zeit wird die Erinnerung an die von euch geliebte Frau verblassen und die Anmut und Klugheit einer anderen werden sie überstrahlen.                                                                                                    Der Löwe wollte diesen Versuch wagen. So heftig auch die Wunde der vergeblichen Liebe schmerzte, die Klugheit des Fuchses sollte sich bewahrheiten.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (25.06.19)
Klappen könnte tatsächlich alles. Ist schon oft genug so passiert. Doch nur der Ratschlag des Fuchses verspricht, sich mit der Wahrheit zu versöhnen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.06.19:
danke, Trekan, die Versöhnung mit der Wahrheit ist keine schlechte Wahl.

 AchterZwerg (25.06.19)
Aus meiner Sicht sind die unerfüllten Amouren die haltbarsten.

Die Schöne kann ihre Unabhängigkeit bewahren, der Löwe aber seinen Traum.

Liebe Grüße
Heidrun

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 25.06.19:
Merci, Heidrun, das hast du schön gesagt.: Ich nehme an, dass du von Gabriel Garcia Márquez "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" kennst. Die unerfüllte Amoure währte bis ins hohe Alter der Liebenden.
Liebe Grüße
Ekki
Sin (55)
(25.06.19)
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Cora (29) schrieb daraufhin am 25.06.19:
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 25.06.19:
@SinonAir: Gracias, Sin, du hast insofern recht, als sehr tief empfindende Persönlichkeiten ihrer großen Liebe ein Leben lang treu bleiben. Aber die Mehrheit tröstet sich irgendwann, wie es der Fuchs vorhergesehen hatte, und muss deshalb nicht oberflächlich sein Ich finde es bemerkenswert, dass du Zeuge der unvergängliche liebe eines alten Herrn wurdest,
LG
Ekki

 niemand (25.06.19)
Der Fuchs sprach gut, denn er sprach indirekt den bekannten Satz
"Aus den Augen, aus dem Sinn" aus, der kein schlechter Ratgeber ist. Nur das stete Vorhandensein einer Verlockung/Versuchung und ihr täglicher Anblick lassen nicht gesunden. Entfernung hat schon so manches relativiert/zerstört, was einem im Moment der Nähe
nicht glaubhaft schien. Mit lieben Grüßen, Irene

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 25.06.19:
Merci, Irene, die Natur hat es so eingerichtet, dass möglichst viele einen liebenden Partner finden. Deswegen soll es wohl so sein, dass sich das von dir zitierte Sprichwort bewahrheitet.
Liebe Grüße
Ekki
Jo-W. (83)
(25.06.19)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.06.19:
Vielen Dank, Jo. So ein nettes Kompliment von dir erfrischt bei dieser Hitze die Lebensgeister.
LG
Ekki

 Moja (25.06.19)
Sympathisch dieser verwitwete, alte Löwe in seiner Verliebtheit, Entsagung und Schmerz. Wäre ich ein Füchslein, würde ich ihn auch das Träumen lehren, lieber Ekki! Grüße, Moja

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.06.19:
Das stimmt, Monika. Wenn der alte Löwe taktvoll schweigt, darf er ja immer noch von seiner alten Liebe träumen.
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (25.06.19)
Hallo Ekki,
einem an Liebeskummer leidenden den Kummer zu nehmen gehört zu den kaum lösbaren Aufgaben, denn das hieße einen Sinneswandel der angehimmelten Person zu bewirken.
So sind die Vorschläge von Dachs und Eule gut gemeint, Aussicht auf Erfolg hat nur der Rat des Fuchs. Aber auch das braucht einen langen Weg und es bewahrheitet sich, "Gut Ding hat Weile".
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.06.19:
Vielen Dank, Tasso. Ich vermute, dass dein letzter Liebeskummer geraume Zeit zurück liegt. Aber du kannst dich an die Wirkung noch sehr gut erinnern. :)
Herzliche Grüße
Ekki

 FrankReich (25.06.19)
Hi Ekki,

meiner Meinung nach brauchte dieser alte Witwer überhaupt keine Ratschläge, denn er schien von Anfang an zwischen Stolz und Würde unterscheiden zu können. so dass seine Ratgeber nur als Alibifunktion herhalten mussten, denn meiner Erfahrung nach wird ein seelischer Schmerz am besten dadurch verarbeitet, dass man darüber redet ...

Ciao, Ralf

P.S.: ... und dabei kommt es stets auf das Reflektionsvermögen des Betroffenen an.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.06.19:
Merci, ja, kluge Menschen wollen manchmal nur in dem bestätigt werden, was sie für richtig halten.
LG
Ekki

 GastIltis (25.06.19)
Hallo Ekki, dem Löwen geht es fast wie Goethe mit seiner letzten großen Liebe Ulrike:
„Am heißen Quell verbringst du deine Tage,
das regt mich auf zu innrem Zwist;
Denn wie ich dich so ganz im Herzen trage
Begreif‘ ich nicht, wie Du woanders bist.“
Nur, dass er nicht die passenden Ratgeber findet, von Großherzog Carl August mal abgesehen, der wahrscheinlich für ihn als Antragsteller auftrat und Carl Friedrich Zelter, der ihn später wieder aufbaute. Ja, das Alter fordert nirgends mehr als in der Liebe seinen Tribut. Und Einsicht fehlt zumindest da, wo Macht oder Geld und Anerkennung bisher viele Tore öffneten.
Eine sehr lehrreiche Fabel mit einem weisen Rat, den jeder beherzigen sollte, auch wenn er meint, etwas Besonderes wäre möglich. LG von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.06.19:
Vielen Dank, Gil,, ich habe bei der Entstehung dieser Fabel tatsächlich an Goethe und Ulrike von Lewetzow gedacht. Manchmal glaube ich, dass du Gedanken lesen kannst.
LG
Ekki

 Bergmann (04.07.19)
Eine schöne Fabel!
(Ich würde den Schluss nach dem Rat des Fuchses weglassen.)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.07.19:
Vielen Dank, Uli. Ich werde darüber nachdenken.
Beste Grüße
Ekki

 harzgebirgler (31.03.21)
Im "Tod in Venedig" von Thomas Mann findet sich ein Sokrates-Zitat von Xenophon, der einem unglücklich verliebten Jüngling seinerzeit empfahl: "„Dir aber rat’ ich, Kritobulos, geh ein Jahr auf Reisen! Denn soviel brauchst du mindestens Zeit zur Genesung." -- Der Rat des schlauen Fuches in Deiner schönen Fabel, lieber Ekki, ist daher sozusagen klassisch gut!

LG
Henning

Kommentar geändert am 31.03.2021 um 15:21 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.04.21:
Vielen Dank, Henning, ich staune immer wieder über deine Belesenheit.
LG
Ekki

 Quoth (31.03.21)
... und wusste, dass man sie nicht erkaufen kann.
Würde ich vorziehen, weil das eine zeitlose Regel ist.
Gruß Quoth

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.04.21:
Danke, aus meiner Sicht der zweitbeste Rat. Den besten hat dann der Fuchs.
Gruß
Ekki
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