3, 2, 1 .. aber sich nicht zum Affen machen

Kalendergeschichte zum Thema Körper

von  eiskimo

Im Corona-bedingten Aufräumfieber wurde ich angesteckt von heftigen Verkaufs-Attacken. Verticken, was im Haus alles unbenutzt herumsteht. Eine Art Loslass-Orgie, natürlich kontaktlos und lokal begrenzt. Dabei begab ich  mich quasi in Quarantäne beim Internetportal iehbay, Abteilung kleinanzeigen. Inzwischen, das kann ich  vorweg nehmen, bin ich Gott sei Dank wieder geheilt.
Aber da ging Omas wuchtiger Ohrensessel weg mitsamt Hocker, auch der Dreierpack Fantomas-Filme, das Profi-Stativ aus meiner Schmalfilm-Zeit, ein etwas angeranzter Fahrradsattel in braunem Leder, sogar der seit 10 Jahren stumme  Häxler  – alles fand einen Käufer;  ich war richtig begeistert von der Nachfrage und den wieder gewonnenen Freiräumen in Wohnung und Keller.
Und so stellte ich sogar Klamotten ein, die ich eigentlich schon für den Kleider-Container von Humana abgepackt hatte. Die wenig getragene Markenjeans, Modell 501 – die sollte doch mindestens 20 Euro bringen.Ich hatte sie aussortiert, weil sie am Bund doch arg eng saß. Ein Foto von der Vorderseite mit offenem Hosenstall, wichtig wegen der markanten Knöpfe, ein Foto der Rückseite, um auch das original Leder-Etikett nachzuweisen, dazu eine sehr ehrliche Zustandsbeschreibung, und die Versandbedingungen.
Tatsächlich bekam ich bald Post. Ob die 20 Euro „der letzte Preis“ seien, fragten gleich zwei. Ein anderer wollte auf dem Vorderseiten-Foto Flecken entdeckt haben, auf dem linke Bein. Eine Frau fragte, ob ich Paypal machte. Und als ich das bejahte, unterstellte sie mir, ich habe sicher so eine fingierte Adresse, um sie abzuzocken.
Es kamen weitere Anfragen. Einer wollte Nahaufnamen der Nähte, und zwar „speziell an den Gesäßtaschen“ - da sei seine 501er nämlich aufgeplatzt. Ein anderer fragte, ob ich die Hose auch zum Radfahren getragen hätte – das sei Gift für diese Art Jeans.
Die Krönung war ein gewisser Max. Der bat mich – natürlich ganz leutselig mit plattem Du – ob ich ihm nicht ein paar Trage-Fotos schicken könnte. Ich sollte also, bitteschön, mich noch einmal in diese Jeans zwängen und den Stoff gut gefüllt vorführen.
Ich war zwar schon etwas genervt von den vielen doofen Anfragen, aber – wie gesagt – in diesem betörenden Verkaufsfieber. Prompt schlüpfte ich also in die 501 und bat meine Frau, mich mit meiner „unteren Hälfte“  wirkungsvoll abzulichten.
Doch die schüttelte nur den Kopf. „Mach dich doch nicht zum Affen!“, erboste sie sich. „Du hast doch gute Fotos vorgelegt, die genaue Größe mitgeteilt, und jemand, der so eine Jeans sucht, der weiß doch, wie die sitzt!“
Cool schrieb ich daraufhin meinem Max: „Nee, Junge. Mache ich nicht. Habe ich nicht nötig.“
Meine Frau sah mich machen und – weibliche List? - fand: „Die 501er steht dir übrigens echt gut. Knackiger Arsch!“
Was soll ich sagen? Ich habe die Jeans gleich anbehalten. Oben war sie auch gar nicht mal sooo eng. Ich meine sogar, dass sie sich schon spürbar geweitet hat.
Jedenfalls habe ich die Anzeige raus genommen, jawohl, die Jeans bleibt im Hause. Und plötzlich war auch dieses Fieber weg, diese fürchterliche Aufräum- und Verkaufswut, wo man sich ja glatt zum Affen macht.


Anmerkung von eiskimo:

Ich wurde inzwischen tatsächlich als Verkäufer empfohlen

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (10.05.20)
Verkaufen, verkaufen - weil doch alles nur irdischer Tand ist?
Von dieser Welle habe ich noch nichts gehört. Aber wer kauft dann?

 eiskimo meinte dazu am 10.05.20:
Es ist offenbar ein Nullsummen-Spiel. Viele verkaufen auch nur, weil sie Platz brauchen, um wieder Neues kaufen zu können.
Damit sind sie dann beschäftigt.
Bei mir stammen die Sachen aus den Wohnungsauflösungen der Eltern. Wer diese Art "Beschaffung" einmal miterlebt hat, weiß, was sich da plötzlich anhäuft.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram