Von Schweine-Saulus zum Schweine-Paulus

Brief zum Thema Konsum

von  eiskimo

Liebe Frau Tönnies!
Verfluchtes Corona, werden Sie sicher sagen. Ihr Gatte steht heute da als Synonym für schweinische Geschäftsmethoden, versaute Unterkünfte und einen tierischen Absturz – vor einer Woche noch als Milliardär und cleverer Fleischunternehmer geachtet, jetzt  pfui, für Sklavenhalter-Praktiken geächtet.
Ihr Gatte hat allerdings schon, das wissen Sie,  eine gewisse Erfahrung mit Skandalen. Vorgeführt bei dubiosen Cum-Ex-Geschäften, angeklagt für heimliche Preisabsprachen, zuletzt auch dumm aufgelaufen mit peinlich rassistischen  Aussprüchen – da ist meine Hoffnung auf irgendeine Form von Läuterung sehr gering. Er wird  seine Lobby-Strategen losschicken, die ihn nach außen hin rein waschen sollen, ihn, den zu Unrecht Bloßgestellten. Aber die jüngste Corona-Sauerei, der Hotspot Gütersloh, das, so denke ich, wird wohl einen dauerhaften Geruch des Ekels an ihm haften lassen. Keine schönen  Aussichten für jemanden, der ja auch gerne mal auf der Ehrentribüne einer Fußballarena sitzen mag.
Darum wende ich mich mit diesem Brief an Sie, liebe Frau Tönnies.  Ihr Ego ist nicht in Frage gestellt, Sie werden nicht reflexhaft die Schuld bei anderen suchen, und  Sie werden vielleicht ein Gespür haben für die enorme Bedeutung  dieses fatalen Einschnittes im Juni 2020.
Liebe Frau Tönnies! Machen Sie aus dieser tierischen Not eine Tugend. Kehren Sie um, bewegen Sie Ihren Mann zu einer revolutionären Kehrtwende und sorgen Sie dafür, dass  der Name Tönnies befreit wird  vom  Ruch der Tier- und Menschenschinderei.
Wie soll das geschehen, werden Sie mich fragen.
Nun, indem Sie einfach gutes Fleisch produzieren! Unter humanen Arbeitsbedingungen! Und  in vertretbaren Mengen. Behalten  Sie Ihre bulgarischen und rumänischen Arbeiter,  aber bauen Sie in deren Heimatländern kleinere fleischverarbeitende Betriebe, setzen Sie dort (und natürlich auch hier, in  Deutschland)  Standards, die sowohl eine artgerechten Tierhaltung durchsetzen  als auch kurze Transportwege und schonende Schlachtung!
Zeigen Sie in einem großen unternehmerischen Wurf,  dass Sie radikale Lehren gezogen haben aus dem jetzt erlebten Fiasko. Starten Sie von  Gütersloh  aus  das Modell einer aufgeklärten, zukunftsfähigen  Fleischproduktion!
So, liebe Frau Tönnies, könnte Ihr Name mit einem Schlag wieder für etwas Positives stehen. Sie könnten, zusammen mit Ihrem Gatten, auch für andere Sparten in Deutschland  Wege aufzeigen, wie  ausbeuterische Arbeitsbedingungen abgeschafft werden. Machen Sie es vor!  Die Chance dazu ist jetzt da. Sie sollten sie nicht verstreichen lassen.
Mit freundlichen Grüßen!

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (19.06.20)
Ein guter Brief, ein Brief der ehrenwerten Absicht!
Aber, tschuldigung, die Wirkung wird so sein, wie wenn man es einer toten Sau ins Ohr flüstert.
LG TT

 AZU20 (19.06.20)
Ob sie das jemals liest?

 EkkehartMittelberg (19.06.20)
Ich halte es für möglich, dass Tönnies jetzt einen besonderen Stab für Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet hat, der auch diesen Brief wahrnimmt. Weil er auf die sonst übliche Polemik verzichtet, halte ich es sogar für denkbar, dass die Adressaten darüber nachdenken.
LG
Ekki

 susidie (19.06.20)
Wie war das? Hinter jedem "erfolgreichen" Mann, steckt eine "starke" Frau. Gute Ansprache, weg damit an die Marketing-Abteilung. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Mit freundlichen Grüßen, Su :)

 AchterZwerg (20.06.20)
Scheinheiligkeit kennt keine Grenzen. Selbst ohne bereits vollzogene Globalisierung.

Grüße der Zustimmung
der8.

 Thomas-Wiefelhaus (18.07.20)
Dazu fällt mir die Geschichte vom Saulus Karl Ludwig Schweisfurth ein, der, als Wurstfabrikant, höchstpersönlich durch den Schweinestall eines Zulieferers ging. Ihm wurde dabei schlecht! Er verkaufte seinen Betrieb Herta an Nestle und gründete, als Paulus, einen Biohof in Hermannsdorf mit glücklichen Schweinen, die gemeinsam mit Hühnern und anderem Getier über die Wiesen laufen. - Gibt es, kommt aber leider zu selten vor.

Kommentar geändert am 18.07.2020 um 19:23 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 18.07.20:
Schöne Geschichte - da könnte Frau Tönnies sich praktischen Rat holen!
LG
Eiskimo
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram