In der Badewanne

Mitte, Ende dreißig scheint ein gutes Alter zu sein zum Abtreten; alles was danach kommt, gereicht zum Selbstbeschmutzen, zur Demontage seiner selbst, zur öffentlichen und persönlichen Peinlichkeit. Nur den Allerwenigsten scheint es vergönnt, so etwas wie Weisheit zu entwickeln oder das, was sie dafür verkaufen. Vielleicht ein Naturgesetz, bevor man sich selbst beschmutzt, abzutreten, bevor die lang gehegten Alpträume Wirklichkeit werden, die schizoiden Schübe zur Schizophrenie auswachsen wie ein Geschwür, abtritt, wenn die Schläge der Kindheit die Krankheit der Welt werden. Oder das bis zur Taubheit überdrüssige, sich stets aufs Neue wiederholende Gerede eines alternden Mannes, auf den längst keiner mehr hören mag.

Chaos im Kopf, Willkür und aufflutendes Unvermögen, zu wissen, wer man selbst ist oder gewesen sein könnte. Und dieser Hass auf sich aufgrund dieses Mangels, der auf alles andere projiziert werden kann, außer auf sich selbst. Sich selbst. Nur die Dummen fressen ihr eigenes Fleisch.

Bedeutung ist auch nur eine Deutung. Man könnte falsch liegen, wenn das begriffen werden könnte.

Je größer wir werden, um so mehr werden wir zu unseren eigenen Alpträumen. Aber es ist nicht greifbar. Der Nächste wiederum ist uns in derlei Hinsicht am nächsten.

Warmes Wasser. Lau. Wie das eigene Blut. 36,5 Grad Celsius. Mein aufgedunsenes, faltiges Fleisch ist wie ein Fremder auf meinen Knochen.

© Rainer M. Scholz