Großvater Nihil

Die Alten. Überall wollen sie die Ersten sein. Sie haben Angst, abgehängt zu werden, deshalb drängeln sie sich mit impertinenter Beharrlichkeit vor. Sie erzählen die Geschichten von früher in steter Wiederholung, von ihren immensen Leistungen und riesigen Erfolgen. Das ist alles gelogen. Sie wollen die Welt errichtet haben und begreifen nicht, dass die Nachfolgenden ihre eigene wollen. Sie sind vergesslich, vor allem was die boshaften, neiderfüllten, gierigen und niederträchtigen Seiten ihres Tuns anbelangt. Ständig spulen sie die selbe Leier ab, und sie rücken einem auf die Pelle, weil sie nicht mehr richtig sehen oder hören können oder wollen, oder weil sie einsam und alleine sind. Die Alten. Sie riechen muffig, weil sie zum Waschen nicht mehr an alle Stellen ihres Körpers heranreichen, und ihre verschwommenen Augen starren dich missmutig und argwöhnisch an. Ihr Lächeln ist falsch und der Odem ihrer Mundhöhle voller Keime. Sie wissen alles besser. Sie sind schon überall gewesen und haben schon alles gesehen. Unbelehrbar sind sie und wollen das Anbrechen einer neuen Zeit nicht begreifen. Immer wollen sie alles durch das Geld richten, dabei reichen die Moneten der ganzen Welt nicht aus, um zu heilen, was sie hinterlassen. Sie fordern Respekt ein von wildfremden Menschen, wie man einen Blankoscheck einlösen mag. Ihr Alten mit euren Anekdoten von früher, euren nichtssagenen Geschichten und euren mottenzerfressenen Schlachtengesängen. Sie sind nicht die gutmütigen Großväter und -mütter aus dem Märchen. Sie sind nur noch nicht gestorben, weil sie hartnäckig an dem bisschen Leben festhalten und den Tod hinter jeder Ecke lauern sehen.

Sie wollen ewig leben.

Wie Gott.

Und einer nicht unmaßgeblichen Meinung nach ist der längst tot und obsolet.

© Rainer M. Scholz