Schule stellt Weichen

Parabel zum Thema Lernen

von  eiskimo

Die Klasse 9 der Civis-Gesamtschule hatte nie wirklich harmoniert. Zu unterschiedlich die  familiären Verhältnisse, zu konträr die Ansprüche und Fähigkeiten.

Im Grunde hatte sich schon bei der Zusammenstellung dieser Gruppe eine Zweiteilung abgezeichnet. Auf der einen Seite  die Sprösslinge der bürgerlich-aufstrebenden Bereiche; sehr auf Leistung gepolte und materiell gut gestellte Familien, well-off, würden die Soziologen sagen. Und auf der anderen Seite geradezu rückwärts orientierte, auf ihre überkommenen Werte vertrauende Elternhäuser, denen die scheinbare Überlegenheit der anderen Fraktion immer suspekt war.

In den Anfangsjahren, also in Jahrgangsstufe 5 bis 7, traten die Gegensätze noch nicht so stark zu Tage. Es war sozusagen ein trügerisches Nebeneinanderher der selbstbewusst-Ehrgeizigen Kids, die da im Wohlstand groß wurden, und denen, die doch zunehmend abgehängt waren.

Erst in Klasse Neun brach der Konflikt offen aus. Hätten die Lehrer mehr psychologisches Feingefühl  gehabt für die jeweiligen Opinion Leaders – sie hätten die innere Spaltung der Klasse voraussehen können. In der Well-Off-Fraktion begannen Partys und teure Wochenend-Vergnügungen. Da waren hippe Klamotten angesagt, und auch die vormals so braven Mädchen entwickelten immer mehr Initiative. Spaß war da das Zauberwort.

Anders bei den Weniger Betuchten. Da hatte sich schon im Laufe des 8. Schuljahres  Walter P. als raffinierter, kühl agierender Drahtzieher herausgestellt. Dieser eher schmächtig gebaute Knabe hätte durchaus das Zeug dazu gehabt, intellektuell bei den Wohlstandskindern Schritt zu halten, aber die hatten ihn abserviert, hatten seine Avancen durchaus arrogant ins Leere laufen lassen. Und so etwas verzeiht ein Abgehängter nicht. Nicht einer wie Walter, der nun auf Rache sann.

Sein Opfer war Yannis, und mit Yannis – so sein Plan, würde er sowohl den verhassten Party-Kids einen auswischen als auch seiner Gefolgschaft die Richtung vorgeben. Seine Richtung.

Warum hatte Yannis es auch gewagt, sich aus der Riege zu verabschieden? Wieso wollte er – trotz seiner klaren Warnung „Mach das nicht!“ – sich diesen albern-verspielten Wohlstandsgören anbiedern? 

Die natürlich, die hatten Yannis ganz putzig gefunden. Süß, wie er sich anschickte, ihnen nachzueifern. Aber dass Walter ihn jetzt derart mobbte, nee, das empörte sie dann schon. Aber andererseits: Sich mit diesem Walter anlegen, sollte man sich das wirklich antun? War Yannis das wert?



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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (21.02.24, 13:48)
So schafft es selbst ein Yannis nicht. LG
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