enchantress

Gedicht

von  Tula

Noch eben warst du Brise, warmer Regen,
der zu mir heimwärts zieht, von Süden her.
Du senkst den Blick. Mit einem Wimpernschlag
nimmt die Unsterbliche Besitz von dir,

bezwingt und fesselt mich mit bloßen Augen,
flüstert dir Zeichen auf die bleiche Stirn.
Gebannt von der Tiara hinter ihr
werde ich Tier: zum Ritual bereit.

Ich folge der geheimnisvollen Formel,
die dumpf aus jeder deiner Poren steigt.
Ein süßer Odem saugt mit Vehemenz
aus mir den letzten Rest an Contenance.

Sie hält mich hilflos zitternd in der Schwebe
und treibt mich mit Visionen in den Wahn.
Mein Fleisch zerreißt in diesen, wenn du mir
die Lippen schleifst am rosa Futteral.

Und dann entschwindet sie mit deinem Lächeln:
„Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?“
Und alles in mir bricht und fällt und fleht:
Gewiss! Ich will nicht mehr als tausend Tode.


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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (01.06.25, 06:14)
Hexen hexen nun einmal. Leider jedoch meist eher fiktiv.

Kann es sein, dass es sich in deinem Gedicht um die Begegnung mit einer aufsehenerregenden Kellnerin handelt?
Eine Mundschenkin ist bei "euch" sicherlich ähnlich beliebt wie eine Krankenschwester ... :D

 Tula meinte dazu am 01.06.25 um 18:24:
Lieber 8er
Ja, das wäre eine Variante. Denn die Hexen sind tatsächlich überall: auf Arbeit, in der Kantine und neulich sogar im Supermarkt am Fischstand. Musste drei Tage lang zu Hause die Sardinen essen, bis sie endlich weg waren. Dabei wollte ich zunächst nur ein halbes Pfund kaufen. 
Aber du kennst das ja aus dem Zwergenland. Erst erscheint sie als Schneewittchen und macht dir sogar das Bett. Ein paar Jahre später ... oh je!

zauberhafte Grüße
Tula

 plotzn (01.06.25, 09:34)
Oh, mein armer Tula! Der Gerächte muss viel leiden, besonders, wenn er in der Schwebe tausend Tode stirbt.

Erholsame Pausen wünscht Dir
Stefan

 Tula antwortete darauf am 01.06.25 um 18:27:
Lieber Stefan
Der Gerächte? Du bist gut, nur weil mal kurz die Phantasie durchgeht ... Das hatte Lyrich nicht verdient, d.h. wenigstens ein Küsschen ... 

LG Tula

 Saira (01.06.25, 09:54)
Moin Tula,
 
wäre mein letzter Friseurbesuch bei Pierre auch nur halb so magisch gewesen, hätte ich jetzt Locken und einen Nervenzusammenbruch  :(
 
Mein Fleisch zerreißt in diesen, wenn du mir
die Lippen schleifst am rosa Futteral.
 
Oh Mann, Hammerbild!
 
Mitfühlende Grüße
Sigi

 Tula schrieb daraufhin am 01.06.25 um 18:30:
Liebe Sigi
Gut, dass die Damenfriseure nicht selten auf Männer stehen  :D 
Bei mir schneidet nicht selten eine Dame. Allerdings ohne jede Begeisterung. Kein Wunder bei den paar Fusseln auf dem Oberkopf. Seufz ...

LG Tula

 Teo (01.06.25, 09:58)
Moin Tula,
Meine Güte, mal wieder beeindruckend!
Du hast es aber auch immer schwer mit die Damen.
Tausend Tode? Werde Fan vom VfL Bochum. Da stirbst du die an jedem Spieltag.
Hab dich Wohl 
Teo

 Tula äußerte darauf am 01.06.25 um 18:32:
Hallo Teo
Ja, Frauen und Fußball sind das Leid der Herren  :D
Aber tröste dich, in der nächsten Saison werden sie bestimmt auch ein paar Spiele gewinnen und hoffentlich auch gegen Schalke.

LG Tula

 klausKuckuck (01.06.25, 11:39)
Hey Dirk,
ich gehöre offenbar nicht zum inneren Kreis der Wissenden – ich verstehe dein Gedicht nicht. Tut mir leid,
Herzlichst Peter

ps Auch nicht, nachdem ich mich über den Titel schlau gemacht habe.

 Tula ergänzte dazu am 01.06.25 um 18:44:
Hallo Klaus
Nun ja, ist doch eigentlich eine alte Geschichte. Odysseus mussten sie an den Mast schnallen, nur weil da ein paar junge Weiber am Strand singen. Und die Lorelei war doch nur ein junges Mädchen, das vom Gelaber der Eltern genug hatte und sich mal kurz zur Entspannung auf den Felsen am Fluss setzte. Schon schippert so ein Träumer vorbei und kann sich kaum halten vor lauter Bewunderung und erleidet Herz- und Kahnbruch.

Natürlich kokettieren manche Damen auch, macht doch Spaß, wenn der Kerl ganz nervös wird. Oder er er phantasiert halt gern, von Unterwerfung und Zerfleischung.

Am Ende die Frage: Was wäre Erotik ohne solche Phantasien? Die Liebe würde keine sieben Jahre, ach was, nicht einmal sieben Tage dauern.   :ermm:

LG Tula

 klausKuckuck meinte dazu am 01.06.25 um 19:51:
Davon erzählt dein Gedicht, sagst du? Aha. Den andern Forendeutern womöglich – mir aber mit keinem Wort. Ich bin vermutlich allzu illusionsbefreit, um solche Dampfstärke des Odems noch nachempfinden zu können. 
Nichts für ungut,
Peter

Antwort geändert am 01.06.2025 um 19:54 Uhr

 Tula meinte dazu am 01.06.25 um 22:29:
Hallo Klaus
Mit der Lyrik verhält es sich ein wenig wie mit den Reizen der Liebe, d.h  nicht jeder lässt sich von einer Person, ob Dame oder Mann, gleichermaßen bezaubern. Das ist wohl auch gut so.
Natürlich (so hoffte ich) sollte man auch dieses hier mit einem Schuss Ironie lesen, denn genau genommen geht es weniger um den tatsächlichen Zauber der Dame, als vielmehr um die Phantasie des Mannes. 

LG Tula

 Graeculus meinte dazu am 01.06.25 um 22:37:
Aus diesem Gespräch heraus habe ich erst verstanden, daß Dein Gedicht von den Sirenen handelt (und auch von der Loreley). Das trifft sich, denn gerade heute habe auch ich einen Text über eine Sirene veröffentlicht: Parthenope. Deiner ist aber entschieden poetischer, schöner; das kann ich so nicht.

 klausKuckuck meinte dazu am 01.06.25 um 22:48:
Da hast du einen Punkt, Dirk. Allerdings niemand aus dem Forum (mich eingeschlossen) hat dein Gedicht "mit einem Schuss Humor" gelesen, eher im Gegenteil. Ich habe irgendwann überlegt, ob ich das Gedicht versuchsweise in die Nähe eines Comics denken soll – habe das dann aber verworfen, weil die KV-Kommentare alle so tierisch ernst ausgefallen waren (man will ja die Leute nicht ärgern). Mit einem Schuss Humor liest sich dein Gedicht nämlich angenehm, es wird verständlich und gefällt mir – vor allem, wenn ich es (auf deinen Tipp hin) in die Nähe des gefesselten Odysseus und der kindhaften Loreley gedankenbildlich rücke.
Gruß an den Tejo
Peter

 Tula meinte dazu am 01.06.25 um 22:50:
Hallo Grec
Jetzt bringst du mich in Verlegenheit, weil ich nicht sicher bin, ob die Dame hier im Gedicht wirklich eine Hexe oder Männer-verschlingende Sirene ist oder Lyrich das einfach nur so wahrnimmt bzw. wahrnehmen will. Fest steht, dass der Zauber nicht wirklich in Worte zu fassen ist. Einfach unbeschreiblich, wenn es einen unerwartet erwischt  

LG Tula

 Tula meinte dazu am 01.06.25 um 22:55:
Hallo Klaus
Nun ja, etwas abwegig ist es ja, bei schönen Augen sofort an die magische enchantress zu denken. Ohne den Film (suicide squad) wäre ich wohl nie auf dieses Gedicht gekommen. Zugegeben war ich sofort hingerissen ...
Wenigstens bei den tausend Toden habe ich leicht übertrieben. Dreihundert hätten ja auch gereicht  :D

LG Tula

 GastIltis (01.06.25, 14:01)
Hallo Dirk, 

deine Zeilen haben mich von Anfang an derart stark gefesselt, dass ich erst am Ende bemerkt habe, dass sie reimlos gestaltet sind. Sie sind schon ein ziemliches Rätsel. Die Frage ist natürlich, ob es angeraten ist, mit dem nüchternen Verstand oder mehr mit einem innewohnenden starken Gefühl heranzugehen, was ich getan habe, wobei bei mir bestimmte Zuordnungen, Person, Beruf, Göttergleichheit, Zauberei, Landschaft, Erscheinungen gleich welcher Art, zunächst völlig unbeachtet geblieben sind. Dabei ist die letzte Strophe schon aufschlussreich und deutet auf eine Beziehung hin, die heftig, aber eben auf Grund der Intensität unerfüllt geblieben ist. Was ihren besonderen Reiz zu offenbaren scheint. Ein außerordentliches Kleinod der Lyrik, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.
Herzliche Grüße von Gil.

 Tula meinte dazu am 01.06.25 um 18:53:
Lieber Gil
Du bringst es durchaus auf den Punkt, denn nüchterner Verstand ist bei Erotik gewöhnlich erfolglos. Und ja, der Zauber hält meistens nur so lange, bis sich die Wünsche erfüllen, d.h. gewissermaßen entladen.
Gewiss findet nicht jeder solch eine enchantress unbedingt anziehend. Aber wie schon weiter oben bemerkt, Hexen sind Hexen, da liefert man sich am besten gleich aus  8-)

LG Tula

Antwort geändert am 01.06.2025 um 18:55 Uhr

 harzgebirgler (02.06.25, 08:06)
hallo Tula,

erinnert mich an rilkes wort in seiner ersten duineser elegie:

"Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören."

lg
harzgebirgler

 Tula meinte dazu am 02.06.25 um 22:53:
Hallo harzgebirgler
Wahre Worte eines großen Dichters. In der Tat, was schön anfängt, endet selten gut. Aber der Mensch bewundert halt das Schöne: Damen, große Reden und Versprechungen usw.

LG Tula
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