Nelken

Skizze zum Thema Abschied

von  ZornDerFinsternis

Ich hatte längst vergessen, wie das war.
Im Schnee zu stehen. Den Wind im Haar
und die kleinen Flocken auf der Stirn.
Dieses Kribbeln in der Nase, kurz bevor das Niesen kommt.
Und diese Taubheit in den Fingern, zwischen denen man die Zigarette eingeklemmt hat.
Und diese fluffigen Atemwölkchen...
Im Winter ist die Welt so schön.
In Weiß, da sieht alles so unschuldig und friedlich aus.
Es gingen Jahre an mir vorüber. Habe die Blätter des Kalenders gezählt
und doch die Tage ausgelassen. Das Leben gehen lassen.
Und ich stehe hier, am Ende meines Augenblicks. Blicke auf all die erlittenen Schmerzen
und vergangenen Jahre. Vermisse nichts. Nur Jemanden.
Ich habe lange schon vergessen.
Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen... doch du bist noch immer in meinem Herzen.
Und jeden Tag, ist dort Sommer. Jeder Tag, der 26. Juni. Jedes Jahr, 1942.
Dein Lächeln überzieht den asphaltierten Himmel.
Malt duftende Blüten und Schmetterlinge in mein graues Haar.
Und diese endlosen Nächte haben immer geendet.
Im Nichts. Am Anfang. Gegen Ende.
Und weißt du, was das Beste ist? Dass es nie etwas Besonderes gab.
Weil alle Zeit mit dir, ein wundervolles, besonderes Geschenk gewesen ist.
Und ich vermisse nichts. Keinen dieser Augenblicke.
Weil ich dich und uns, unser Damals, stets in meinem Herzen tragen.
Und ich habe uns längst vergessen.
Unser Grab lange schon ausgehoben.
Und heute, graben sich meine tauben Hände in den eisigen Schnee.
Zerreißen die Beständigkeit der Gegenwart.
Und ich weiß, ich werde sie nicht vermissen.
Bette unsere Scherben auf roten Samt.
Am Horizont ziehen Wolken auf.
Grau.
Und ich hatte längst vergessen, wie das war.
Hoffnung zu haben.
Träume fliegen zu lassen.
Kindheit zu leben.
Glücklich zu sein.
Zu lieben.
Du hältst mich noch immer hier.
Angekettet.
Ausgehungert - nach Liebe dürstend.
Und ich habe vergessen, wie es hätte sein können.
Wie es wohl gewesen wäre, Liebe zu erfahren.
In einem dunklen Loch ohne Angst und Trauer zu hausen.
In deinen Armen einzuschlafen.
Unser Grab ist vom Schnee befreit.
Starre auf die schwarze Erde, 2 Meter unter mir.
Schließe meine Augen.

"Wir wollten doch Nelken im Haar tragen, Liebste..."
"Wir wollten doch die Stille sehen...
das Meer betrachten."

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (15.12.10)
Das ist das Seltsame, dass das, was so tief schmerzt, doch schön sein kann. Schön kann es aber nur deswegen sein, Anni, weil du ein Medium für gute Formulierungen bist. Ich bin wieder einmal beeindruckt.
Liebe Grüße von Ekki

 ZornDerFinsternis meinte dazu am 16.12.10:
Woow... Ekki, das sind wirklich zuviele gute Dinge auf einmal... das Lob, der Kommi.... einfach alles. Viel zu lieb.. Tausend Dank und liebe Grüße zurück, Anni :)

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 16.12.10:
Es mag zwar lieb sein, Anni, aber es ist wohlverdient.
Liebe Grüße von Ekki
Songline (45)
(15.12.10)
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 ZornDerFinsternis schrieb daraufhin am 16.12.10:
... ich bin ganz platt. Soooo lieb, dankeschön :) Aber, sry, es ist und bleibt übertrieben :) Vielen Dank :)
Liebe Grüße, Anni -knuddel-
SigrunAl-Badri (52)
(15.12.10)
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 ZornDerFinsternis äußerte darauf am 16.12.10:
Liebste Sigrun...
ich möchte dir wirklich herzlich danken -knuddel-
Deine lieben Zeilen, treiben mir wieder einmal die Tränen mitten ins Gesicht... und... dein (euer) ganzes Lob... es bleibt mir unverständlich. Ich schicke dir eine liebevolle Umarmung :)
Anni
Samhain (23) ergänzte dazu am 17.12.10:
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 ZornDerFinsternis meinte dazu am 17.12.10:
Daaaaankeschön :) -umknuddel- Danke :')
Lürig (55)
(12.11.16)
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