Was ist Gerechtigkeit?

Erörterung zum Thema Gerechtigkeit/ Ungerechtigkeit

von  loslosch

Bonis nocet, qui malis parcet (Pseudo-Seneca; zunächst fälschlich Seneca - 1. Jh. n. Chr. - zugeordnete apokryphe Briefe aus dem 4. Jh. n. Chr.). Den Guten schadet, wer die Bösen schont.

Ein auf den ersten Blick geradezu trivialer Gedanke. Bei näherem Betrachten jedoch eine Sentenz voll tiefer Weisheit. Man denke nur an die Schulzensuren. Wer den Schwachen einen Bonus einräumt, nivelliert die vorhandenen Leistungsunterschiede. Schon beim Schulsportfest beginnt die ganz kleine Schummelei: Wer beim Weitsprung der lieben Kleinen aus dem sog. Sprungraum meint, das Übertreten tolerieren zu dürfen ("ich messe doch den Fußabdruck!"), benachteiligt die anderen Wettkampfzwerge, die sich regelgerecht verhalten. Nur diese zwei "harmlosen" Beispiele herausgegriffen. Im Alltag wimmelt es von diesen Verstößen gegen Fairness und Gerechtigkeit.

Was ist Gerechtigkeit? Was-ist-Fragen (wie die Pilatus-Frage nach der Wahrheit) sind nicht zielführend, stellen auf das "Wesen" eines Begriffs, einer Sache ab (Essentialismus), stranden im schwafelnden Irgendwo. Dieser alte Sinnspruch gibt eine indirekte Auskunft. Menschen mit einem Malus, einem Nachteil zu bedenken ist stets im wachen Bewusstsein des Handelnden. Er weiß im Grunde um die fehlende Gerechtigkeit. Wer dagegen einzelne bevorzugt, zählt sich in aller Regel zu den gerecht Denkenden. So nimmt die Ungerechtigkeit ihren versteckten Lauf. Übertragbar auch auf die staatliche Steuer- und Subventionspolitik.

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Kommentare zu diesem Text

fdöobsah (54)
(13.10.11)
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 loslosch meinte dazu am 13.10.11:
die wettkampfzwerge erhalten jetzt eine vertiefte bedeutung, was mir bei der niederschrift nicht bewusst war. daher sollte ich mich nicht scheuen, demnächst ein simples thema anzugehen, das der hühnerschrift (gallina scripsit). danke für die bewertung. lothar
Vokalanästhesie (44)
(13.10.11)
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 loslosch antwortete darauf am 13.10.11:
so ein hors-d'œuvre lässt weightWatchers noch durchgehen, madame. gelungenes da(u)menstück. lothar

ps: siehe auch den "Schlankmacher-Werbeslogan" vom 29.9.2011.

 Didi.Costaire (13.10.11)
Hallo Lothar,
bei der Schlusspointe kommst du wieder zur Übersetzung mit "böse", bei den Schulbeispielen dehnt sich der Begriff eher in Richtung schlecht, unfähig, und die Boshaftigkeit in Form von Ungerechtigkeit (oft auch nachvollziehbare Bequemlichkeit) nimmt der Lehrer für sich in Anspruch. So lernt man schon früh, dass das Leben ungerecht ist.
Beste Grüße, Dirk

 loslosch schrieb daraufhin am 13.10.11:
mein damals 6-jähriger älterer sohn: "das ist ungerecht!" es war sein geflügeltes wort. irgend wann hatte er, unter meiner sanften einwirkung, endlich kapiert, dass es so ist ... dirk, du hättest es ihm noch besser erklärt als ich damals lothar

 Bergmann (13.10.11)
Ich stimme dir voll zu. Die falsche 'Gerechtigkeit' beginnt ja schon bei der Erziehung im Elternhaus - zum Beispiel das Kind im Spiel gewinnen lassen etc.

 loslosch äußerte darauf am 13.10.11:
ich habe versucht, meinen sohn gewinnen zu lassen - beim schachspiel. im handicap (ohne turm, läufer oder springer) wusste er, woran er war, wenn er trotzdem verlor. ohne dame zu spielen, wäre demütigend für ihn gewesen. deine ansicht, so richtig sie ist, teilen leider die wenigsten eltern, uli. lothar

 Lluviagata (13.10.11)
Lieber Lothar,
ich finde, dies ist auch auf die Gleichberechtigung übertragbar, und das ziemlich vordergründig. Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und und und; all diese Gerechtigkeiten dieser Welt, bei denen falsche Gerechtigkeit schon fast zum guten Ton gehört ...
Das fetzt echt, gleich am Morgen die Gehirnwindungen zu schmieren.... ;)
(Kommentar korrigiert am 13.10.2011)

 loslosch ergänzte dazu am 13.10.11:
man sollte im kleinen beginnen. wenn wohltaten verteilt werden, fangen schon die unredlichen dinge an. war mein text wirklich so anstrengend, andrea? kleines understatement. lothar

 Lluviagata meinte dazu am 13.10.11:
Wenn etwas "fetzt", dann macht es Spaß, mein Lieber! Nix Anstrengung! ;)))

 ViktorVanHynthersin (13.10.11)
Was haben Gerechtigkeit und Schönheit gemeinsam? Ob sie vorhanden ist, liegt im Auge des Betrachters.
Herzlichst
Viktor

 loslosch meinte dazu am 13.10.11:
denkst du an weibliche schönheit, ist die gerechtigkeit in gefahr. jawoll ja. merci. lothar

 EkkehartMittelberg (13.10.11)
Lieber Lothar,
ich beziehe mich auf dein Beispiel zur gerechten Leistungsmessung in der Schule, weil dieser Raum relativ überschaubar ist. Ich pflichte dir bei und füge hinzu: An den Maßstäben, die vor einem Wettbewerb bekannt gegeben wurden, muss unbedingt festgehalten werden. Wichtig ist, dass sie jedem transparent sind.
Was ist aber mit dem Leistungsschwachen, der sich verzweifelt bemüht und dem seine Unfähigkeit immer wieder gerecht bescheinigt wird? Ein Bekannter erzählte mir dazu dies: Er schrieb längere Zeit ungenügende Arbeiten in Mathematik. Als er dann eine mangelhafte Arbeit ablieferte, kommentierte der Lehrer unter der Zensur „mangelhaft“: „Gute Arbeit“, und machte dem Schüler seinen relativen Fortschritt bewusst. Dieser fühlte sich angespornt und konnte sich verbessern. Vielleicht stand unter der besten Arbeit einfach nur „sehr gut.
Der positive persönliche Kommentar des Lehrers fällt aus der absolut objektiven Leistungsmessung heraus, verletzt aber meines Erachtens nicht die Gerechtigkeit gegenüber allen, sollte als Versuch gewürdigt werden, individuell Gerechtigkeit zu üben, ohne die allgemeine Gerechtigkeit zu verletzen.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 13.10.11:
du zeichnest das ideal, ekki, das sich problemlos umsetzen lässt. ich hatte als sextaner in deutsch mal eine 4 minus (damals 8 oder 9 punkte). drunter stand, unvergessen: "noch recht unbeholfen." danach folge eine 3 (13 punkte). "Ganz geschickt." komisch, dass ich das nicht vergessen kann.

eine ermutigung ist pädagogisch goldes wert. das muss man trennen, so wie du es beschrieben hast. merci lothar

 irakulani meinte dazu am 13.10.11:
Ich wünschte, diese Überlegung würden mehr Lehrer und Erzieher beherzigen! Ich beobachte auch immer wieder (bei meinen Kindern) wie ungemein motivierend es sein kann, wenn eine Leistung nicht nur "allgemein" bewertet wird, sondern ganz individuell am persönlichen Fortschritt gemessen wird.
Zumindest für die Schulzeit ist das enorm wichtig.
Im späteren Leben weht allerdings meistens ein rauherer Wind und Gerechtigkeit ist (subjektiv) oft schwer einzufordern.

L.G.
Ira

 TassoTuwas (14.10.11)
Meine Großmutter, sagte immer , "Je mehr in der Welt vom Frieden geredet wird, umso näher ist der Krieg". Heute tönt es ringsum von "Gerechtigkeit". LG TT

 loslosch meinte dazu am 14.10.11:
nach dem motto "haltet den dieb".

das könnte auch die psychologische kriegsführung in vorbereitung desselben sein. hoffentlich hat deine oma unrecht; denn sonst würden die usa gegen iran was vorbereiten ... lo

 TassoTuwas meinte dazu am 14.10.11:
Meine Oma juckt schon seit 40 Jahren nichts mehr, aber ihre Weisheiten erscheinen mir unsterblich.
*Frieda* (48)
(16.10.11)
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