Menstruationslyrik im Kimono

Essay zum Thema Literatur

von  toltec-head

Kürzlich lief der Film "Sushi in Suhl" über ein Japanrestaurant in der DDR im Kino. Da die Beschaffung von Seetangblättern und Bambussprossen schwierig war, kam stattdessen Einheimisches wie Kohlroulade und Kolrabi zum Einsatz. Dem Publikum gefiel´s, denn es stimmte ja die Form. Und hierauf kommt es doch schließlich, wie jeder Internetliteraturforenliterat bestätigen können wird, an.

Nirgends stehen "waschechte Sonette", Alexandrinisches und Technikfragen rund um die Metrik noch so hoch im Kurs wie in Internetliteraturforen. Da dies aufgrund der ewiggleichen Inhaltsstoffe Kohl und Kartoffeln auf die Dauer doch dem ein oder anderen fadenscheinig wird, lässt man auch hier den Blick gern einmal gen Osten schweifen. Menstruationslyrisches präsentiert sich fesch in einer neuen Form: einem Haiku oder einem Tanka.

Als Wesensmerkmale der Menstruationslyrik hatten wir Betulichkeit, Nestwärme und das Bedeutungsschwangere herausgearbeitet. Nun muß man sich klar machen, dass dem Geist fernöstlicher Dichtung nichts so fremd sein könnte wie diese drei Ingredienzien. Im Zentrum steht stets das, was die Japaner ein Satori-Ereignis nannten: eine Art Mini-Erleuchtung, die einen augenblicksweise von den uns sonst allmächtig umgebenden Emotionsbanden und gesellschaftlichen Verflechtungen löst und uns die Welt kalt, gelöst und inhaltsleer erscheinen lässt. Es geht um die Evokation von Freiheit.

Nehmen wir ein berühmtes Beispiel von Basho:

Der alte Weiher:
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers.

Nichts ist hier bedeutungsschwangernd, der Blick auf die Natur ist kalt und emotionslos wie nach langer Meditation, gesellschaftliches oder überhaupt zwischenmenschliches bleibt ausgeklammert.

Nehmen wir zum Vergleich einen X-beliebigen menstruationslyrischen Versuch im Kimono:

 träumen...

Das Bedeutungsschwangere kommt hier schon im Titel durch die Pünktchen zum Ausdruck. Sie deuten an, dass es gar nicht die Absicht der Autorin ist, sich wie nach einer langen Meditation nur auf die Dinge als solche einzulassen. Nein, man will das Romantische, das Abenteuerhafte, das Fantastische. Kurz: westlichen Kohl und Kartoffeln. Klar, dass der Mond dann auch nicht einfach Mond sein darf so wie der Frosch bei Basho einfach Frosch ist. Nein, er tritt uns in Gestalt der romantisch aufgeplusterten Luna entgegen. Natürlich geht es auch um ewig Zwischenmenschliches: prickelnde Erotik! Das Gespür dafür, dass derlei Verstrickungen gerade das waren, wovon ein Basho sich mit seinen Gedichten zu lösen suchte, fehlt der Autorin völlig.

Aber dem Publikum schmeckt´s. Es stimmt ja schließlich die Form. Man bewundert die Technik. Wie damals einst bei den, der Herr hab sie seelig, "Sushis aus Suhl".


Anmerkung von toltec-head:

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/japanische-kueche-in-der-ddr-sukiyaki-in-suhl-11884028.html


Mit schönem Foto: Der Koch im Kreis seiner DDR-Geishas.

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Kommentare zu diesem Text

Dieter Wal (58)
(05.01.13)
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 toltec-head meinte dazu am 05.01.13:
Es war der Buchstabe d entbehrlich; die Worte sind wie immer bei mir genau abgewogen und keines davon entbehrlich :D
Dieter Wal (58) antwortete darauf am 05.01.13:
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 princess schrieb daraufhin am 05.01.13:
IQ-Test Frage Nr. 2:
Welcher Buchstabe ist in folgendem Satz entbehrlich oder könnte bei entsprechend humoriger Disposition durch ein"l" ersetzt werden?
Da dies aufgrund der ewiggleichen Inhaltsstoffen Kohl und Kartoffeln auf die Dauer doch dem ein oder anderen fadenscheinig wird, lässt man auch hier den Blick gern einmal gen Osten schweifen.
:-)

 toltec-head äußerte darauf am 05.01.13:
Inhaltsstoffe, danke Wal!
(Antwort korrigiert am 05.01.2013)

 princess ergänzte dazu am 05.01.13:
Diesen fernöstlichen Ansatz finde ich ganz prima!
Aufgrund plus Genitiv = Inhaltsstoffe. Ohne n. Inhaltsstoffel würde die Wertung der Ingredienzien unterstreichen.

 toltec-head meinte dazu am 05.01.13:
Del Wal wal schnellel als die Plinzessin. sly.
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