Natur der Dinge

Sonett zum Thema Alter

von  Isaban

Dieser Text gehört zum Projekt    Sonette.
Ahorn reckt die dürren Hände
hoch zum Fenster, fast herein:
Krankenzimmer. Weiße Wände
grenzen sichtbar Sieches ein.

Vor den Augen: Gottes Sohn,
alt, aus Ahornholz geschnitzt,
Dornenkrone, Leidenslohn.
Was noch atmet, keucht und schwitzt,

speit Flüche und Gebete  aus,
fiebert sich zurück nach Haus,
überm Kopf die Eisenuhr,

deren Zeiger Licht verstreichen,
und sie schleichen, schleichen, schleichen
stur in der stets gleichen Spur.

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Kommentare zu diesem Text


 Morphea (28.03.18)
Wir leben in einer Verdrängungskultur und für so manch einen ist es mehr Erlösung von einer Qual. Ich habe es zuoft erlebt dass Menschen nicht gehen durften...wir befinden uns da als Gesellschaft ethisch auf dem Irrweg. Einst meinte ein Patient zu mir er wusste nicht dass "Sterben" so lange dauert, man hatte ihm im Alter von 88 noch einen Herzschrittmacher implantiert...Oft haben wir uns gefreut wenn jemand endlich eingeschlafen ist ...endlich sterben konnte und durfte.

Die dürren Äste sind in deinem Werk besonders metaphorisch , einerseits verbildlichen sie die hand des sterbenden Menschen , der einen Halt sucht , andererseits greift die Hand des Todes...unter einer sich verblassenden Uhr deren Zeit knapp wird.

 Isaban meinte dazu am 28.03.18:
Hallo Morphi, was für eine schöne Rückmeldung!
Ja, die Äste. Draußen Ahorn und drinnen, draußen fast tot, drinnen an der Wand tot und heilig und die Uhr tickt.
Für mich selbst wünsche ich mir, dass es überraschend kommt und sehr schnell geht. Meine Omi ging kurz vor ihrem 57. Geburtstag morgens früh zum Bödchen, Zigaretten aus dem Automaten ziehen, steckte das Geld ein, zog die "Krohne" raus und fiel tot um. Gehirnschlag. Für uns Angehörige schrecklich, aber Himmel, was ist ihr alles erspart geblieben!

Ich freu mich sehr, dass du dich in meinen Text vertiefen mochtest.

Herzlichen Dank.

Liebe Grüße

Sabine

 AZU20 (28.03.18)
Ja, es ist die Natur der Dinge, auch wenn man es verdrängen möchte. LG

 Isaban antwortete darauf am 28.03.18:
Je älter man wird, desto weniger gut funktioniert der Verdrängungsapparat. ;)

LG Sabine

 ManMan (28.03.18)
Eine sehr einseitige Sicht des Alters! Als ob nur das Sieche sichtbar wäre und nicht Erfahrung, Weisheit und Einsichten, die nur das Alter hervorbringen kann. Du driftest mir zu sehr ab in eine defätistische Richtung, die lediglich beschreibt, welche negative Entwicklungen sich ergeben. Alt werden wollen alle, aber dass das Alter zwei Seiten hat wie andere Dinge auch, will kaum jemand wahr haben. Ich erlebe das Alter durchaus auch als Bereicherung, obwohl ich vor allem in ökonomischer Hinsicht manches entbehren muss. LG ManMan

 Isaban schrieb daraufhin am 29.03.18:
Hallo ManMan,


das Alter hat viele Fassetten und man könnte darüber ganz sicher mehrere Doktorarbeiten schreiben, aber das war hier nicht die Absicht.

Dieser Text hier zeigt nur diesen einen ganz bestimmten Bildausschnitt und mehr will er auch gar nicht.

LG Sabine

 Cathleen (31.03.18)
Ich war als Kind mal mit meiner Freundin bei deren Oma im Altersheim. Dort standen in einem großen Raum viele Betten, wo die teilweise uralten Leute mehr oder weniger lebendig ihren Tag verdämmerten. Und ich dachte nur: So will ich nicht sterben. Dein Text ist sehr ehrlich. Sogar den Tod muss man sich leisten können. Traurig. LG Cathleen

Kommentar geändert am 31.03.2018 um 15:56 Uhr

 Isaban äußerte darauf am 31.03.18:
Hallo Cathleen,

ich arbeite, sofern es meine Zeit erlaubt, ehrenamtlich in der Demenzbetreuung, habe nicht nur, aber natürlich auch im Altenheim gearbeitet und ich kenne die Zimmer und die Uhren und das hoffnungsferne Warten. So möchte wohl niemand auf das Ende warten. Die Frage ist nur, ob wir die Wahl haben.

Herzlichen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Sabine
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