Geisterhaus

Gedicht zum Thema Alter

von  Isaban

Sein Garten war verwildert. Alles blühte,
wie zum Beweis: Natur wird stets gewinnen.
Im Wind umschwebten uns die Fallschirmspinnen,
bis letzte Abendsonne Goldlicht sprühte.
Der graue Herr ging mit mir durch die Zimmer,
verteilte zur Beleuchtung ein, zwei Kerzen.

Der Anblick des Verfalls schien ihn zu schmerzen.
In seinen Augen stand: Da war sonst immer...
Das Haus war alt und viel zu lang verlassen;
Tapeten wellten sich wie ein Parcours,
im ersten Stock stand eine Pendeluhr
und schwieg, seit letzte Mieter sie vergaßen.

Durch die verdreckten kleinen Butzenscheiben
fiel uns der frühe Mond auf das Gesicht,
er kroch die Wand hinauf. Sein fahles Licht
begann die Altersspuren wegzureiben.
Nur ganz am Boden schien es aufzugeben.
Die Dielen waren fleckig und verzogen,

als wären sie mit Tränen vollgesogen,
mit Einsamkeit und Duft verwelkter Leben.
Da waren keine Geister, doch ich spürte,
wie dick Vergangenheit auf allem lag -
und auch wie sehr ihr Zauber mich berührte;
verwunschen waren Haus und Licht und Tag.

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (02.08.09)
Ein verwunschenes altes Haus ohne Gespenster aber mit viel Vergangenheit

 sundown (02.08.09)
Worte aus denen Wehmut tropft und eine gewisse Zärtlichkeit.Die das Haus und seinen Bewohner sanft einhüllen..So schön geschrieben..ich mag das sehr...
LG sundown
Max (43)
(02.08.09)
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 Bergmann (02.08.09)
Und was geschieht dann?
Will sagen, das ist der Anfang einer Ballade im Stil US-amerikanischer Romantik...

 Didi.Costaire (02.08.09)
Liebe Sabine, da ich dieses gelungene und stimmungsvolle Gedicht an sich bereits kenne, finde ich den neu eingebauten grauen Herrn besonders interessant,

denn er erinnert mich an Michael Endes "Momo", die Gesellschaft der grauen Herren und das Diktat des Zeitsparens. Dieser hier hat offenbar längst aufgegeben...

Liebe Grüße, Dirk

P.S.: Warum hast du den Text linksbündig geschrieben?
(Kommentar korrigiert am 02.08.2009)

 Momo (02.08.09)
Ja, alte Häuser haben immer so etwas ...
eine ganz eigene Ausstrahlung, manchmal angenehm, friedvoll, - manchmal aber auch nur Muff.

Auf jeden Fall schön geschrieben, gerne gelesen.

L.G.
Momo
janna (61)
(02.08.10)
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Manu (56)
(05.08.10)
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Gedankenstaub (35)
(30.12.10)
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 Isaban meinte dazu am 31.12.10:
Freut mich sehr, dass du hier zwischen die Zeilen schlüpfen mochtest.
Hab vielen Dank für die Rückmelung und deine Interpretation.

Liebe Grüße,

Sabine
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