Rund um die Ecken

Essay zum Thema Magie

von  LotharAtzert

"Die Präsenz wurde nie geboren und ist nie zu gebären,
sie erscheint von selbst, ununterbrochen und ununterbrechbar ..."

- so beginnt ein längerer Dzogchen-Gesang, den man außerhalb der Gemeinde der Praktizierenden nicht veröffentlichen soll. Warum, ist klar: weil's jeder, ohne das Vortreffliche zu schätzen, besser zu wissen glaubt, obwohl  doch die nötige Grundlage fehlt. Das Geheime ist - das gilt zumindest für den Buddhismus - nicht deshalb geheim, weil Geisteskrämer um ihre Macht fürchten, sondern weil man es von sich aus erschließen muß, was gewisse Kenntnisse, sowie einen entsprechenden Lehrer und von Schülerseite einen Hunger voraussetzt. Entsprechend bedeutet hier natürlich: der Lehrer muß dieser Tradition gefolgt sein und "Verwirklichung" erreicht haben, die er als Kraftübertragung dem Vertrauensvollen weitergibt.

Die Präsenz ist nicht geheim, sie ist sogar allgegenwärtig, so daß beim Leser der Eindruck entstehen kann, hier würde Banales mitgeteilt. Und tatsächlich ist es das auch. Doch der Witz besteht nun darin, daß schon wenige Momente später die Bewußtheit sich anderem zuwendet und das war es dann mit der allgegenwärtigen Präsenz.

Das Thema Geheimnisverrat ist auch jenseits der Geheimdienste eine spannende Angelegenheit - es soll, so heißt es, den Verräter in die Vajrahölle bringen und wurde oft in Dharmakreisen diskutiert -  stets mit dem gleichen Ergebnis (- und hier könnten sich die Etablierten ein Scheibchen Dharmawurst abschneiden): sobald es einem Wesen nutzt und einem anderen nicht schadet, ist Verrat sogar förderlich.
Nunja, der Zwiespalt ist so alt, wie die Welt: wann hilft etwas wirklich und wann nicht. Vor einer Stunde etwa war ich im Garten und fand eine tote Meise, schon über und über mit Wespen und Fliegen umschwirrt. Der erste Impuls, der mich erreichte, war Erschrecken, der nächste Traurigkeit, der dritte eine würdevolle Bestattung.

An diesem Punkt hielt ich inne, dh. ich erinnerte mich wieder an die ununterbrochene Präsenz und erkannte plötzlich, daß ja auch Wespen und Fliegen hungrig waren. Buddha soll sich sogar mal einer Tigerin, deren Jungen am Verhungern waren, als Mahlzeit angeboten haben.  Jetzt egal, ob das so stimmt, mir wurde bewußt, daß selbst der verstorbenen Meise Geist noch karmisches Verdienst zuströmt, da sie ihren fleischlichen Körper zur Stärkung Lebender gibt, die ihrerseits Lebende zu füttern haben ... - sie alle dienen dem Kreislauf. Diesen Verdienstzufluß unterbrechen, bloß um "würdevoller" zu bestatten? Da wurde mir die Narretei des allzu statischen Umganges mit dem Tod bewußt und ich dankte dem Weltüberwinder für diese zunächst schmerzliche Einsicht des Sterbens, sowohl in mir, als auch um mich herum und bat ihn um Segen für den Vogel, damit der auch gut durch die Bardos kommt, bis dorthin, wo die Eierschale in Garudas Nest aufbricht.

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (29.07.20)
Es stammen aus Geheimratsecken,
die, die sich auf dem Topf verstecken,
doch ist das denn gleich ein Delikt? 🤔

 LotharAtzert meinte dazu am 29.07.20:
Darum geht es im Text. Ich werde den Titel ändern, er ist irreführend.

 FrankReich antwortete darauf am 04.08.20:
So ist er rund. 🙂
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