Wie mich seinerzeit eine Wohnung fand

Anekdote zum Thema Wunder

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)

Ich  wohnte schon zwei Jahre  in einer Wohnung ohne Heizung und Bad, mit Toilette auf dem Gang. Dies war einer insgesamt schwierigen Lebenssituation geschuldet, aber besser überhaupt ein Dach über dem Kopf als unter einer Brücke geschlafen.
    Nun stand also der dritte Winter ohne Heizung vor der Türe, und eigentlich hätte ich mich um eine neue Wohnung kümmern sollen. Tat ich aber nicht.
    Dies hatte verschiedene Gründe, unter anderem den, dass es sehr schwierig bis aussichtslos war, mit wenig Geld in einer Großstadt wie Düsseldorf eine vernünftige Wohnung zu finden. Auf ein Angebot kamen meist fünfzig oder mehr Bewerber, von denen sicherlich etliche bessere Referenzen als ich vorzuweisen hatten.

So hielt ich mich nun eines Tages, genauer gesagt an einem Freitagnachmittag, in der Düsseldorfer Uni auf. Ich saß in der Bibliothek und las etwas, und manchmal konnte das dann auch recht spät werden.
    Aber an diesem Tag verließ ich etwa gegen 17 Uhr die Bibliothek und ging dann über den menschenleeren Campus in Richtung Unikliniken. Kurz vor der Mensa überquerte ich eine kleine Brücke, als mir plötzlich ein Zettel auffiel, der an einer Seite angebracht war. Seltsam, dachte ich, hier hängt doch sonst nie jemand etwas hin. Üblicherweise wurden solche Aushänge an den dafür vorgesehenen Schwarze Brettern in den Gebäuden angeheftet. Neugierig blieb ich stehen und begann zu lesen.
    Das gibt es doch nicht! war mein erster Gedanke. Aber es war tatsächlich so! Jemand suchte einen Nachmieter genau in der Straße, in der ich wohnte! Was für ein seltsamer Zufall! Oder ein Fingerzeig von oben?

Am darauffolgenden Tag, also einem Samstag, rief ich dann bei der auf dem Zettel angegebenen Nummer an. Eine junge Frauenstimme meldete sich und nachdem ich mein Anliegen vorgebracht und erwähnt hatte, dass ich nur circa hundert Meter entfernt wohnen würde, sagte sie spontan: „Ja, da kommen Sie am besten gleich mal vorbei und schauen sich die Wohnung an!“
    Als ich circa fünfzehn Minuten später die kleine Dachgeschoßwohnung betrat, wusste ich auf der Stelle: Die ist es!

Die junge Frau war eine Brasilianerin, die gerade ihre Ausbildung beendet hatte und nun in ihr Land zurückkehren wollte, Im Beisein ihres deutschen Freundes zeigte sie mir kurz die frisch renovierte und teilmöblierte Wohnung - natürlich mit Bad und Heizung -  und fragte dann: „Gefällt sie Ihnen?“
  „Ja, unbedingt! Ich nehme sie!“ entgegnete ich. Woraufhin sie kurz mit ihrem Freund einen Blick austauschte und dann sagte: „Da gibt es allerdings ein Problem. Da sind noch etwa 50 andere Bewerber, die sich auf das heutige Zeitungsinserat sich gemeldet haben und sich Montag die Wohnung anschauen werden.“
    „Ach so“, sagte ich, „aber wieso dann noch der Zettel an der Uni, wenn Sie eh in der Zeitung inseriert haben?“ Sie lächelte. „Ach, das war eine spontane Idee meiner Vermieterin. Sie meinte, dass es nicht schaden würde auch noch an der Uni einen Aushang zu machen.“ Ich nickte: „Verstehe. Nur interessehalber: Wann genau haben Sie den Zettel da hingehängt?"
„ Gestern Nachmittag, etwa gegen 17 Uhr!“, lautete ihre Antwort. Ich schaute sie erstaunt an: „Also kurz bevor ich dann dort vorbeigekommen bin!“

„Gut“, sagte ich jetzt so eindringlich wie möglich, „ich will ganz offen mit Ihnen sein. Ich wohne seit zwei Jahren in einer Wohnung ohne Bad und Heizung. Ich will und muss diese Wohnung unbedingt haben. Sie blickte fragend rüber zu ihrem Freund, der bislang geschwiegen hatte.
  Nach einem weiteren Moment des Schweigens sagte der dann: „Nun, darüber können wir nicht bestimmen. Das ist letztlich die Entscheidung des Vermieters. Aber wir könnten Sie ganz oben auf die Liste setzen und sagen, dass Sie unsere Wahl wären!“
    Das machten sie dann auch und so kam es, dass ich drei Monate später in eine Wohnung zog, die ich auf normalem Wege sicherlich nicht bekommen hätte.
    Das ich nun just in dem Moment an der Stelle vorbeikommen war, wo die junge Brasilianerin kurz zuvor eigentlich überflüssigerweise - auf Geheiß der Vermieterin - den Zettel hingehängt hatte, war einer jener begünstigenden Zufälle in meinem Leben, für die ich gerne das Wort göttliche Fügung verwende. Die Wohnung hatte mich wohl finden sollen!

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (06.09.20)
Wattenscheid!!!

 loslosch (06.09.20)
was wichtiges fehlt: die vermieterin hat mit gott korrespondiert.

 Bluebird meinte dazu am 06.09.20:
Dies könnte man so sehen ... oder zumindest war sie wohl "inspiriert" worden, wenn man der Logik meines Artikels folgen möchte

 Regina (06.09.20)
Ohne Heizung wohnen zu müssen, was für ein Pech.

 Bluebird antwortete darauf am 06.09.20:
Eine gute Lektion ... man lernt seine Ansprüche etwas herunterzuschrauben und so etwas wie eine Heizung wertzuschätzen!
Während der Zeit sah ich den Bericht über eine alte Frau in Sibirien, die in einen warmen Mantel gehüllt, bei 10 Grad Celsius in einer Hütte lebte ....

 DanceWith1Life (06.09.20)
richtig schade, dass du es nicht so darstellen kannst wie es ist. Versuch das mal aus der Sicht eines Buddhisten zu schreiben, dann aus der Sicht eines Moslem, die haben da glaube ich auch eine spezielle Sichtweise dafür, und dann lass alle drei Sichtweisen weg, bis auf die Tatsache, dass es "geschenkt" wurde.
Aha (53)
(06.09.20)
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RufusThomas (20)
(15.09.20)
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 Alazán (17.12.20)
Nicht alles, was gut läuft, ist göttliche Fügung. Auch Nicht-glaubende erhalten hin und wieder eine Wohnung wider Erwarten. Ich will Dir keineswegs die Freude nehmen, aber vielleicht den Blick schärfen für Dinge, die auch außerhalb Deines hier voluminös geschilderten Gottesweges geschehen.
Ich bin selbst religiös, studierter Theologe, aber mir scheint an mancher Stelle, dass Du mehr als 100% gibst, was den Glaubenseifer anbelangt: Könntest Du Dir vorstellen, dass man eine Wohnung auch als Nicht-glaubende Person durch "Glück" oder "Zufall" oder "Mehr-Geld-im-Lebenslauf" bekommen kann?
Oxs (50)
(02.02.21)
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