Verbunden in Liebe dem Tod entgegenreisen

Erzählung zum Thema Sterben

von  EkkehartMittelberg

Ich setze voraus, dass das Jahrhundertwerk von Gabriel García Marquéz „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ den meisten Lesern bekannt ist. Deshalb gebe ich hier den Inhalt auf das Wesentliche konzentriert wieder.

Der 81jährige Arzt Juvenal Urbino kommt bei dem Versuch, seinen entflogenen Papagei einzufangen, zu Tode. Die 72 Jahre alte Witwe Fermina wird von dem 76jährigen Florentino Ariza umworben, der ihr nach einem halben Jahrhundert erneut seine Liebe noch bei der Trauerfeier beteuert. Die Witwe weist Ariza empört ab.

Der 18jährige Florentino baut mit heimlichen Liebesbriefen ein Verhältnis zu der 13jährigen Fermina auf, das nach zwei Jahren in ein beiderseitges Eheversprechen mündet. Die heimliche Liebe fliegt auf und Ferminas Vater, der für seine Tochter eine reiche Heirat vorgesehen hat, unternimmt mit ihr eine Reise des Vergessens. Danach sieht Fermina in Florentino nur noch einen poetischen Träumer und bricht ihre Beziehung ab.
Die bald 21jährige Fermina heiratet den 27jährigen Arzt Juvenal Urbino, der als Experte der Seuchenbekämpfung, zum Beispiel der Cholera, gilt. Das Paar lässt sich in Cartagena nieder. Der deprimierte Florentino versucht Fermina mit sexuellen Affären zu vergessen. Weil das nicht gelingt, macht er bei der Flussschifffahrtsgesellschaft Karriere, um Fermina mit seiner Tüchtigkeit zu beeindrucken. Er wartet auf den Tod von Urbino, um seine Liebesbeziehung mit ihr zu erneuern.                                                                                                                                                                                                                    Die Ehe von Fermina und Urbino kriselt, wird aber auf einer zweijährigen Reise nach Paris gefestigt. Dennoch denkt Fermina an ihre nicht verwirklichte Jugendliebe mit Florentino zurück; denn sie erkennt, dass sie in ihrer Ehe nicht autonom, sondern Luxusdienerin der Liebe ihres Mannes ist.
Die Ehe mit Urbino glänzt nach außen, aber ihr Mann hat eine geheime Affäre mit einer protestantischen Theologin, die er reuig beendet. Inzwischen beginnt Florentino an der Erfüllung seiner Liebesträume zu zweifeln.
Der Alterungsprozess setzt bei allen Beteiligten ein und Urbino stirbt wie eingangs erwähnt seinen tragikomischen Tod bei der Verfolgung des Papageis. Florentino war ja von Fermina abgewiesen worden, doch jetzt wirbt er besonnener um sie.  Er schreibt ihr so empathische Briefe über die Liebe, das Alter und den Tod, dass sie ihn wieder zu schätzen beginnt. Nachdem sie sich allmählich von ihrer Vergangenheit gelöst hat, empfängt sie den gedulderprobten Florentino freundschaftlich in ihrem Hause.
Ferminas verstorbener Mann und ihr Vater werden in der Presse verleumdet, Florentino verteidigt sie gegen den Rufmord und bietet ihr zur Erholung eine Dampferfahrt auf dem Rio Magdalena an. "Es wird ihre Hochzeitsreise. [...] Ferminas und Florentinos Körper haben durch die Zeit gelitten, aber ihre Liebe ist durch ihr Alter zärtlich verfeinert: 'Es war, als hätten sie den harten Leidensweg des Ehelebens übersprungen, um ohne Umwege zum Kern der Liebe vorzudringen. Sie lebten dahin wie zwei alte, durchs Leben klug gewordene Eheleute, jenseits der Fallen der Leidenschaft, jenseits des grausamen Hohns der Hoffnungen und der Trugbilder der Enttäuschungen: jenseits der Liebe. Denn sie hatten genug zusammen erlebt, um zu erkennen, daß die Liebe zu jeder Zeit und an jedem Ort Liebe war, jedoch mit der Nähe zum Tod an Dichte gewann.' Um dem „Grauen des wirklichen Lebens“ zu entrinnen, lässt Florentino alle anderen Passagiere aus dem Dampfer aussteigen und die gelbe Choleraflagge hissen, so dass sie abgeschirmt und ungestört das „ganze Leben“ auf dem Magdalenenstrom hin- und herfahren können." (Wikipedia)

Das Großartige dieser Liebesgeschichte ist, dass sie erst kurz vor dem Tode der Liebenden ihre Erfüllung findet, erkämpft durch die nahezu lebenslange Geduld Florentinos. Die LeserInnen ahnen, dass diese letzte Reise ein allmählicher Übergang vom Leben in den Tod ist  und dass am Ende Liebe und Tod zu einer Symbiose verschmelzen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 BeBa (17.04.21)
Dieses "Jahrhundertwerk" habe ich verschlungen. Danke, Ekki, für die Erinnerung daran.

LG
BeBa

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.04.21:
Grazie, Beba, vielleicht bist du ja nicht der Einzige, der sich gern an diese Lektüre erinnert fühlt oder wir gewinnen noch weitere Freunde für diesen großartigen Roman.

 Moja (17.04.21)
Vor Jahrzehnten bewundernd gelesen, Ekki, lange nicht mehr daran gedacht, selbst der Roman scheint unsterblich. Man erkennt vieles erst sehr spät.

Liebe Grüße,
Moja

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 17.04.21:
Merci für den feinen Kommentar, Moja. Der Roman erscheint als unsterblich, so, wie die Liebe zwischen Florentino und Fermina unsterblich erscheint.
Liebe Grüße
Ekki
Dieter Wal (58)
(17.04.21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 17.04.21:
Vielen Dank für diesen besonderen Hinweis, Dieter.
Dieter Wal (58) äußerte darauf am 17.04.21:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 harzgebirgler (17.04.21)
je dichter der tod
desto dichter die liebe
die ohn' daß er droht
vielleicht so dicht kaum bliebe.

lg
henning

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 17.04.21:
Vielen Dank, Henning, manchmal trennt der Tod Liebende, manchmal schmiedet er sie zusammen.

LG
Ekki
wa Bash (47)
(17.04.21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.04.21:
Merci, ich habe die Verfilmung leider verpasst. Aber das lässt sich nachholen.

 TrekanBelluvitsh (18.04.21)
Nix für ungut, aber ich denke, der Titel hätte lieber lauten sollen: "Wie man sich selbst das Leben schwer macht und den Blödsinn, den man macht und gemacht hat dann in höhere Sphären verklärt, damit man sich nicht eingestehen muss, dass man ein Idiot war und ist."

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.04.21:
Hallo Trekan, die guten psychologischen Begründungen von Marquéz für das Handeln seiner Protagonisten gehen wohl durch meine zu grobmaschige Inhaltsangabe verloren.. Also Florentino, Fermina und Urbino handeln nicht idiotisch, sondern eher liebevoll strategisch, es sei denn, dass man Florentinos Beschluss, ein Leben lang an einer Liebe festzuhalten, für idiotisch hält.

 TassoTuwas (19.04.21)
Hallo Ekki,
herzlichen Dank für deinen Hinweis auf dieses großartige Werk.
Zeit es noch einmal in die Hand zu nehmen!
LG TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.04.21:
Du wirst es nicht bereuen, Tasso,
Herzliche Grüße
Ekki

 GastIltis (01.05.21)
Lieber Ekki!

„Ich setze voraus, dass das Jahrhundertwerk von Gabriel García Marquéz „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ den meisten Lesern bekannt ist.“
Solch ein Satz trifft mich natürlich bis ins Mark. Deine Schuld? Sicher nicht.
Warum ich bisher keinen Zugriff hatte, muss ich mit mir selbst ausmachen.
Dein Text, wie immer liebevoll geschrieben und mehr als verständlich verfasst, hat mich dennoch beeindruckt. Parallelen zum heutigen Leben kann man sich denken. Ob ich in nächster Zeit, in denen die Rekonstruktion unserer Wohnung im Elfgeschosser mit Teilräumung usw. anstehen, dazu komme, in denen ich eigentlich vorhatte, meinen lieb gewordenen Bestand aufzuarbeiten, wage ich zu bezweifeln.
Schade, aber zu altern, heißt Abstriche zu machen. Nicht nur, um seine Gesundheit zu testen.

Sei freundschaftlich gegrüßt von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.05.21:
Merci, Gil. ich muss mich noch bis Anfang nächster Woche kurz fassen. "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" ist so spannend, dass du das Buch verschlingen wirst. Das verspreche ich dir.
herzliche grüße
Ekki
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram