Der Tod auf Bestellung

Erzählung zum Thema Sterben

von  EkkehartMittelberg

Als ich meinen ersten Text über das Sterben „Frühe Begegnung mit dem Tod“ schrieb, ahnte ich nicht, wie vielgestaltig Tod und Sterben sind. Ich wollte also keine Serie zu diesem Thema veröffentlichen. Mit der allmählichen Vertiefung hat sie sich ergeben.
So kam mir auch wieder die Erinnerung an die Kurzgeschichte von Siegfried Lenz „Das war Onkel Manoah“ aus der Anthologie „ So zärtlich war Suleiken“. Ich möchte die Kurzgeschichte hier vorstellen und meine LeserInnen mit einer Frage entlassen.
Der schöne schwarzhaarige Alec ist auf dem Markt in Masuren wohlbekannt. Man mag ihn, aber schenken würde man ihm so ohne weiteres nichts. Doch Alec weiß, wie man vorläufig ohne Bezahlung an die Kostbarkeiten des düfteschwangeren Markts kommt. Doch zuvor lässt er sich von einem Wanderfriseur für eine wichtige Begegnung die Haare schneiden. Er vertröstet den Barbier mit einem Brief dieses Inhalts: Onkel Manoah, der Besitzer eines Schleppkahns, ist heimgekehrt, um zu sterben. Alec als der alleinige Erbe des Schleppkahns bittet den Friseur, ihm das Geld zu stunden bis zum Abend, an dem mit Onkel Manoahs Hinscheiden das Erbe übergeben werden soll.
Das alte Schreiben macht Eindruck und er bittet nicht vergeblich. So gelingt es ihm einen stattlichen Gabenkorb für Onkel Manoah zusammenzustellen, mit goldgelben geräucherten Muränen von einer Fischfrau,  mit einem Körbchen Eier, mit Rauchspeck, Käse, Kaffee, Äpfel und Butter. (Die LeserInnen mögen sich bitte alle Waren in schönsten Farben ausmalen, damit ich hier nicht zu viele schmückende Adjektive verwende). Wenn die Verkäufer trotz des ehrwürdigen Briefs misstrauisch werden, führt Alec sie an den Rand des Markst, von wo aus man den Schleppkahn und undeutlich Onkel Manoah sehen kann.

Gegen Mittag begibt sich Alec auf den Kahn zu dem Onkel, der die ehrerbietig dargebotenen Geschenke zu würdigen weiß und sie in einem stundenlangen Festmahl genüsslich verzehrt.
Alec ist verzweifelt, als in der Dämmerung die Gläubiger auf das Schiff kommen und Onkel Manoah nicht gestorben ist. Der Onkel ahnt den Grund für Alecs Befürchtung. Er tröstet seinen Neffen mit dem Versprechen, den Gläubigern ein Schnippchen zu schlagen, an das sie ihr Leben lang denken würden.
Alec vertraut auf seinen listenreichen Onkel, stellt aber bald darauf überrascht mit den Gläubigern fest, dass Onkel Manoah, in einer Ecke lehnend, tatsächlich gestorben ist. „Da verneigte sich Alec tief und flüsterte: ‘Auf solch ein Schnippchen, Onkelchen, wahrhaftig, war ich nicht gefasst.‘“

Ich weiß, dass man dem Tode ein wenig nachhelfen kann, wenn man sterben will. Aber ich frage meine lebenserfahrenen LeserInnen: Lässt sich der Tod programmieren oder will uns Siegfried Lenz nur sagen, dass einige Auserwählte mit ihm verhandeln können?

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (15.04.21)
Meine unsichere Meinung: Man kann 'Hand an sich legen', das ist klar; man kann auch an gebrochenem Herzen sterben - aber um einem anderen Menschen einen Gefallen zu tun, sein Herz stillstehen lassen?
Ich kenne Fälle, in denen jemand sterben will, aber nicht kann, weil das Herz unerbittlich weiterschlägt, doch einen solchen Fall wie den hier geschilderten kenne ich nicht.
Bin gespannt, ob jemand mehr weiß.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Es geht mir genau sowie dir. Ich bin kindlich neugierig, ob es so etwas gibt. Ich möchte nicht ganz ausschließen, dass Fakire so etwas schaffen. Aber meine diesbezüglichen Kenntnisse sind leider sehr dürftig.

 FrankReich antwortete darauf am 17.04.21:
Na ja, wir wollen uns mal nichts vormachen, das Schnippchen, das der Onkel im Sinn hatte, war bestimmt nicht, zu sterben, Lenz hat hier den Neffen die Pointe zur Verstärkung noch einmal laut äußern lassen, mir fällt jetzt die Spezialbezeichnung für Ereignisse in dieser Konstellation nicht ein; sie laufen zwar parallel mit scheinbarem Zusammenhang ab, sind aber völlig unabhängig voneinander. 🤔
Wölfe und Hunde ziehen sich zwar auch zum Sterben zurück, das ist aber wohl mit dieser Situation nicht vergleichbar.

Ciao, Frank

 FrankReich schrieb daraufhin am 19.04.21:
Schade, ich hatte gehofft, auf meinen Einwand eine wie auch immer geartete Reaktion zu erhalten, da ich nämlich vermute, dass es sich bei erörterter Kurzgeschichte um eine mit doppeltem Boden handelt, denn in der Bibel gilt Manoah als der Vater von Samson und weil dieser seine übermenschliche Kraft durch den Verlust seiner Haare einbüßt, glaube ich, da eine Parallele zu Alecs Besuch beim Friseur zu erkennen, leider bringt mich dieser Ansatz nicht hinsichtlich des Schlusses der Geschichte weiter, entweder bin ich da auf dem falschen Dampfer, (😂, als Schiffsbesitzer erinnert Onkel Manoah natürlich auch an das Geschehen um die Arche Noah und sogar Alecs Einkauf für den Onkel und dessen anschließendes Festmahl ist meiner Meinung nach als Allusio auf die Bibel zu verstehen, ich weiß das jedoch nicht zu präzisieren) oder ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 19.04.21:
Frank, ich bin nicht bibelfest im Alten Testament, so dass ich zu den Anspielungen, die du zu entdecken glaubst, kritisch nichts sagen kann. Aber ich muss dir widersprechen: Onkle Manoah ist tatsächlich heimgekehrt, um zu sterben, das lässt er Alec vorher wissen. Aber Onkel Manoah war auf die Gläubiger nicht gefasst, die auf dem Schiff erscheinen und er schlägt ihnen nun ein Schnippchen, weil sie nicht glauben, dass er wirklich stirbt, und Alecs Ankündigung seines Todes und des Erbes inzwischen für einen betrügerischen Trick halten.

 FrankReich ergänzte dazu am 19.04.21:
Sicher Ekki, der Onkel ist heimgekehrt, um zu sterben, dass hat er seinem Neffen mitgeteilt, aber es handelt sich dabei um eine Floskel, die nichts über den Zeitpunkt des Todes aussagt, Alec und seine Gläubiger scheinen aber alle davon auszugehen, dass der Onkel schon bei der Ankunft stirbt, das ist eine äußerst merkwürdige Herangehens-, und Umgangsweise mit dem Tod und spinnen wir den Faden mal weiter, der Onkel wäre nicht gestorben und ihm wäre auch kein Schnippchen eingefallen, was er den Gläubigern hätte spielen können, was spräche dagegen, Alec entweder auszulösen oder ihn hängen zu lassen? Nein, diese Kurzgeschichte ist nicht nur fiktiver Natur, sondern ebenso konstruiert wie es "The Mockingbird" von Ambrose Bierce ist, ich bin mir sicher, dass das Ergebnis für diese Kurzgeschichte bei literaturwissenschaftlicher Analyse dem von "The Mockingbird" ebenbürtig sein dürfte, zumindest ist es nicht auf trivialer Ebene zu erklären und vielleicht kann da uns Graeculus weiterhelfen, der um einiges bibelfester sein dürfte als ich und zur Welt des Siegfried Lenz auch einen näheren Bezug.
Nichts für ungut Ekki, aber auch die Einbettung dieser Geschichte in eine Anthologie fiktiver und teils grotesker Texte deutet darauf hin, dass hinter ihr mehr steckt, als der erste Eindruck vermuten lässt.

Ciao, Frank

P. S.: Schade, dass Willibald noch nicht auf Deinen Text gestoßen ist, er könnte dazu sicher auch einiges beitragen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.04.21:
Ich bestreite nicht, dass man diese Kurzgeschichte so kompliziert deuten kann, wie du es möchtest. ich lese sie ganz anders.. Die Welt von Suleyken ist eine zärtlich verspielte naive Welt, die märchenhafte Züge trägt. Da ist es eben möglich, dass der Onkel heimkehrt, um zu sterben, nicht irgendwann, sondern schon bald. Auf dieses Wort vertraut Alec und der Onkel macht es wahr. Diese Verlässlichkeit, die keiner Psychologisierung bedarf, macht für mich den Reiz der Geschichte aus.

 FrankReich meinte dazu am 20.04.21:
Okay Ekki, dann gehe ich mal noch etwas tiefer in die Sprachanalyse, das Vorwort beginnt nämlich mit "Es war einmal ein zärtliches Dörfchen ...", was in diesem Fall keine Personifikation darstellt, sondern auf die Größe der Ortschaft anspielt, im Titel dadurch aber für die Interpretation einen anderen Wert erhält, denn Lenz erzielt durch die vermeintliche Personifikation einen ironischen Effekt, in etwa wie "So zärtlich war Suleyken wirklich" und mal ehrlich, zeugt es nicht von totaler Herzlosigkeit, bzw. fehlender Empathie, dass ein ganzes Dorf, besonders aber dieser aalglattgeschniegelte Alec auf den Tod eines Mannes spekuliert?
Ich sträube mich nicht gegen Deine Interpretation, bin aber, je mehr wir darüber diskutieren, der Überzeugung, dass sie der Pointe geschuldet ist, ein Stilmittel, das diesen ganz normalen Wahnsinn noch zu unterstreichen versteht, jedoch als Faktum nicht eins zu eins übertragen werden sollte, weil dass dem tieferen Sinn der Geschichte nur schaden würde.
Nein, auch in Hinblick auf die anderen Geschichten handelt es sich bei Suleyken nicht um eine zärtlich verspielte naive Welt, sondern um eine Dystopie, der nur oberflächlich ein märchenhafter Charakter anhaftet.
Mir geht es übrigens in dieser Diskussion nicht darum, recht zu behalten, sondern ich bin tatsächlich der Meinung, durch Dich und Graeculus diese Anthologie als literaturwissenschaftliche Fundgrube entdeckt zu haben, wir müssten die Schätze nur noch heben. 😉

Ciao, Frank

P. S.: Ich hätte da auch noch eine Arbeitshypothese anzubieten:
Vielleicht will Lenz mit der Geschichte aussagen, dass gerade der Tod kein Schnippchen ist, Alec das aufgrund seiner egoistischen Denkweise jedoch nicht begreifen kann und daher diesen Spruch raushaut.
Wenn ich Graeculus richtig verstanden habe, ist auch ihm solch ein "selbstbestellter Tod" noch nicht untergekommen und das würde ebenso gut in diese Arbeitstheorie passen wie meine bisherigen Beobachtungen zu Suleyken, was wiederum bedeuten würde, dass der Zyklus von der Literaturwissenschaft bisher völlig unterschätzt wurde. 🤔

Antwort geändert am 20.04.2021 um 15:44 Uhr

 AvaLiam (15.04.21)
Ich bin mir ganz sicher, dass der Tod sich ein wenig verhandeln lässt.
Die Aborigines zum Beispiel spüren, wenn es Zeit ist und es wird ein großes Fest geplant, an dem die Person gebührend gefeiert wird. Sie ist natürlich inmitten ihrer Lieben.
Ab einem für die Person guten befundenen Zeitpunkt zieht sie sich zurück, legt sich hin und beschließt, auf die große Reise zu gehen.

Jedenfalls lief das so eine ganze Weile, bis der Weiße kam und die Ureinwohner Australiens zwangszivilisiert hat. Von den ursprünglichen Gebräuchen und Lebensweisen ist heute leider nicht mehr viel übrig - selbst die Legenden und die vielen unterschiedlichen Sprachen, es waren mal mehr als 600, gehen verloren.

Doch soweit müssen wir gar nicht unsere Blicke schicken.
Ich habe einen guten Bekannten, dessen Vater in einer schweren Lebensphase beschloss, nicht mehr leben zu wollen.
Er schlief ein - für immer - einfach so.
Es gab keinen Nachweis von Drogen, Alkohol, Tabletten oder anderen äußerlichen Einwirkungen.

Ich glaube, wenn man es nur allzu sehr will, hat man gute Chancen, den Tod verhandeln zu können.

Eine gute Geschichte - mein lieber Ekki - die auch wieder sehr viel Spielraum für Lebensweis- und "Dumm"heiten lässt.

Ich hoffe sehr, dass wir noch weit entfernt sind von Verhandlungsgesprächen...

Bleib gesund und munter.
Liebe Grüße
Andrea

Kommentar geändert am 15.04.2021 um 01:14 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Vielen Dank, Ava, deine Beispiele erscheinen mir als überzeugende Antwort. Freilich bleibt eine seltsame Paradoxie, nämlich mit einer Willensanstrengung eine solche Lockerheit im Körper zu erzeugen, dass das Herz aufhört zu schlagen.
Ich werde versuchen, mich in dieser Frage weiter schlau zu machen.
Liebe Grüße
Ekki

 Regina (15.04.21)
Ich glaube, dass die Lebenszeit bei der Geburt festgelegt ist. Aber selbst eine Maus kann vor Schreck sterben. Selbstmord halte ich für feige, sich dem Leben nicht stellen wollen. LG Gina

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Merci, Regina, dein Kommentar bringt mich auf die Frage, ob Onkel Manoah Selbstmord begangen hat. Ich denke nein, wiel er keine Fremdmittel, wie zum Beispiel ein Medikament oder eine Waffe eingesetzt hat, um den Tod herbeizuführen. Wenn der Tod allein mit dem Willen herbeigeführt wird, ist das wohl ethisch unangreifbar.
LG
Ekki

 FrankReich meinte dazu am 19.04.21:
Einspruch Ekki, der Selbstmord ist als solcher zwar nicht nachweisbar, wenn jemand jedoch in der Lage wäre, Kraft seiner Gedanken einem anderen das Leben zu nehmen, vorausgesetzt, das ließe sich nachweisen, wäre das sowohl Mord, als auch moralisch verwerflich, insofern ...

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.04.21:
Wahrscheinlich könnten Suizid-Spezialisten über diese Frage stundenlang diskutieren. Ich sehe ethisch einen fundamentalen Unterschied zwischen willentlich jemanden mit Gedanken ermorden und nicht mehr leben wollen. Für Letzteres kann ich den Begriff Mord, solange keine anderen Menschen und Fremdmittel als Instrumente einbezogen werden, nicht akzeptieren.

 FrankReich meinte dazu am 19.04.21:
Nun, dabei geht es ja um die Gesetzeslage, bzw. die allgemeine Moralvorstellung und der zufolge dürfte ein Selbstmord durch Gedankenkraft ebenso verwerflich sein, wie ein darauf beruhender Mord.

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.04.21:
Lieber Frank, mir vermittelt sich der Eindruck, dass Lenz in der Idylle von Suleyken die allgemeine Gesetzeslage und Moralvorstellung herzlich egal sind. Es äußert keiner von Alecs Gläubigern Bedenken dagegen, dass der Onkel sterben will.

 FrankReich meinte dazu am 20.04.21:
In einer Idylle äußert keiner Bedenken darüber, dass jemand sterben will? Ist das nicht ein Widerspruch in sich, Ekki?

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.04.21:
Sehe ich nicht so. Wer sterben will, fürchtet sich nicht vor dem Tod.

 Dieter Wal (15.04.21)
Von dem Schriftsteller Oskar Ernst Bernhardt  wird berichtet, dass er unter längerer häuslicher Isolationshaft während der Nazidiktatur leidend trotz mangelnder körperlicher Erkrankungen mutmaßlich an Vereinsamung tragischerweise starb. Als Abd-ru-shin (Oskar Ernst Bernhardt, 1875–1941) begründete er eine kleine nachchristliche neo-pseudo-gnostische Religion (Gralsbewegung). Sein Buch "Im Lichte der Wahrheit" ist eher für Religionswissenschaftler, Psychologen und Historiker interessant. Ziemlich seicht.

Kommentar geändert am 15.04.2021 um 11:37 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Das ist interessant, Dieter. Ich kann mir Vereinsamung als Todesursache gut vorstellen. Gracias.

 Dieter Wal meinte dazu am 15.04.21:
Gern. Die innere Bereitschaft zu sterben ist von größter Bedeutung. So warten Sterbende oft auf die Verabschiedung wichtiger Angehöriger, bis sie sterben. Mein Vater berichtete mir mit Kriegsgefangenenlager-Erfahrung in Russland, dass er von Mithäflingen hundertfach beobachtete, sie hätten erst aufgegeben und starben darauf spätestens nach drei Tagen. Mit schwerer Herzlungenembolie wurde mir auf der Intensivstation im Dämmerzustand bewusst, dass ich mich unbewusst in Gedanken mit meinem Ableben beschäftigte. Sterben und Tod als Thema war für mich eher nicht beängstigend. Doch hatte ich damals eine gerade erst sechs Jahre alt gewordene Tochter und eine besonders enge Beziehung zu ihr. Also trat ich mir in Gedanken in den Arsch und schwor mir, niemals aufzugeben und es unter allen Umständen zu überleben. Gewöhnlich bekam man bei dieser Schwere der Erkrankung eine Lungenentzündung und Herzversagen. Ich bin überzeugt davon, dass diese Einstellung unter Anderem der tiefere Grund war, überlebt zu haben neben anderen organischen Ursachen. Hätte ich aufgegeben, wäre ich höchstwahrscheinlich gestorben. Denn ich begann loszulassen und aufzugeben. Loslassenkönnen ist beim Sterben fundamental. Ich habe/hatte noch viel vor im Leben und konnte und wollte nicht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Ja, meine Erfahrungen während meiner mehrfach fortgesetzten Herzoperation sind ähnlich.

 harzgebirgler (15.04.21)
tod durch vorstellungskraft
ist was das voodoo schafft.

lg
hennng

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Merci, Henning, es handelt sich hier auch um einen Tod auf Bestellung, mit dem Unterschied, dass nicht der Sterbende selbst, sondern andere ihn bestellen.

LG
Ekki

 TrekanBelluvitsh (15.04.21)
Vielleicht will Lenz uns sagen, dass einige gerne sterben, wenn es darum geht anderen eine Lehre zu erteilen.
;-)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Hallo Trekan, natürlich hatte Lenz beim Schreiben dieser Kurzgeschichte den Schalk im Nacken und auch ich hoffe mit meiner Frage nicht den Humor zu verlieren. :)

 AchterZwerg (15.04.21)
In desem Fall, lieber Ekki,
bin ich gespannt, was die hauseigene Atzel hierzu sagen wird.
Als unbedarfter8. kann ich mir einen Freitod per Willenskraft gut vorstellen ... einigen Menschen gelingt es ja, für sehr lange Zeit in einem geschlossenen Raum das Atmen einzustellen - warum also nicht für immer.
Ersatzweise können Emotionen wie übergroße Liebe oder Trauer zu einem Tod aus "unerfindlichen" Gründen führen. Oder Enttäuschung.
Bei Onkel Manoah ist vieles denkbar.

Herzliche Grüße
der8.

 LotharAtzert meinte dazu am 15.04.21:
Die „hauseigene Atzel“ läßt ausrichten, man müsse sie schon persönlich aufsuchen bzw. beharrharrlich fragen, bevor sie nach alter Sitte Orakel erteilt. Bin für Neugierbefriedigung nicht zuständig.


 Moja meinte dazu am 15.04.21:
Lieber Ekki,
programmieren lässt sich der Tod sicher nicht, aber beeinflussbar scheint er mir, sage ich aus Erfahrung. Es kommt wohl darauf an, wie man sich mit dem eigenen Tod auseinandergesetzt hat und welche Einstellung man gewonnen hat.
Bei zwei nahen Menschen, die unbedingt trotz schwerer Krankheit leben wollten, trat der Tod wesentlich schneller ein - der eine ließ los, als eine äußere Situation eintrat, bei der er früher schon beschlossen hatte, dass er dann ginge. Das war sein fester Wille.
Der andere vertraute seinem Glauben, erkannte den Moment und wehrte sich nicht, er überließ sich willig dem Tod, so wurde es leicht für ihn. Beide hätten aber noch etwas länger Zeit gehabt.
Ich atme jetzt mal tief durch.
Und grüße Dich herzlich,
Monika

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
@Lilith: Merci, deine Hypothesen erscheinen mir als einleuchtend. Ich habe nicht gewagt, Lothar danach zu fragen, weil ich glaubte, dass er mich nicht liest.
@Lothar: In diesem Falle interessiert mich dein Urteil wirklich und ich bitte dich ehrlich darum.
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
@Lilith: Merci, deine Hypothesen erscheinen mir als einleuchtend. Ich habe nicht gewagt, Lothar danach zu fragen, weil ich glaubte, dass er mich nicht liest.
@Lothar: In diesem Falle interessiert mich dein Urteil wirklich und ich bitte dich ehrlich darum.
Ekki
@Moja: Danke für die schönen Beispiele . Ich denke inzwischen so: Der Tod verhandelt nicht mit dem egoistisch ängstlichen "Jedermann" wie bei Hofmannsthal, aber er lässt mit sich reden, wenn sich ihm einer vertrauensvoll öffnet.
Herzliche Grüße an euch drei

 LotharAtzert meinte dazu am 16.04.21:
Ach Ekki, mich kannst du doch alles fragen. Ich erinnere mich allerdings, einmal gesagt zu haben: „Ekki? Wer ist das?“ – „ich lese ihn nur noch sporadisch“ – das ist nur, um ein bißchen die Leser zu kitzeln, denn auf dem geraden Weg kommt nie was Gescheites raus aus dem Unterbewußtsein, folglich laß ich mir da immer was Merkurisches (M. = ua. Gott der Gaukler und Diebe) einfallen. Nun aber:

Regina hat recht – ab der Geburt steht der Todeszeitpunkt fest. Es ist jedoch auch so, daß man durch falsche, exzessive Lebensweise früher, als vorgesehen, sterben kann. In dem Fall wird die Reise nach dem Tod nicht auf gewohnte Weise fortsetzbar – durch die drei Zwischenzustände bis zu Wiedergeburt - sondern der zu früh Verstorbene gerät in die mißliche Lage des … weiß nicht, die Christen sprechen vom Fegefeuer, so etwas ähnliches wird es wohl sein, jedenfalls muß man alles Verbockte bezahlen, denn wenn sich einer nicht narren läßt, so ist es der Tod.
Im Falle der Verlängerung über den Todeszeitpunkt hinaus scheint das nur so zu sein. In Wahrheit war es noch nicht so weit und der Instinkt (oder das Unbewußtsein, was dasselbe ist) hat es nutzen können, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, wie in Lenzens Geschichte.
Überhaupt gibt es vielerlei Anzeichen, wenn der Todeszeitpunkt näher rückt. Üblicherweise werden die verdrängt. Das hängt dann vom entsprechenden Karma ab. Aber wer dafür empfänglich ist, kann sich logischerweise besser vorbereiten und stirbt nicht dort, wo es ungünstig für ein friedliches Abschiednehmen ist.
Im tibetischen Yogasystem gibt es einige so genannte Todesmeditationen, die natürlich elegantere Namen haben, wie „Bewußtseinsüberführung“ usw. Ziel ist es, im Todesmoment das Bewußtsein nicht zu verlieren, sondern den Körper durch die Medulla Oblongata zu verlassen, bzw. alles, was dem Verstorbenen erscheint, als Projektionen des eigenen Geistes zu erkennen, wodurch es möglich wird, den Bardo der Wiedergeburt zu vermeiden und statt dessen einen lichtvolleren Pfad zu betreten.

Tashi delek

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.04.21:
Vielen Dank für die ausführliche Antwort, Lothar. Du erwartest hoffentlich von mir keine kritische Stellungnahme, denn -ohne jede falsche Bescheidenheit- auf dem Felde deines Wissens bin ich ein ganz winziges Lichtlein, das sich nur gebieten kann, offen zu sein und zu lernen.

 LotharAtzert meinte dazu am 16.04.21:
Ist doch ok. Mir ist ein kleiner Fehler unterlaufen: ich meinte die Fontanelle, also den höchsten Punkt am Scheitel und nicht die Medulla oblongata, die ja Teil des Gehirns ist.
Sin (56)
(15.04.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.04.21:
Vielen Dank für den Hinweis auf Netflix, Sin. Diese Serie mir nicht bekannt Die Sache mit der Zurückweisung kommt mir ein bisschen mystisch vor. Aber laut Hamlet gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich der menschliche Verstand nichts träumen lässt.
LG
Ekki

 LotharAtzert meinte dazu am 16.04.21:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 16.04.2021 um 10:16 Uhr wieder zurückgezogen.
Agnete (66)
(16.04.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.04.21:
Merci, liebe Monika, ich glaube eher, dass der Tod Naturmenschen wie Onkel Manoah erlaubt, den Zeitpunkt ihres Todes zu wählen.
Liebe Grüße
Ekki

 FrankReich meinte dazu am 19.04.21:
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Lenz Geschichte eine Lektion über den Tod darstellt, würde mich aber nicht auf Spekulationen versteifen, sondern versuchen, diese Vermutung anhand des, meines Erachtens nach in Bibelszenen aus dem Alten Testament aufgegliedert, Verlaufes in der Kurzgeschichte zu belegen.
So wie sich mir das Szenario momentan präsentiert, meine ich sogar, Parallelen zu den meisterhaften Erzählungen von Ambrose Bierce entdeckt zu haben, speziell zum "Mocking Bird", denn wo Bierce es versteht, die Symbolik des amerikanischen Bürgerkrieges
zugrunde zu legen, verfährt Lenz hier mit der aus dem alten Testament.

Ciao, Frank

Antwort geändert am 19.04.2021 um 14:42 Uhr

 TassoTuwas (17.04.21)
Hallo Ekki,
eine ganze Industrie ist damit beschäftigt dem Tod ins Handwerk zu fuschen. Das mag auch eine Weile funktionieren, letztendlich ist es aber bisher immer vergeblich gewesen.
Zu sterben um jemanden zu verblüffen oder zu ärgern, halte ich für naiv, es sei denn, man ist davon überzeugt, die Reaktionen darauf von Wolke sieben aus beobachten zu können.
Der Tod ist unbestechlich, auch wenn er oft als ungerecht verstanden wird!
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.04.21:
Merci, Tasso,
du hast selbstverständlich recht. Aber Onkel Manoah ist nicht naiv; denn er war ja gekommen, um zu sterben und kann diese Absicht jetzt noch mit der Pointe verbinden, Alecs Schuldeneintreibern ein Schnippchen zu schlagen.
Herzliche Grüße
Ekki
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