Der Unsympath

Erzählung zum Thema Fremdenfeindlichkeit

von  Saira

„Schön ruhig ist es hier“, dachte ich noch, leider etwas vorschnell, wie ich bald darauf feststellen sollte. Verträumt blickte ich aus dem Fenster und beobachtete die Leute, die draußen vorbei gingen.


Ich hatte mich hier im Café mit meinem Mann verabredet. Es konnte noch etwas dauern, bis er kam, da er durch den dichten Feierabendverkehr fahren musste. Ich trank einen Schluck von dem kräftigen Kaffee, den ich mir vom Tresen geholt hatte.

Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit in die Mitte des Cafés gelenkt, wo ein Mann vor dem Geschirrwagen stand und laut schimpfte:„Was für ein Sauladen, die könnten hier ruhig mal das Ding abräumen!“ Seine Stimme durchdrang die bis dahin friedliche Atmosphäre. Die Gespräche der Leute brachen ab, da der Mann nun im Fokus stand.

Für mein Befinden regte sich der Mann künstlich auf, da mindestens noch fünf gefüllte Tabletts auf dem Wagen Platz gefunden hätten. Gleichzeitig registrierte ich, dass er offensichtlich den Blickkontakt zu mir suchte, so als erwartete er meine Zustimmung, doch ich schaute wieder zum Fenster hinaus.

„Ist hier noch frei?“, hörte ich eine Stimme fragen und für mich stand außer Zweifel, wem sie gehörte. Der Mann stand nun direkt vor dem Tisch, an dem ich saß. „Ich warte auf jemanden!“ antwortete ich ablehnend. „Macht nichts, noch ist der Jemand ja nicht da", bemerkte er frech und setzte sich.

„Na toll“, dachte ich, „da ist das halbe Café leer und dieser Unsympath setzt sich ausgerechnet zu mir!“

Ich wandte meinen Blick demonstrativ nach draußen, um ihm zu signalisieren, dass ich an keinem Gespräch mit ihm interessiert war. In meinen Gedanken schätzte ich den Mann auf Anfang sechzig. Er war groß, breit gebaut und hatte einen stechenden Blick, der mir Unbehagen bereitete.

„Ich arbeite bei der Feuerwehr“, erzählte er ungefragt. Ich blickte ihn leicht erstaunt an und erwiderte höflich: „Das ist bestimmt ein harter Job.“ Ich dachte daran, dass er bei dem Beruf sicherlich viel Schlimmes erlebt und bei manchem Einsatz sein Leben für andere riskiert. Grundsätzlich empfinde ich großen Respekt für Menschen, die diesen Beruf ausüben. „Vielleicht ist er doch ein netter Typ, der einfach nur einen schlechten Tag hat“, überlegte ich versöhnlich und widmete ihm meine Aufmerksamkeit.

„Ja, harter Job, besonders seit wir diese vielen Migranten hier in Deutschland haben.“

„Wieso das denn?“, fragte ich ihn verblüfft. Ein unerklärliches Unbehagen machte sich in mir breit.

„Vor ein paar Tagen war da wieder so ein Messerstecher unterwegs, so'n dunkler Typ, Araber oder Türke. Er und ein Deutscher waren schwer verletzt.“

„Ach und Sie haben gesehen, wer zuerst zugestochen hatte?“

„Hey, das machen die Kanaken so! Die sind immer mit Messern unterwegs und stechen zu, wenn ihnen jemand nicht gefällt. Verstehst du?“

„Ich verbiete Ihnen, mich zu duzen!“ Mittlerweile standen mir die Haare zu Berge. „Das ist ein Vorurteil und durch Vorurteile entsteht Fremdenhass. Ich habe null Verständnis für Rassismus. Verstehen SIE mich?“, entgegnete ich aufgebracht und spürte, wie mir übel wurde.

Der Blick des Mannes wurde noch stechender. „Ja, ja rede nur“, meinte er abfällig. Als er weitersprach, nahm seine Stimme einen verschwörerischen Ton an: „Seit wir diese Vergewaltiger und Kinderschänder hier haben, müssen wir um unsere Frauen und Kinder Angst haben. Die verhüllten Frauen haben in ihren Ländern ohnehin nichts zu sagen. Ihre Männer nehmen sich, was sie brauchen. Mit unseren Frauen machen sie nun das gleiche.“

„Was ist denn das für eine riesengroße braune Scheiße, die Sie da von sich geben!“  Ich registrierte, dass alle Augen im Café auf uns gerichtet waren.

Der Unsympath beugte sich über den Tisch und schimpfte wüst weiter, während seine Aussprache immer feuchter wurde: „Die nehmen uns die Jobs weg und sind arbeitsfaul. Sie stöhnen, weil sie angeblich nichts haben, aber alle laufen mit 'nem Handy rum. Das alles haben wir der ollen Merkel zu verdanken!“

„Was denn, nehmen sie uns nun die Jobs weg oder sind sie arbeitsfaul? Merken Sie denn gar nicht, was für einen gefährlichen Mist Sie da reden?“, fragte ich ihn entsetzt.

Es reichte!

Ich erhob mich abrupt von meinem Platz, blickte ihm direkt in die Augen und holte tief Luft. Ich legte meine ganze Verachtung für ihn in meine folgenden Worte: „Wir Deutsche sind an der Flucht der Migranten mit schuldig und wenn unter den Hunderttausenden, die zu uns kommen, auch Verbrecher sind, dann ist das normal. Kriminelle sind überall auf der Welt. Es ist ja so einfach, den Migranten für alle Missstände bei uns die Schuld zu geben, nicht wahr? Müssen Sie jetzt auf ein zweites Frühstücksei verzichten?“

Er schnaufte vor Wut, wollte mich unterbrechen, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Es sprudelte nur so aus mir heraus: "Haben Sie mal daran gedacht, dass einige Feuerwehreinsätze notwendig sind, weil rechtsextreme Deutsche Migrantenunterkünfte anzünden und dadurch bewusst den Tod vieler Menschen in Kauf nehmen, nur weil sie in ihrem Fremdenhass verblendet sind?"

Ich spürte eine innere Erschöpfung und meine Stimme wurde leiser, als ich weitersprach: „Und wissen Sie, was ich mich außerdem gerade ernsthaft frage? Ich frage mich, ob Sie während eines Feuerwehreinsatzes nur Deutsche retten."

Der Unsympath schaute mich hasserfüllt an und meinte: „Ja, ja, rede nur.“

Ich verließ das Cafè und sah erfreut und erleichtert, wie mein Mann auf mich zukam.


©by Sigrun Al-Badri/ 2019 




Anmerkung von Saira:

nach einer wahren Begebenheit

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (25.01.22, 14:56)
Stand das hier nicht schon einmal online?

 Saira meinte dazu am 26.01.22 um 10:36:
Kann es sein, dass dir schon wieder das Fell juckt, Dieter?
 
Du hast mir in letzter Zeit mehrere „Autorenprofile“ geschrieben, die selbst dir im Nachhinein peinlich gewesen sein müssen, da du sie kurze Zeit später wieder gelöscht hast. Einmal hast du mir unterstellt, ich hätte für mein Avatar ein Foto von Anjelica Huston genommen (diese Dame hat mir leider noch nicht die Ehre erwiesen, mich auf meiner Hochterrasse, auf welcher die Aufnahme entstanden ist, zu besuchen).
 
Nur zur Info: Gerne stelle ich hin und wieder ausgewählte Texte von mir neu ein, die ich in der Vergangenheit, vor meiner KV-Auszeit, bereits vorgestellt hatte. Ich kennzeichne sie mit dem Datum der Erstveröffentlichung.
 
Schade, dass dir sonst nichts zum Text einfällt, obwohl ... vielleicht ist es auch besser so.
 
 
Gruß
Sigrun

Antwort geändert am 26.01.2022 um 10:42 Uhr

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 27.01.22 um 09:51:
Mir kam der Text irgendwie bekannt vor - daher frug ich. Wieso muss man wegen einer so normalen Nachfrage gleich so hässlich werden ("juckt dich das Fell" / "mir unterstellt, dass.." /"dass Dir sonst nichts einfällt"? Sorry, aber das ist alles andere als angemessen zu solch eine kurzen Frage, die nicht mehr und nicht weniger erkunden wollte als: Stand der Text hier nicht schon einmal online?

 AchterZwerg (25.01.22, 17:01)
Nirgends ist man vor solchen Menschen sicher.
Nicht auf der Straße, nicht im Café und nicht in den Vereinen.

Diskussionen führen aus meiner Sicht zu nichts. Ähnlich den Lichterketten. :( 

Trotzdem ehrt dich natürlich dein Versuch.

Leicht resignierte Grüße
der8.

 Saira schrieb daraufhin am 26.01.22 um 10:41:
Du hast recht, liebe Heidrun, es ist vergebliche Liebesmüh, Menschen, die in ihrer Verbohrtheit gefangen zu sein scheinen, zum Nachdenken zu bewegen.
 
Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg (25.01.22, 18:04)
Hallo Sigi,
solche Situationen werden beobachtet. Da ist es wichtig, dass man wie du nicht klein beigibt.
Liebe Grüße
Ekki

 Saira äußerte darauf am 26.01.22 um 10:42:
Hallo Ekki,
 
hier hatte sich der Unsympath auf jeden Fall die falsche Ansprechpartnerin ausgesucht ;)
 
Danke und liebe Grüße
Sigi
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