gerade eben 10:35 Uhr

Tagebuch zum Thema Alltag

von  tulpenrot

Die Griffe der Papierabfalltonnen sind noch warm von den Müllwerkern. Schon kommen die tüchtigen Hausfrauen aus ihren Häusern, junge, alte, und prüfen, ob sie auch richtig geleert sind, suchen die ihrige heraus und ziehen sie dann in die Garage oder vors Haus an den richtigen Platz. Alles hat seine Ordnung. Außen wie innen?

Es scheint, als ob sie hinter den Gardinen gewartet und sonst nichts zu tun haben. Schwäbische Gründlichkeit. Ich stehe am Fenster. "Unsere" Papiertonne bleibt vermutlich bis zum Sanktnimmerleinstag auf der Straße stehen, weil sich niemand verantwortlich fühlt. Ich auch nicht. Wir stammen nicht von hier. Fünf Tage haben wir auf die Müllabfuhr gewartet. Sogar ein Wochenende war dazwischen.

Ein kühler Wind streicht durchs gekippte Fenster. Ich werde sarkastisch: Jetzt kann die Tonne auch noch weitere 5 Tage dort stehen - wen stört es? Meine Tonne ist an ihrer angestammten Stelle zwischen Gartenhecke und Parkplatz geblieben. Ich hatte sie nicht zur Müllabfuhr bereit gestellt, es lohnte sich nicht. Zu wenig Papier.
Wir wohnen in einem Mietshaus mit 5 Parteien und 2 Papiertonnen.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (22.06.22, 11:02)
Ambivalent, da die/der Erzähler(in) ja auch nicht anders ist, als die von ihr kritisierten Personen. Mehr vom Milieu zu schildern würde dem Text gut tun, die Hauptfigur müsste aber auch mal raus aus ihrer Bude, finde ich. ABER ist ja leider Tagebuch, das gilt ja als heilige Kuh, ich weiß...

 tulpenrot meinte dazu am 22.06.22 um 11:23:
Nix heilige Kuh - war nur ein Schnipsel, eine Spontanidee, und bevor sie verloren geht, hab ich nicht viel gedacht, nur gemacht....
...ist möglicherweise ausbaufähig.
Stehe noch unter dem Eindruck meiner Lektüre "Nachtbeeren" von Elina Penner.
Und werde jetzt wieder weitermachen: mehr als 150 Jahre alte Protokolle von Sitzungen der methodistischen Kirche lesen - Sütterlin Handschrift!! Zum Teil eine echte Herausfordung.

 EkkehartMittelberg (22.06.22, 18:12)
Hallo Tulpi,

die Zuwendung zum anderen kann bei der Mülltonne beginnen oder wie immer aus Gleichgültigkeit unterbleiben.

LG
Ekki

 tulpenrot antwortete darauf am 22.06.22 um 19:44:
Es war zu komisch heute morgen, wie sie alle wie die Ameisen aus ihrem Bau krochen. Ich hab ja Fenster in alle 4 Himmelsrichtungen und machte mir den Spaß, meine Nachbarinnen zu beobachten. Wie auf Kommando kamen sie alle gleichzeitig heraus, die leeren Tonnen bollerten über die Straße, den Gehweg in schöner Eintracht hinter ihren "Herrinnen" hinterher. Ich war fein raus. "Meine" Tonne war ja schön "zuhause" geblieben. Aber die zweite Papiertonne - naja, sie wurde immerhin vorhin um 19 nochwas Uhr reingeholt. Ich bin jetzt auch schon schwäbisch ... aber ohne Gardine - ich beobachte gut sichtbar * hihi*! Und registriere ALLES
Danke für * und Kommentar.

P.S. Hab aber nicht die Abscht gehabt, einen literarisch anspruchsvollen Text zu schreiben. Das mach ein anderes Mal

 AZU20 (22.06.22, 19:54)
Ja, die Tonnen. Überlegen muss man schon. LG

 tulpenrot schrieb daraufhin am 22.06.22 um 20:44:
Man kommt nicht drumrum, ums Überlegen - und Überleben im Schwabenland.
LG und Dank an dich

 Regina (23.06.22, 05:14)
Eifrig, asketisch und ordentlich gibt sich die typische schwäbische Hausfrau, in der Schweiz schrubben sie sogar den Gehweg mit Schmierseife, aber weniger sauertöpfisch. Lob der schwäbischen Disziplin: der reparaturfreie Mercedes kommt aus Stuttgart. Hier im Fränkischen stellt jede/r seine Tonne rein, wann er/sie Lust hat und keinen interessiert das. In Tschechien sind sie noch schlampiger, aber auch freundlicher. Es ist schon interessant, wie ein paar Kilometer weiter eine ganz andere gesellschaftliche Atmosphäre herrscht. Da liegt immer ein Körnchen Wahrheit in Stereotypen und Vorurteilen.

 tulpenrot äußerte darauf am 23.06.22 um 22:03:
Es gibt beides - jedenfalls in meinem Umfeld: Die wurschtige Interesselosigkeit und die übereifrige Geschäftigkeit. Aber man ist nie sicher, wann man es mit der jeweiligen individuellen Verfassung zu tun hat. Mal ist es so, mal andersrum.
Ich hab es aufgegeben, das zu analysieren. Ich wundere mich nur - und ärgere mich auch. Ich hab ja sonst "nüscht nix" "zum Tun" - ach ja Nachbarinnen beobachten, z.B. auch wie sie den Wäscheständer jeden Tag auf dem Balkon traktieren - ach nee, manchmal sind es 2 Ständer... Wenn ich mehr Ruhe dazu hätte, es lohnte sich sicher Milieustudien zu betreiben.
Vielen Dank für deine Gedanken und das *chen
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