Suche nach einem Buch, das zweimal lesen lohnt.

Kurzgeschichte zum Thema Erinnerung

von  TassoTuwas


Ich suche ein Buch.

Da stehe ich vor meiner Bücherwand und mein Blick wandert unschlüssig über die Buchrücken. Über die Jahrzehnte, da habe ich schon einiges zusammen getragen, an richtigen Büchern. Richtige Bücher, das ist Hardcover, sind gebundene Ausgaben mit breitem Rücken und zumeist goldener Beschriftung. Die ältesten Exemplare, jedes einzelne ganz bewusst ausgesucht, vom knappen Taschengeld bezahlt und wie einen kleinen Schatz nach Hause getragen. 

Die meisten sind es wert ein zweites Mal gelesen zu werden.

Unentschlossen überfliege ich Titel für Titel, dann stockt meine suchende Wanderung unvermittelt, der Name des Autors löst erste Erinnerungen aus, hält mich fest, und langsam kommt eins zum anderen.

Er war ein Rebell, der durch exzentrische Kleidung auffiel, hervorragend Zeugnisse ebneten ihm mit sechzehn den Weg zum Studium an der Harvard Universität, war ein passionierter Boxer und Raufbold, der keinem Handgemenge aus dem Weg ging und wen wundert's, ein Frauenheld. Das beweisen neun Kinder, aus sechs Ehen, und er brachte es fertig in einem Jahr mit drei Frauen verheiratet gewesen zu sein, alles legal. 

Angefangen als Journalist, ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis war er in den unterschiedlichsten Genres erfolgreich. Im Alter von 25 Jahren verarbeitete er eigene Erlebnisse in einem Roman, erstürmte mit seinem Erstlingswerk die Bestsellerlisten im Handstreich. Ein paar Jahre später sorgte der verfilmte Roman für Schlangen an den Kinokassen der Welt.

Der Ruhm änderte nichts an seinem unsteten Lebenswandel. So setzte er sich vehement für die Freilassung eines Kriminellen ein, der, nachdem er aus der Haft entlassen war, nach wenigen Wochen aus nichtigem Grund eine jungen Mann erstach. Er selbst wurde zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er seine Frau im Vollrausch mit dem Messer verletzt hatte. Die geringe Strafe verdankte er seiner Frau, die auf eine Anzeige verzichtete.   

All das tat seinem Ruhm keinen Abbruch, schließlich zeichnete er in all seinen Werken ein sozialkritisches Bild seiner Zeit. Er wurde Präsident des P.E.N.-Clubs seines Landes, und u.a kurz vor seinem Tode Mitglied der französischen Ehrenlegion, und das, obwohl sein Spätwerk recht fragwürdige Themen behandelte, die manchen zum Kopfschütteln veranlassten!   

Ach ja, der Titel, fünf Worte, eine Metapher, ein Seitenhieb, oft in kleiner Runde mit breitem Grinsen ins Gespräch geworfen.

Ich hab mein Buch gefunden.


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Kommentare zu diesem Text


 Didi.Costaire (16.09.22, 10:55)
Hallo Tasso,

ich habe die Geschichte mal von hinten aufgerollt und nach Buchtiteln mit fünf Buchstaben gesucht. Bei der Fußballliteratur gibt es mit Werken wie "Spiele, die ich nie vergesse" von Fritz Walter, "Aus der Tiefe des Raumes" von Günter Netzer und "Helmut, laß die Löwen raus!" von Jochen Döring einiges. Daneben habe ich noch die Klassiker "Der Richter und sein Henker" von Dürrenmatt und "Reperaturen in Haus und Garten" von einem geheimnisvoll-unbekannten Literaten entdeckt, und in größerer Stückzahl "Der Lümmel mit der Tüte" von mir selbst. Aber mein Leben ist nicht so illuster wie das beschriebenen und dauert ja noch an. Ich bin also fast völlig ratlos und gespannt...

Herzliche Grüße,
Dirk

Kommentar geändert am 16.09.2022 um 10:56 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 16.09.22 um 11:15:
Ich tippe auf Norman Mailer, "Die Nackten und die Toten".
😎

Ciao, Frank

 TassoTuwas antwortete darauf am 16.09.22 um 13:17:
Hallo Dirk,

du hast eine amüsante Auswahl von "Fünf-Wort-Titeln" gefunden.
Dafür erhältst du einen Sonderpunkt für beispielhaften Fleiß   :) !
Die Auflösung erfolgt später.

Herzliche Grüße
TT

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 16.09.22 um 13:19:
Moin Frank,
hmm, ich warte noch.

Vielleicht gibt es noch andere Vorschläge!

Ciao Bello

 harzgebirgler (16.09.22, 11:51)
war ratlos auch erst, hab' dann recherchiert...
und frank hat das ergebnis präsentiert! --
ein schöner beitrag über einen mann
des hauptwerk man auch heut noch lesen kann! :)

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas äußerte darauf am 16.09.22 um 13:22:
Mit richtigeR Rechersche
versetzt man Bersche 
:) !
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg (16.09.22, 12:05)
Hallo Tasso,

ich habe Norman Mailer mit 17 Jahren verschlungen. Er schrieb den damals besten Kriegsroman: "Die Nackten und die Toten"

Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas ergänzte dazu am 16.09.22 um 15:07:
Hallo Ekki,

ja, das ist ein echter Männerroman und mal ehrlich, mit siebzehn waren wir doch alle richtige Kerle  :) !

Herzliche Grüße
TT

 Dieter_Rotmund (16.09.22, 13:00)
Quiz-Auflösung ist nicht John Steinbeck?   :sideways:

 TassoTuwas meinte dazu am 16.09.22 um 13:27:
Steinbeck spielte ein Rolle.
Nachdem unser Unbekannter "Früchte der Zorns" gelesen hatte, war sein Interesse an Literatur geweckt.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.09.22 um 15:29:
Also ist Steinbeck der Autor in deinem Quiz?

 TassoTuwas meinte dazu am 17.09.22 um 09:50:
Leider nicht!

 FrankReich meinte dazu am 17.09.22 um 10:20:
Natürlich nicht! 😂😂

Ciao, Frank

 AZU20 (16.09.22, 16:11)
Ich warte neugierig ab. LG

 TassoTuwas meinte dazu am 17.09.22 um 09:51:
Du bist halt ein (alter) Taktiker!

LG TT

 Jedermann (16.09.22, 22:15)
Die Auflösung, welches Buch von welchem Autor für würdig befunden wurde ein zweites Mal gelesen zu werden, war nicht so schwer, denn der Text bot reichlich Details.

Wieviel Romane schafft man in der Lebenszeit? Ich glaube, Arno Schmidt hat so die Zahl 3000 in die Betrachtung geworfen. Ist es da nicht verwerflich Bücher zweimal zu lesen? Ich habe in der Zeit des Erwachsenwerdens Die Brüder Karamasow mehrfach gelesen. Hat, denke ich, nicht geschadet! Jedoch jetzt, im Alter, leiste ich mir den Luxus nicht. Die Zeit wird knapp!

Ich stehe vor der Bücherwand und betrachte einen Buchrücken, nehme das Buch heraus und weiß, es war wichtig, jedoch zum Inhalt fällt mir wenig ein. Thema einer kleinen Abhandlung von P. Süskind: Amnesie in litteris.
Da stehe ich vor meiner Bücherwand, in früherer Zeit mein Heiligtum, und nun verstaubt. Meine neue Bibliothek hat die Größe einer Zigarettenschachtel und führt mehr als 2000 Werke von Edwin A. Abbott bis Stefan Zweig. Für mindestens weitere 20000 ist noch Platz. Jedermann liest Ebooks.

Kommentar geändert am 16.09.2022 um 22:16 Uhr

 TassoTuwas meinte dazu am 17.09.22 um 10:18:
Ein Buch nach Jahren noch einmal zu lesen beweißt  hauptsächlich die eigene Vergesslichkeit, Titel und Autor ja, Inhalt  im Nebel. Beim erneuten Lesen stellt man dann fest, ob sich die eigenen Ansprüche geändert haben.
Bisherige Erkenntnis, Gutes hat kein Verfallsdatum.
Ebooks sind nicht mein Ding, gemäß dem Spruch, was du schwarz auf weiß besitzt kannst du getrost nach hause tragen  :) !
Taina (39)
(17.09.22, 10:25)
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 TassoTuwas meinte dazu am 18.09.22 um 00:32:
Hallo Taina,

herzlich willkommen in der Kommentar Männerrunde!
Ist verständlich, denn siebenhundert Seiten Krieg mit allen schrecklichen Details ist nicht der bevorzugte Lesestoff von Frauen.
Das wilde Leben des Autors ist aber für alle interessant.

Vielen Dank für Empfehlung und Lieblingstext 
LG TT

 Teichhüpfer (18.09.22, 00:11)
Doch Tasso, der ist gut. Mir kam so ein science fiktion, der jungen Männern die Augen öffnet. Stanislaw Lem, der futurologische Kongress, viel Spaß beim lesen.

 TassoTuwas meinte dazu am 18.09.22 um 00:33:
Teichi, ich werd's mir merken.

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.09.22 um 08:00:
Yo Tasso, ich habe es selbst gelesen, wie ich noch jung gewesen bin.

Antwort geändert am 18.09.2022 um 08:01 Uhr

 Saira (18.09.22, 17:33)
Lieber Tasso,

deine Kurzgeschichte gefällt mir. Ich habe mit gerätselt, kam aber erst durch Ekkis Kommentar auf die Lösung.

Liebe Grüße
Sigrun

 AvaLiam (20.09.22, 17:19)
Mein lieber Tasso,

wenn es um Le(se vs. bens)zeit geht, hab ich wohl schon sehr früh verloren. Ja, ich habe noch nicht einmal die Zeit, meine Bücher ins Regal zu stellen. Noch nicht einmal soviel, das Regal zu bauen, aus den Brettern, die mir das Leben als Zäune hinterherschmeißt.
Ich weiß nicht, ob ich so alt werden wollen würde, alle in meinem Besitz befindlichen Bücher lesen zu können. Und dann noch ein zweites Mal? Herje. Selbst die Ewigkeit erschiene mir dabei zu kurz.
Doch ein Buch habe ich mir gegönnt, 5 Mal zu lesen, mit 10 das erste Mal - mein erstes ("Erwachsenen")Buch, mit 12 ein weiteres Mal, folgend mit 14, 17 und 18.
Das Interessante ist, mir kam es stets wie eine neue Geschichte vor. Die Blickwinkel waren jedes Mal völlig verschieden. Und so abgegriffen manche Sätze mir auch vorkamen, so hatten sie immer wieder Farbe - veränderlich - aber bunt.
Ich schäme mich beinahe einzuräumen, den Titel vergessen zu haben. Doch ich weiß genau wo es ist und ich glaube, es wird mal dringend Zeit, es zu lesen. 

Du hast mich daran erinnert, ja - vielleicht ist es ein Zeichen, ein ganz wichtiges, großes! Die Erinnerung an dieses Buch und den Menschen, der es mir gab. das Gefühl, was es mir bedeutet - unbezahlbar. Ich danke dir.

Dein Rätsel hab ich nicht lösen können - doch folge ich zu einem ruhigeren Zeitpunkt - wann immer das für mich vorgesehen ist - lesend deiner Empfehlung.

Liebe Grüße
Ava

 TassoTuwas meinte dazu am 21.09.22 um 10:12:
Liebe Ava,

mein Freund das Buch, ich hab es in "Du bist das Liebste mir, hab Dank" hier schon vor einiger Zeit bedichtet, und nun durchforste ich meine Sammelsurium, das ich Ende der Fünfziger begonnen habe. Ich will keines ungelesen zurück lassen. Im Alter entwickelt man schon merkwürdige Leidenschaften!
Das dir "Die Nackten und die Toten" nie in die Finger geraten ist, ist verständlich, denn es ist 1947 geschrieben worden, ist ein Buch das den Krieg thematisiert.
Und heute wo alles "gleich" gemacht wird, beweist dieser Roman, dass es doch Bücher für Frauen und Bücher für Männer gibt. Wenn es seitenlange Passagen gibt, die Verwundung, Tod, Einsamkeit, Verzweiflung und Angst beschreiben, ist die Zuordnung wohl eindeutig.
Liebe Ava, ich lese aus deinen Zeilen viel Kampfesmut, das ist gut, aber auch leise Zweifel. Hab Geduld, du wirst noch viele Bücher lesen, die Zeit und Wille sind auf deiner Seite und natürlich meine guten Wünsche.
Herzlichen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße
TT
Agnete (66)
(02.10.22, 11:12)
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 TassoTuwas meinte dazu am 06.10.22 um 00:41:
Stimmt liebe Agnete, aber es kann auch Überraschungen geben!
LG TT

 GastIltis (05.10.22, 22:09)
Hallo Tasso,
ein sehr interessanter Beitrag mit noch interessanteren Kommentaren. Warum? Weil du die Leser heraus gefordert hast. Mich natürlich auch. Und ich habe die Herausforderung nicht bestanden. Selbstverständlich habe ich das Buch. Auch gekauft, weil es zu einer gewissen Zeit in aller Munde war. Und zwar in Bitterfeld. Es ist das einzige Buch, das ich ausgerechnet in Bitterfeld gekauft hatte. Wie sagte schon Tucholsky: „Sehn wir uns nicht auf dieser Welt, so sehn wir uns in Bitterfeld!“ Und ich habe es gelesen! Einmal. Ich neige dazu, gewisse Bücher von Zeit zu Zeit nochmals zu lesen: So Schi Nai-an „Die Räuber vom Liangschan“ in zwei Bänden mit je knapp 700 Seiten, dann auch Kin Pin Meh „Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen“, dann Gogols „Die toten Seelen“, Dostojewskis „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ und mehrere Bücher von Turgenjew, Tschechow, Leskow und Puschkin (Dubrowski).
Norman Mailers Buch werde ich nicht wieder lesen, dann eher Remarque. Oder Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Ähnlich sieht es mit Pasternak aus. Den habe ich extra von meiner Mutter aus dem Westen rüber schmuggeln lassen und war dann doch recht enttäuscht. Naja, ist Ansichtssache. Bücher haben eben ihre eigene Geschichte. Entweder man mag sie oder man mag sie nicht. Aber man könnte Stunden darüber schreiben. Heute jedoch nicht mehr. Und was morgen geschieht, wissen die Götter.
Viele herzliche Grüße von Gil.

 TassoTuwas meinte dazu am 06.10.22 um 10:08:
Moin Gasti,
früher oder später zeigt sich bei jedem ein Tick. Bei mir ist es die Vorstellung, ich müsste jedes Buch in meinem Bücherschrank auch gelesen haben, bevor ich das Zeitliche segne. 
Da einige Romane schon so alt sind, dass ich mich kaum noch, oder nur bruckstückhaft, an den Inhalt erinnere, ist am Ende die Erkenntnis, es war das Lesen richtig oder falsch, völlig offen.
Nun ändert sich der Inhalt eines Buches über die Jahre nicht, wohl aber das Alter des Lesenden, d.h. es lässt die Veränderung der eigenen Sichtweise erkennen. Wohlwollende Menschen nennen das die persönliche Weiterentwicklung.
Was mir beim Lesen von "Die Nackten und die Toten" auffiel, war die Verachtung breiter Schichten der amerikanischen Gesellschaft gegenüber den Juden, die immer wieder zum Ausdruck kommt. Und das obwohl Mailer selbst Jude  war, oder vielleicht gerade deshalb.
Und jetzt suche ich wieder ein Buch.
Herzliche Grüße
TT

 TrekanBelluvitsh (06.10.22, 01:09)
Um ehrlich zu sein, finde ich solche Menschen als Autoren extrem langweilig. Denn sie schreiben lediglich ihr Leben ab. Ja, sie mögen genug rhetorisches Talent besitzen, damit Schenk, Heidenreich & Co. mit der Zunge schnalzen. Aber ganz ehrlich: Wenn ich was Rhetorik lernen will, besuche ich als Gasthörer die Uni.

 TassoTuwas meinte dazu am 06.10.22 um 11:15:
Rhetorik wird überschätzt.
Wie viele überzeugende und kluge Sätze sind schon zum Thema Frieden gesagt worden.
Und wo stehen wir heute?
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