Liebesschmus

Text

von  Mondscheinsonate

Apropos Bambis... Mandy liegt nun am Zentralfriedhof neben der Christiane Hörbiger, der Christa Ludwig, Manfred Deix, Arik Brauer, meinem Freund Gunther Damisch und "der" Jesserer, was bedeutet, er bekam ein Ehrengrab, kein Grab ehrenhalber wie der Udo Jürgens oder Falco und den Größen des Schauspiels und der Gesangskunst, nein, es ist ein Ehrengrab und es ist das einzige Grab in der Reihe, das voll mit frischen Blumen und Bildern ist, anzunehmen ist, dass sich der Fan-Club um "Die Melancholie im September" kümmert, fanatisch und konsequent. Nur der genannte Falco wird noch so vergöttert, nicht einmal der Jürgens, dessen pompöser Flügel aus Stein sich regelrecht aufdrängt, hat so viel Klim Bim um sich, war er doch, das behaupte ich ungeniert, der größere Künstler als Mandy von den Bambis, jedoch Liebe ist nie rational.

So hörte ich in die Bambis hinein und hörte das Erfolgskonzept Mandys sofort heraus: Schmus, mehr Schmus und Kummer, wie schön. Der Elvis des deutschsprachigen Raums, Love me tender, love me sweet (obwohl, wollen wir nur theoretisch vergleichen, Elvis ist MEIN Gott, ich kann es ja verstehen!), der des Volksfestes. 

So beschäftigte ich mich die letzten kranken Tage intensiv mit den Texten von Taylor Swift, da nun auch meine Nichte ein Swiftie geworden ist, was mir fast schon weh tut, aber soll so sein, Liebeskummer und Liebe, das war es, Sound spielt keine Rolle. 

In Tik Tok rollt gerade eine Kafka-Welle durch, warum? Hauptsächlich Mädchen und Frauen favorisieren nicht die Strafkolonie, nicht das Schloss, auch nicht die unsägliche Verwandlung (man möge mich steinigen! Ich stehe dazu!), sondern Kafkas Briefe an Felice oder Milena. Viel zitiert der Satz aus Briefe an Milena: "Auch ist es vielleicht nicht eigentlich Liebe, wenn ich sage, dass Du mir das Liebste bist; Liebe ist, dass Du mir das Messer bist, mit dem ich in mir wühle." - Eigentlich kompletter Schwachsinn, den Mädchen gefällt das, sie haben das "Ich liebe dich, geh jetzt ins Fitnessstudio, bis später" satt, dies mit 300 Rechtschreibfehlern. Sie dürsten nach Dramatik, ganzen Sätzen ohne Standard-Satz- Gefühl. 

Auch mir gefielen die Briefe mit 17 oder 18, mit ihnen fing ich an, Kafka zu lesen. Kafka ist wohl der einzige, dem das ständige kopieren des Stils in Foren erspart blieb, Kafka ist unerreicht, wenngleich ich Musil oder Joyce für die größeren Schreiber halte, auch Proust, der einen ganzen Kosmos an Gefühlen eröffnet, dies nur eine ganz persönliche Meinung. 

Zurück zu ganzen Sätzen, so denke ich, dass ein unerwarteter Poesiealbum-Lyrik-Boom erwartet werden darf. 

Vielleicht dank den Swiefties und TikTokern, die Jungs sind gefordert, Liebe in Worten ausdrücken, ohne das ausgelutschte "Ich liebe dich" zu verwenden, regelrecht wird es herausgenötigt. 

Die alten Mädchen legen Blumen auf Gräbern ihrer Jugendidole nieder, der Liebeskummer und die Schmachterei will weitergelebt werden.

Gut so, nötigt nur! Sprache kann so viel, einfach alles.







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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (11.08.24, 23:13)
Bis eben waren mir die Bambis noch überhaupt kein Begriff. Auf kV bleibt einem aber auch wirklich nichts erspart. 👋😂

 Mondscheinsonate meinte dazu am 11.08.24 um 23:14:
Nicht? Melancholie im September? Du Glücklicher!

 FrankReich antwortete darauf am 11.08.24 um 23:19:
Ich habe unter Deinem Text "Trotz" kurz hineingehört, es aber nach einigen Sekunden abgebrochen.

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 11.08.24 um 23:28:
Es ging 50 Jahre so weiter.

 FrankReich äußerte darauf am 12.08.24 um 00:10:
Zu meiner Rechtfertigung: Alles, was ich über deutschsprachige Schlager weiß, wurde mir in den 60er Jahren von meinem Erzeuger und seiner zweiten Frau aufgezwungen, mit Bayern oder Österreich hatten die allerdings nichts am Hut. 👋🙂

Antwort geändert am 12.08.2024 um 06:12 Uhr

 lugarex (12.08.24, 07:37)
ich bin ungewolt Swiftie geworden! S. nächtsen Beitrag...

 Beislschmidt (12.08.24, 09:17)
Schönen Dank für die Führung über den Zentralfriedhof. Wer kennt noch Arik Brauer, den phantastischen Realisten? Wer kennt noch sein musikalisches Erbe, das Deix verkörpert hat.
Ob ich's aus dem Kopf den Refrain noch hinbekomme?
Drauf sogt er ... hinter meiner, Vorder meiner gilt nix, ober meiner unter meiner siehsch i nix ....., gespür nix, heer nix, riech nix, denk i nix und red i nix  und tua nix ........ un da Wind der waht durch die Gassn und der Wind der waht am Land, Journalisten wann der Wind der waht, do steckt er sei Köpferl in Sand.....

 Beislschmidt ergänzte dazu am 12.08.24 um 09:19:

Antwort geändert am 12.08.2024 um 09:20 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 12.08.24 um 10:17:
Ein Mika liegt auch dort, keine Ahnung, wer das war. Arik war Tage vor seinem Tod bei uns :(

Antwort geändert am 12.08.2024 um 10:22 Uhr

 Aron Manfeld (12.08.24, 16:36)
Ich habe echt gedacht, mein liebes Tschapperl, der Udo würde nie von dieser Erde gehen ...

 Mondscheinsonate meinte dazu am 12.08.24 um 16:44:
Ich auch.

 Aron Manfeld meinte dazu am 12.08.24 um 16:58:
Das war so ein Cut, als wäre der eigene Vater gestorben ...

 Mondscheinsonate meinte dazu am 12.08.24 um 17:02:
Komplett nicht übertrieben. ;)

 Aron Manfeld meinte dazu am 12.08.24 um 17:04:
Mein Vater war auch so ... Kein Goethe, aber immer für einen Heine gut ...

 EkkehartMittelberg (12.08.24, 20:26)
Cori, weißt du, ob eine lesenswerte Geschichte des Kitsch auf Friedhöfen geschrieben wurde? Kitsch auf Friedhöfen rührt mich besonders an.

LG
Ekki

 Mondscheinsonate meinte dazu am 12.08.24 um 22:05:
Nicht, dass ich wüsste, das wäre wirklich nett.
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