Die versteckte Welt (2.Teil)

Märchen zum Thema Achtung/Missachtung

von  tastifix

Erzürnt will Gunnar seiner Empörung Luft machen. Aber die Zauberwesen lassen ihm keinerlei Gelegenheit dazu, setzen stattdessen noch eins obendrauf: "Morgen kommen wir wieder. Bis dahin müsst ihr euch entscheiden!" Während sie noch reden, senken sich lichte Nebelschwaden auf sie nieder und umhüllen die zarten Körper, die sich zu verflüchtigen scheinen und sich dann gänzlich im Nebel verlieren. Sie sind verschwunden und nichts erinnert mehr an die Besucher aus jenem sagenhaften Reich neben unserer Welt.

Verwirrt blickt Gunnar in die neuerliche Finsternis. Dann aber richtet er sein Auge fest auf den Stein, der soeben noch die Bühne für ein kleines Wunder gewesen ist. Die Verstand des Mannes wehrt sich, möchte es als Einbildung abtun. Doch Gunnars Herz fühlt die Wahrheit läst das nicht zu, zwingt ihn, endlich als wirklich zu akzeptieren, was das Menschengeschlecht nur allzu gerne der Traumwelt zuspricht. Veranlasst der Wunsch dazu, als Herr aller Dinge zu gelten, unbesiegbar und fast allmächtig zu sein? Oder sind es die verborgenen Ängste im Menschen, anerkennen zu müssen, dass eben nicht er der alleinige Beherrscher des Lebenskarrusells ist, sondern es Wesen geben könnte, die eventuell auf andere Art noch weiser und mächtiger sind als wir Erdenbürger?

Gunnar kann sich innerlich einfach nicht von dem Erlebten lösen. Wie in Trance macht er sich auf den Heimweg, tief in seine eigene Gedankenwelt verstrickt, ist nicht offen für Fragen der Umstehenden, die hiflos nach Antworten forschen, um die augenblickliche Verwirrung des eben Erlebten wegen abschütteln zu können und zu ihrer normalen Selbstsicherheit zurückzufinden.

Gunnar beachtet sie kaum und eilt seinem Hause zu. Er möchte allein sein, allein mit seiner inneren Zerrissenheit. Es kommt, wie es kommen muss: In dieser Nacht wälzt er sich von wirbelnden Gedankenstürmen geplagt schlaflos auf seinem Lager hin und her. "Woher nur nehmen sich diese Wesen aus einer fremden Welt das Recht, sich uns aufzudrängen, uns zu bedrängen und sogar noch Forderungen zu stellen?" Auf diese Frage findet er keine Anwort. Sie bleibt im Nebel des Unerklärlichen wie auch das ganze Geschehen überhaupt. Bevor er nach Stunden endlich erschöpft einschläft, grübelt er: " Sind wir im Recht oder sie? Haben wir mehr Anspruch auf alles als diese Elfen??"

Die Nachtruhe ist heilsam für sein aufgewühltes Gemüt. Am nächsten Morgen ist er sich sicher: "Wir Menschen dürfen uns nicht über Andere erheben, nur weil sie für uns fremd und undurchschaubar sind!" Da er sich dazu durchgerungen hat, atmet er freier, macht sich dann froh auf zu dem Treffpunkt vor dem Stein, der nun in seinem Denken zu einem Fels der Weisheit geworden ist.

Klopfenden Herzens wartet er auf die beiden Elfen. Wieder verdunkelt sich der Himmel, nochmals schimmert jenes fahle Licht. Ein zweites Mal erscheinen Piri und Emir und setzen sich in erwartungsvoller Haltung oben auf den Stein. Knistern liegt in der Luft. Ein Knistern, dass die Bedeutung der nachfolgenden Minuten unterstreicht, nicht mehr an der Wichtigkeit dieses Treffens zweifeln lässt.

Auch Gunnar empfindet diese besondere Spannung. Er strafft die Schultern und schaut seinen Gegenübern fest in die klaren Augen: "Viele Stunden habe ich über alles nachgedacht. Mein entschluss steht fest!" Er sieht ein Aufblinken in Emirs Augen. Ist der Elf etwa fähig, noch unausgesprochene Worte zu erahnen? Auch Piri guckt viel fröhlicher als am Tage zuvor. "Ja", sinnt Gunnar nach, "ja, sie wissen bereits, was ich ihnen gleich sagen werde!" Einen Moment lang wollen die  alten Zweifelt ihn einfangen, ihn niederdrücken. Aber sie haben keine Chance. Gunnars Wille, Kompromissbereitschaft zu zeigen, ist sein Schutzschild, verleiht ihm eine nie gekannte Selbstsicherheit.

"Ich hoffe, du hast einen weisen Entschluss gefasst!?", fordert Emir drängend die den Ausschlag gebende Auskunft. "Ich werde mit eurer Königin zu verhandeln, damit zwischen unseren Geschlechtern dann dauerhafter Friede herrscht!" Nicht länger umhüllt die Drei ein fahles Licht. Der ganze Himmel steht in gleißenden Flammen unirdischer Helligkeit. Gunnar empfindet die Freude des Augenblickes und ist selig.

Die Gesichter der Elfen leuchten vor Glück wie kleine Sonnen. Deren Strahlen senken sich in Gunnars herz und erwärmen es. Piri und Emir schweben langsam zu ihm herab, stellen sich ganz dicht neben ihn. "Wir haben so sehr darauf gehofft!", flüstern sie.Ihre Stimmen zittern vor Rührung.

Sie fassen Gunnars Händen und halten sie ganz fest. "Hab`Vertrauen und schliess Deine Augen!", bitten sie ihn. "Nicht wahr, du vertraust uns doch...?, wiederholt Klein-Piri.  Dabei guckt er Gunnar flehend an.

"Ja, das tue ich!" Fest und ohne jegliches Zaudern hat Gunnar geantwortet. Zuneigung zu diesen beiden Wesen hat ihn erfasst, die er doch gar nicht kennt und die ihm doch schon so sehr nahe sind.

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Kommentare zu diesem Text


 Sonnenaufgang (03.01.06)
eine herrlich, fantasievolle geschichte, die du da schreibst. auch das thema gefällt mir sehr gut.
eine weise entscheidung, die gunnar da fällt. prima gemacht, liebe gaby
herzlich grüsst dich
feli

 tastifix meinte dazu am 03.01.06:
Dankeschön für Dein Lob, Feli! Ich schreibe gerade am dritten Teil (Romantik pur...warte ab!). Liebe Grüsse Gaby
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