Das Verdrängte

Essay zum Thema Schuld

von  Graeculus

Der polnische Autor Stanisław Lem (1921-2006) hat in seinem Roman „Solaris“ (1961) die Erforschung eines Exoplaneten dieses Namens dargestellt. Eine menschliche Forschergruppe hat sich dort niedergelassen und stellt Experimente mit dem durch und durch rätselhaften Objekt an. Dabei geht es nicht um Leben auf diesem Planeten, sondern um den Planeten selbst, an dem alles unverständlich ist und die uns bekannten Kategorien scheitern.

Der Planet ist von einem „Ozean“ (nicht aus Wasser) bedeckt, hat offenbar seine Umlaufbahn selbst stabilisiert und zeigt irritierende Reaktionen auf die menschlichen Forscher. Er agiert anscheinend wie ein Subjekt – der ganze Planet.

Nachdem die Forscher Strahlungsexperimente vorgenommen haben, ereignet sich innerhalb der Station Merkwürdiges: Der Protagonist findet in seiner Kajüte eine längst verstorbene Lebenspartnerin höchst lebendig vor. Diese Begegnung ist ihm nicht nur unerklärlich, sondern auch sehr unangenehm, denn einst war er durch sein kaltes und rücksichtsloses Verhalten für den Suizid dieser Frau verantwortlich. Er wird also mit einer verdrängten Schuld konfrontiert. Alle Versuche, diese Frau, die einfach leibhaftig da sitzt und mit ihm spricht, loszuwerden, scheitern – und manche dieser Versuche sind recht rabiat. Am nächsten Tage sitzt sie dennoch wieder da. Wir ahnen, daß er sie nie wieder loswerden kann.

Nach und nach wird klar, daß es nicht nur ihm so ergeht, sondern allen seinen Kollegen, obgleich niemand gerne darüber redet und vor allem niemand einen anderen in seine Kajüte läßt, wo jeder seine eigene Hölle erlebt. Jeder wird dort mit dem Schlimmsten, dem Schändlichsten, dem Peinlichsten konfrontiert, das er in seinem Leben begangen hat.

Als ein Beispiel nennt Lem jemanden, dessen Leidenschaft darin bestand, an den Schlüpfern von Teenagern zu schnüffeln. Und das würde man nun wirklich gerne verdrängen.

Wie und warum der Planet Solaris das bewirkt, bleibt ungeklärt. Handelt es sich um eine Art psychologischer Kriegsführung? Es kommt allerdings nicht darauf an, denn Lem geht es um etwas anderes. Er war literarischer Autor und Philosoph, weder Prediger noch Therapeut. Das heißt, sein Roman hat nicht die Tendenz, uns aufzufordern, uns mit unserem Verdrängten auseinanderzusetzen, weil sonst etwas Schreckliches passiert; vielmehr stellt er uns nur eine Frage:

Was ist das Schlimmste, das du in deinem Leben getan hast? Und wie verhältst du dich dazu? Keine Chance, die Schuld auf andere zu schieben – es ist dein eigenes Tun gemeint.

Und diese Frage hat es doch nun wahrlich in sich.



Anmerkung von Graeculus:

Der Roman ist dreimal verfilmt worden, immer unter dem Titel „Solaris“:
1. 1968 als sowjetisches TV-Drama von Lidiya Ishimbayeva und Boris Nirenburg
2. 1972 als sowjetischer Science-Fiction-Film von Andrej Tarkowskij
3. 2002 als US-amerikanischer Science-Fiction-Film von Steven Soderbergh

1 kenne ich nicht; 2 kann ich als werkgetreu empfehlen; von 3 rate ich – trotz George Clooney in der Hauptrolle – ab, denn dort wird das Problem auf eine Liebesgeschichte mit Happy-End reduziert, was dem notorischen Pessimisten Lem gewiß nicht entspricht.

Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Mondscheinsonate und AndreasGüntherThieme.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Mondscheinsonate (07.05.24, 20:53)
Nun, Graeculus, abgesehen davon, dass ich SF nicht mag, versuche ich objektiv mitzuteilen, dass das eine Rezension ist und du so viel verrätst, dass man es selbst gar nicht mehr lesen mag (sofern man das wollte). 
Erst der letzte Absatz, wenige Zeilen sind von dir selbst, sind so zu beantworten, dass es die Frage nicht in sich hat, denn jeder von uns kennt seine Stärken und Schwächen und auch seine persönlichen Katastrophen. Ein paar Wenige schaffen es bis dato nicht, sich eigene Schuld einzugestehen und DAS BLEIBT AUCH SO. Andere verfolgen gewisse Ereignisse ein Leben lang. Das ist die triviale Antwort meinerseits. Gibt es eine Karma-Klatsche? Aber ja. Definitiv.

 Graeculus meinte dazu am 07.05.24 um 23:47:
Wer sich für SF interessiert - was bei Dir nicht der Fall ist - der kennt mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Roman ... oder eine seiner Verfilmungen; SF-Gegner werden ihn so oder so nicht lesen. Insofern verrate ich nichts. Mir ging und geht es um den Weg zu dieser Frage: Worin bin ich schuldig geworden? Wie setze ich mich damit auseinander?

Weiterhin wollte ich - Titel! - eine Variante zu Lothars häufig angesprochenem Thema der Verdrängung ansprechen. Das ist ja ein Problem, auch wenn ich mich ihm nicht so nähere wie Lothar.

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 08.05.24 um 00:00:
Du wirst es nicht glauben, aber auch ich habe den Roman vor Jahren gelesen und dies in Thailand am Strand, nachdem mir meine Bücher ausgingen und ich auf Marios Bücher greifen musste. Keine Ahnung mehr, was mir selten bis nie passiert. Mir fiel es vorhin ein, als ich über Heuristiken im richterlichen Entscheidungsprozess las. 
Graeculus, jeder von uns trägt eine größere oder kleinere Schuld auf sich.Zumeist kommt erst später die Auseinandersetzung damit ein. Manchmal ist es auch Einbildung - wir diskutierten auch einmal darüber, falls du dich erinnerst. Nicht immer "Ist man Schuld", auch, wenn man sich es Jahrzehnte einbildet.

 Graeculus schrieb daraufhin am 08.05.24 um 22:55:
Selbstverständlich glaube ich Dir das. Allerdings hast Du den Roman (fast) vergessen; das geht zumindest mir nur mit Büchern, die mich nicht sonderlich beeindrucken, so. "Solaris" werde ich nicht vergessen, solange ich lebe.

Zum Thema Schuld/Scham: Eines muß ja für jeden Menschen das Schlimmste sein, was er verbockt hat. Und wenn es sich um Mutter Teresa handeln sollte.
Wir wir damit umgehen, ist sicherlich sehr unterschiedlich. Und Verdrängung ist nicht unbedingt eine schlechte Reaktion; nur ich persönlich halte nicht viel davon.
Kardamom (40)
(07.05.24, 21:09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus äußerte darauf am 07.05.24 um 23:41:
Du kennst offenbar den Roman.
Er ist, so meine Ansicht, einer der tiefsinnigsten der SF-Literatur und zeigt, wieviel man aus diesem Genre machen kann, ohne allzusehr durch Naturgesetze eingeschränkt zu sein.

Daß wir außerirdisches Leben nicht verstehen würden, ist eine These, die Lem in mehreren Romanen vertreten hat - entgegen der brav biologistischen Sicht der Welt, daß wir mit der Evolutionstheorie einen Schlüssel zum Verständnis jeder Art von Leben besäßen. Das fände ich übrigens traurig, wenn es im ganzen belebten Universum nichts weiter gäbe als Vermehrung - Kampf ums Dasein - Selektion - Evolution.
Kardamom (40) ergänzte dazu am 08.05.24 um 06:18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 08.05.24 um 23:01:
Man kann zur Verdrängung unterschiedlich stehen. In den meisten Fällen ist es eh nicht mehr rückgängig zu machen.
Trotzdem - da spricht wohl der Philosoph aus mir - ist es ein großer Moment der Wahrheit ... und es dämpft das Gefühl der Überlegenheit über andere. "Homo sum humani nil a me alienum puto. - Ich bin ein Mensch und weiß, daß nichts Menschliches mir fremd ist." (Terenz)

Ich weiß wohl, daß man trotz intensiver SETI-Suche bisher noch keinerlei Nachweis für außerirdisches Leben gefunden hat. Aber es kommt mir so unwahrscheinlich vor, angesichts der Tripstrillionen Sterne im Universum und des Umstandes, daß man in den letzten Jahrzehnten immer mehr Planeten entdeckt.

Der britische SF-Autor Brian Stableford, ein Biologe, hat sich sogar alternative Evolutionsmöglichkeiten ausgedacht.
Kardamom (40) meinte dazu am 09.05.24 um 06:05:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 12.05.24 um 22:59:
Das ist das Fermi-Paradox.
In Lius Trisolaris-Trilogie (eine Anspielung) gibt es eine gute, wenngleich hypothetische Erklärung dafür: Wenn sie die Erfahrung gemacht haben, daß interstellare Kontakte zu Konflikten führen, ist es klüger, still zu sein.
"Wenn man allein auf einem Berg sitzt, ruft man nicht nach dem Tiger." (chinesisches Sprichwort)

 LotharAtzert (07.05.24, 22:13)
Was soll das?
Ein nettes Konstrukt, nicht mehr. Herr Lem sollte mal mit Dzogchenpas sprechen, die nicht konstruieren, sondern ihn mit der Wirklichkeit konfrontieren. Dazu braucht es keine vorgestellten Exowasauchimmer.

Und wenn der Roman 10 mal verfilmt wäre, zeigt das doch nur, daß sich die Menge gut unterhalten fühlt, ähnlich wie die Starwars-Serie.

 Graeculus meinte dazu am 07.05.24 um 23:29:
Ja, lieber Lothar, es kommt darauf und liegt m.E. viel daran, bestimmte grundlegende Fragen in einer Weise zu stellen, daß Menschen sich freiwillig damit befassen. Ich halte einen Roman für ein gutes Mittel in diesem Zusammenhang. Ich habe vor allem starke Bedenken gegen die Vermittlungsweise einer Predigt.

Und die Wirklichkeit, die ist nicht einfach da, sondern das, was wir darunter verstehen, wird von uns konstruiert und gedeutet.

Irgendeine Antwort wollte Stanisław Lem (der übrigens tot ist) gar nicht geben ... wofür ich ihm dankbar bin. Es liegt mir daran, mich selbst für meine Person mit der Frage zu befassen. Schön ist in den Roman, daß sich taktvollerweise niemand in die Kajüte eines anderen drängt - wir bleiben mit dieser Frage allein. Es sei denn, man begibt sich freiwillig in die Hände eines Beichtvaters, Psychotherapeuten oder Gurus. Dazu habe ich keine Neigung.

 Graeculus meinte dazu am 07.05.24 um 23:49:
P.S.: Auch Du und ich verdrängen eine Menge, nicht wahr? Aber darüber sprechen wir als Gentlemen bei anderen nicht, sondern setzen uns mit uns selbst auseinander.
Kardamom (40) meinte dazu am 08.05.24 um 06:27:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 LotharAtzert meinte dazu am 08.05.24 um 10:20:
P.S.: Auch Du und ich verdrängen eine Menge, nicht wahr? Aber darüber sprechen wir als Gentlemen bei anderen nicht, sondern setzen uns mit uns selbst auseinander.
Ja, alles gut, manchmal bin ich etwas unbeherrscht, das ist der Mars in 7 ("im Exil" hieß es früher, weil das 7. Haus das der Waage-Venus ist, wo der Mars dann in ihrem Schoß einschläft, ganz wie Botticelli es gemalt hat.

 LotharAtzert meinte dazu am 08.05.24 um 10:26:
@ Kardamom
Entschuldigung nochmal. Vielleicht ärgerte ich mich ein wenig, da mein eigenes Werkchen mit ähnlichem Thema weitgehend ignoriert wurde, währen die intellektuellere Form hier ... in meinen irrigen Gedanken gerade wieder Erfolge feierte - schreib es einfach meinem fetten Ego zu. :D
OM ................

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.05.24 um 10:42:

Frage:

Was ist das Schlimmste, das du in deinem Leben getan hast? Und wie verhältst du dich dazu? Keine Chance, die Schuld auf andere zu schieben – es ist dein eigenes Tun gemeint.


Autobio-Seelenstriptease gehört zwar bei KV zur DNA, aber ehrliche Antworten wrist du hier nicht bekommen.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.05.24 um 10:43:
Das soll ja auch kein Beichtstuhl sein, prinzipiell nicht so gedacht.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.05.24 um 10:48:
Meiner Meinung nach gibt es keine Karmaklatsche, aber den Begriff an sich finde ich super!

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.05.24 um 15:00:
Haha, ja, voll super.

 Graeculus meinte dazu am 08.05.24 um 15:04:
Das soll ja auch kein Beichtstuhl sein, prinzipiell nicht so gedacht.

Gewiß nicht, ich will hier keine Beichtstuhl-Bekenntnisse evozieren und bin auch nicht derjenige, dem ein "ego te absolvo" zusteht!

Aber wenn jemand mal bei sich darüber nachdenken mag ...
Kardamom (40) meinte dazu am 08.05.24 um 16:07:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 08.05.24 um 23:05:
So ganz ein Zufall ist das nicht, denn ich habe - bei allem Respekt - den Eindruck, daß Lothar zu wenig von der Welt außerhalb des Vajrayana-Buddhismus und der Münchner Rhythmenlehre wahrnimmt.
Jetzt kann er mir natürlich vorhalten, daß ich vor allem letzteres nicht studiere.

 LotharAtzert meinte dazu am 09.05.24 um 00:52:
denn ich habe - bei allem Respekt - den Eindruck, daß Lothar zu wenig von der Welt außerhalb des Vajrayana-Buddhismus und der Münchner Rhythmenlehre wahrnimmt.
...um - so wie Graeculus - immer wieder dieselben Illusionen in Endlosschleifen zu re-kommentieren?


(Ich habe Solaris übrigens vor über 50 Jahren gelesen, so ist das nicht.)
@ Kardamom,
Von Zufall kann nur sprechen, wer einer Sache nicht genügen auf den Grund geht.

Antwort geändert am 09.05.2024 um 00:53 Uhr
Kardamom (40) meinte dazu am 09.05.24 um 05:40:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 12.05.24 um 22:56:
Nein, Lothar, um Deinen Horizont zu erweitern.

Unter Zufall versteht man das Zusammentreffen zweier Ereignisse, die kausal nicht verbunden sind - z.B. wenn ich diesen Satz schreibe und es dabei draußen zu regnen beginnt.

 Dieter_Rotmund (08.05.24, 10:37)
1 kenne ich ebenfalls nicht. Kann man sowas streamen?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.05.24 um 10:40:
Habe schon viel von Lem gelesen, außer Stalker und Solaris...
Ich bin (aufgrund Tarkowskijs Film) nicht der Meinung, dass der Planet die Menschen mit dem Schlimmsten konfrontieren will - er hat imo keine "Moral". Aber das mit dem "Verdrängten" passt weitaus besser.

 Graeculus meinte dazu am 08.05.24 um 23:07:
Nach Streaming-Angeboten darfst Du mich nicht fragen.

Nein, der Solaris-Planet zeigt keine Anzeichen von Moral; aber es könnte sein, daß er sich - nach den Strahlenexperimenten - wehrt. Und das tut er auf eine unvergleichliche Weise.
Kardamom (40) meinte dazu am 09.05.24 um 06:29:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 12.05.24 um 22:54:
Es erscheint in dem Roman als wahrscheinlich (sicher ist da ja nichts), daß der Planet sich wehrt.

Daß Lem Solaris als eine Metapher für den Staat einsetzen könnte, halte ich nicht für naheliegend, weil ich auch aus anderen seiner Romane den Gedanken kenne, daß wir eine außerirdische Intelligenz nicht verstehen könnten - zumal dann nicht, wenn sie uns überlegen ist.

Diese Annahme kommt auch in dem Roman eines anderen polnischen SF-Autors vor ... was ich nachschauen müßte, falls Dich das interessiert. Der Gedanke war der einer Analogie: So wenig wie ein Wurm oder selbst ein Hund das verstehen, worum es uns Menschen geht (wenn wir ein Buch lesen, Geld ausgeben, ins Kino gehen), so wenig verstünden wir eine außerirdische Intelligenz, wenn sie uns so überlegen wäre, wie wir es einem Wurm oder Hund sind. Wir würden sie an uns und unseren Motiven messen, hätten damit jedoch nichts begriffen.
Kardamom (40) meinte dazu am 13.05.24 um 06:23:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 13.05.24 um 15:51:
Elon Musk und Putin sind nun allerdings nicht so weit von uns entfernt, wie es Wesen sind, die den Lauf von Sternen und Planeten verändern können.

Wurm : Mensch = Mensch : hochentwickelte außerirdische Intelligenz, das ist sozusagen eine ganz andere Spielklasse. Da muß unser Verstehen die weiße Fahne hissen.
Innerhalb unserer Kultur entspricht dem die Frage, ob wir die Anliegen und Motive Gottes verstehen können. Ich meine: selbstverständlich nicht!

 EkkehartMittelberg (08.05.24, 14:55)
Hallo Graeculus,
wie alle deine Essays ist auch dieser sehr anregend. Ich schaffe es nicht, auf zwei Hochzeiten zu tanzen. Sobald ich meinen heutigen Faden über Vorurteile abgearbeitet habe, komme ich auf das Verdrängen zurück. Ich möchte es nur ein wenig verschieben. :)

 Graeculus meinte dazu am 08.05.24 um 15:00:
Nur keine Eile, lieber Ekkehart, wir sind schließlich keine 70 mehr.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 08.05.24 um 19:52:
Unter dem Honig der Unterhaltung eine ganz wichtige Frage.
Ich vermute, dass Atheisten weniger motiviert sind, sich mit ihr auseinanderzusetzen, weil sie ihrer Philosophie nach im Jenseits von der Schuld nicht eingeholt werden und sie im Diesseits nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Aber diese Betrachtung ist sehr oberflächlich. Wer sich mit ihr nicht auseinandersetzt, wird von seiner größten Schuld irgendwann in Träumen eingeholt. Wenn man nicht verroht ist und Gewissen hat, kann man dieser Auseinandersetzung nicht ausweichen. Findet sie statt, so ist die Wiederholungsgefahr geringer.
Aus buddhistischer Sicht würde wiederholtes Ausweichen die Chance, ins Nirwana einzugehen, in unendliche Ferne rücken.
Lem hat etwas thematisiert, das Menschen aller Glaubensrichtungen beschäftigen sollte.

 Graeculus meinte dazu am 08.05.24 um 23:12:
Auch ein Atheist - und Lem war ein solcher - kann moralische Maßstäbe haben und erkennen, daß er ihnen nicht entspricht bzw. zumindest in einer wichtigen Situation nicht entsprochen hat.
Angst vor der Strafe Gottes oder einer ungünstigen Wiedergeburt zu haben, ist so moralisch ja nun nicht ... eher egoistisch.

Das Verdrängen ist sicher eine mögliche Option. Was für mich dagegen spricht, ist der Umstand, daß die Einsicht in die eigene Schuld vor Selbstgerechtigkeit bewahrt, also davor, andere Menschen zu verurteilen.
Kardamom (40) meinte dazu am 09.05.24 um 06:55:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 12.05.24 um 22:47:
Den ersten Gedanken begreife ich nicht.

Zum zweiten Gedanken: Na, das hängt von der Art der Schuld ab, die man auf sich geladen hat. Weder im Roman noch in meinem Leben geht es darum, daß man ein Clan-Mitglieder getötet hat.
Es geht überhaupt um die Dinge, die von der 'irdischen Gerechtigkeit' eben nicht bestraft werden und bei denen man uns früher mit dem "Gott sieht alles!" gekommen ist.
Kardamom (40) meinte dazu am 13.05.24 um 06:20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 13.05.24 um 15:47:
Zwar habe ich nicht den Eindruck, daß die Furcht vor der Strafe Gottes immer mit dem Versuch verbunden ist, von der Spirale der Selbstjustiz wegzukommen (insofern die heidnischen Götter nur sehr bedingt eine moralischen Instanz waren), aber für das Judentum könnte es zutreffen.

Den Fall in 1 habe ich jetzt verstanden ... und denke, daß diese Gefahr gar nicht so selten besteht, auch jenseits der Pädophilie.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram