Der Mahlstrom der Zeit

Gedankengedicht zum Thema Zeit

von  EkkehartMittelberg

Endlich einmal
zwischen den Jahren
verlangsamt die reißende Zeit
ihr Tempo.

Du kommst zu dir,
sitzt einen Moment am Ufer
und starrst auf den Mahlstrom der Zeit,
der alles mit sich fortreißt.

Hochfliegende Pläne
sind längst deinen Blicken entschwunden.
Freunde und Feinde
aus vergangenen Jahren
sind weggespült.

Ganz nahe am Ufer,
dort, wo die Strömung nicht so wuchtig ist,
hast du ein paar Pflöcke befestigt.
Sie knarren, ächzen
und stemmen sich gegen die Wirbel.

Noch sind sie nicht gefallen,
Zeichen deines Lebens,
die dich vielleicht eine Zeitlang überdauern.

Wenn sie einmal fortgerissen werden,
so darfst du heute hoffen,
wirst du kein Zuschauer mehr sein,
ihr Fallen nicht gewahren.

Und wenn doch,
bist du der irdischen Zeit enthoben.
Deine Maßstäbe werden andere sein,
und vielleicht blickst du
ganz gelassen
auf den Mahlstrom der Zeit.

© Ekkehart Mittelberg, Dezember 2011

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (27.12.11)
lyrik in ideologieferner neutralität: in den beiden letzten strophen die sicht des agnostikers und die des deisten/ theisten/ panteisten.

ohne pathos. gefällt mir. lothar

anm.: ... wirst [du] kein ...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Vielen Dank für das aufmerksame Lesen, Lothar. Die beiden von dir entdeckten Sichtweisen wollte ich gestalten.
eKKI

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 27.12.11:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 27.12.2011 von EkkehartMittelberg wieder zurückgenommen.
magenta (65)
(27.12.11)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 27.12.11:
Du kannst dich sehr gut in die Intentionen eines Autors versetzen, Heidrun. Die Hinweise deines Kommentars habe ich bedacht, sie waren mir wichtig, den Fontane habe ich nicht assoziiert. Aber ich finde, er passt zu dem Mahlstrom.
Besonders freut mich, dass dir das Gedicht auch vom Klang her gefällt.
Herzlichen Dank
Ekki

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 27.12.11:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 27.12.2011 von EkkehartMittelberg wieder zurückgenommen.

 Lluviagata (27.12.11)
Gedanken, die ich mir als Mittfünfzigerin auch mache. Nur nicht so poesievoll.
Wunderbar!

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 27.12.11:
Dein Kommentar freut mich sehr, Andrea.
Vielen Dank
Ekki

 AZU20 (27.12.11)
Klingt irgendwie beruhigend. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Diese Wirkung ist beabsichtigt.
Vielen Dank. Armin
LG
Ekki

 ViktorVanHynthersin (27.12.11)
Lieber Ekkehart,
ich empfinde Deine Gedicht als Oxymoron. Gleichzeitig fordert es mich dazu auf, innezuhalten und rückblickend das Jahr (und die Jahre davor) zu reflektieren. Man sollte das Gedicht nicht nur zum Jahresende lesen.
Herzlichst
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Ein Oxymoron vereinigt starke Gegensätze. Sieht man auf der einen Seite die zermalmende Gewalt des Mahlstroms und auf der anderen seine in den beiden letzten Strophen reflektierte mögliche Wirkungslosigkeit, kann mein Gedicht als Oxymoron verstanden werden. Vielen Dank, Viktor, für diese interessante Deutung.
Herzlichst
Ekki

 irakulani (27.12.11)
Nicht nur ein Jahres-, sondern auch ein Lebensrückblick...
Die Tage, die im Volksmund "zwischen den Jahren" genannt werden, bieten sich förmlich dazu an, lieber Ekki, so scheint es mir. Tatsächlich hat man das Gefühl als fließe der Mahlstrom für kurze Zeit ein wenig langsamer. Und je weiter uns der Strom der Zeit treibt, desto banger stellt sich die Frage, was von uns bleibt. Bleibt überhaupt etwas?

Atheist, Agnostiker oder Gläibiger - eines wird bleiben: das, was du in den Herzen der Menschen, die dich kennen, gepflanzt hast. Das, was du ihnen mitgeben konntest wird in ihrer Erinnerung bleiben.

Ein Gedicht, welches mich sehr berührt.

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Herzlichen Dank für diesen persönlichen Kommentar, Ira, der mir sehr viel bedeutet.
LG
Ekki
SigrunAl-Badri (52)
(27.12.11)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Herzlichen Dank dafür, dass du auch diesmal meine Intention wieder so treffend ausgedrückt hast, Sigrun.
Liebe Grüße
Ekki
Scheester (80) meinte dazu am 27.12.11:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Unsere Übereinstimmungen sind wohl auch einer ähnlichen Betrachtungsweise geschuldet, Detlef. Vielen Dank!
Beste Grüße
Ekki

 HerrSonnenschein (27.12.11)
Ein zeitlos schöner Text!
Ein Zeichen deines poetischen Lebens.
Mich berührt dieser Text sehr und er entschleunigt mich.
Danke dafür.

der Sonnenschein

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
Es freut mich besonders, dass du diesem Text eine gewisse Zeitlosigkeit zusprichst, lieber Sonnenschein.
Festina lente und liebe Grüße
Ekki

 JohndeGraph (27.12.11)
Mir gefällt die Leichtigkeit und die Aussage des Textes. Sehr gern gelesen. Grüße J.d.G.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.12.11:
"Leichtigkeit...des Textes". Das ist ein besonderes Kompliment. Ich danke sehr.
LG
Ekki

 Bergmann (28.12.11)
Lieber Ekki,
das ist mir etwas zu fern noch, zu verklärt... Da spüre ich die Nähe zu Hermann Hesses Siddhartha und "Stufen", schon in Ordnung das, aber - wie gesagt - mir zu fern und zugleich etwas bedrohlich.
Übrigens eher Prosa. In Reimen wäre das vielleicht sehr schön, versuchs mal.
Ein gutes neues Jahr! Herzlichst: Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.12.11:
Lieber Uli,
Vielen Dank für deinen Kommentar.
„Das ist mir etwas zu fern noch, zu verklärt.“ Gedichte mit ihren Stimmungen und Bekenntnissen waren und bleiben immer sehr subjektiv. Deswegen habe ich gar keine Schwierigkeit damit, dass dir „Mahlstrom der Zeit“ noch zu fern, zu verklärt erscheint. Worauf es ankommt, ist, ob ich wirklich das geschrieben habe, was ich empfinde und denke.
Ja, habe ich.
Eine andere Frage ist, ob das Gedicht in Reimen schöner wäre. Ich habe sie mir natürlich gestellt. Aber wenn ich das mit diesem Beispiel versuchte, würde es aus meiner Sicht zu glatt, zu verklärt.
Vielleicht treffe ich mit einem meiner nächsten Gedichte wieder deinen Geschmack.
Ein gutes neues Jahr auch für dich
Herzliche Grüße
Ekki

 Tintenklexe (01.01.12)
Lieber Ekki, dieses Gedicht finde ich ganz große Klasse! inhaltlich, von der Wortwahl her, als auch vom Rhythmus beim laut lesen.
glg
Gabi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.01.12:
Liebe Gabi,
ich freue mich sehr, dass dir das Gedicht gefällt und bedanke mich für deinen Kommentar.
glg
Ekki

 moonlighting (06.01.12)
Die Mägde sitzen am Grund und drehen ihre Steine.
Für ihre Rache gibt es kein Entrinnen….
Dass du wunderbar in deinem Gedicht mit der nötigen Traurigkeit zum Ausdruck gebracht hast.
Ich hoffe das deine Pflöcke sehr lange halten und du den Mahlstrom gelassen beobachten kannst.
Für mich eins deiner besten Gedichte die ich bisher von dir lesen durfte.

Liebe Grüße
Helen

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.01.12:
Welch schöner Kommentar, Helen, mit diesem Einleitungsbild.
Ich danke dir herzlich.
Liebe Grüße
Ekki
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