Der Mann im Park

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
An einem Samstagabend fuhr ich mit meinem Fahrrad in die Düsseldorfer Altstadt, um etwas zu erleben. Nachdem ich eine Weile ziellos umher geschlendert war, begab ich mich - entgegen meinen Gewohnheiten - in eine Kellerdiskothek.
   Ich hatte mich drinnen noch nicht richtig orientiert, als ein offensichtlich angetrunkener junger Mann mich mit Worten zu provozieren begann und schließlich sogar tätlich werden wollte. Zum Glück konnte ihn seine Freundin im letzten Moment noch beruhigen und zurückhalten, sonst wäre eine handfeste Auseinandersetzung wohl unvermeidlich gewesen. Danach war mein Erlebnisbedarf gedeckt. Ich verließ die Diskothek und machte mich wieder auf die Heimfahrt.
  

Als ich mit meinem Fahrrad durch einen schlecht beleuchteten Park fuhr und an einem kleinen See vorbeikam, hörte ich plötzlich eine klagende Stimme: „Ich will nicht mehr leben! Ich bringe mich um!“ Etwas irritiert hielt ich an und schaute mich um.
   Direkt am Rande des Sees stand ein junger Mann. Da sonst niemand zu sehen war, musste die Worte wohl von ihm stammen. Ich zögerte einen Moment, aber als er erneut zu klagen und seinen Selbstmord anzukündigen begann, ging ich zu ihm hin und sprach ihn an: „Hallo, warum willst du dich denn umbringen?“

Der junge Mann hieß Frank und war offensichtlich psychisch krank. Für mich war es recht schwer einzuschätzen, ob er sich wirklich umbringen wollte oder dies nur eine Masche war, um etwas Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich wollte ihn nicht alleine am See zurücklassen und so schlug ich ihm vor mich ein Stück meines Weges zu begleiten.

     Zu meiner Erleichterung ließ er sich tatsächlich darauf ein und so lagen See und Park schon bald hinter uns. Er erwies sich in der Folge als ein netter, aber doch recht anstrengender Gesprächspartner. Deshalb hoffte ich ihn recht bald wieder loswerden zu können. Ich war müde und wollte einfach nur noch nach Hause.
     

Wir gingen gerade eine große Straße in der Innenstadt entlang, als er auf einmal vor einem größeren Gebäude stehen blieb und mich fragte: „Hast du Lust auf einen Tee?“ Etwas irritiert blieb ich ebenfalls stehen und fragte ich nach: „Wo, da drinnen?“
   Er nickte. „Samstags haben die Jesusfreaks hier immer einen offenen Abend. Anschließend gibt es in der Teestube dann meist noch Tee und Gebäck. Man kann sich mit denen ganz gut unterhalten!“
      Jetzt sah ich an der Hauswand  in riesigen Buchstaben das Wort Jesus-Haus stehen. Ich erinnerte mich, dass mir diese Schrift im Vorbeifahren schon einmal aufgefallen war und ich mich damals gefragt hatte, ob hier eine Sekte ihr Quartier hatte.

    „Aber es ist doch schon recht spät,“ gab ich zu bedenken. Doch er stand schon an der Türe und öffnete sie: „Siehst du, ist noch offen!“ Urplötzlich erkannte ich die günstige Gelegenheit und schwang mich auf mein Rad: „Ich muss los, Frank! Viel Spaß noch bei den Jesusfreaks!“ Und mit diesen Worten trat ich in die Pedalen.  „Halt, warte! Ich komme mit!“ hörte ich ihn hinter mir her rufen. Aber ich fuhr weiter, ohne mich noch einmal umzublicken.
   Schnell hatte ich diese Episode dann auch wieder vergessen, nicht ahnend wie bedeutsam sie noch für mich werden sollte.


Anmerkung von Bluebird:

Folge 12  meiner autobiografischen und wahren Geschichte  aus dem Jahre 1985

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