Krieg versus Kriegsangst

Glosse zum Thema Krieg/Krieger

von  loslosch

Peior est bello timor ipse belli (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Thyestes). Schlimmer als der Krieg ist die Furcht an sich vor dem Krieg.

Die Alten jonglierten gern mit solchen Sprachbildern. Eines der bekanntesten: Nicht den Tod fürchten wir, sondern die Vorstellung des Todes (non mortem timemus, sed cogitationem; ebenfalls Seneca, in seinen Briefen an Lucilius, Epistulae morales). Analog dazu im Mittelalter gebildet: Timor mortis morte peior. Die Furcht vor dem Tod ist schlimmer als der Tod. Diese trocken anmutende Todesmetapher ist auch in der Moderne noch vermittelbar, anders als die des Krieges. Warum das so ist? Am naturgesetzlichen Tod des Menschen hat sich seither kein Jota verändert, Entscheidendes jedoch am Gesetz des Krieges. Die Existenz von Massenvernichtungswaffen (modernes Alphabet: A wie atomar, B wie biologisch, C wie chemisch) führt jedem vor Augen, dass ein "moderner" globaler Krieg mit seinen Spät- und Langzeitfolgen die Furcht vor dem kriegerischen Grauen in den Schatten stellen wird.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(22.11.14)
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 loslosch meinte dazu am 22.11.14:
naja, ich fühle mich nicht zum prediger berufen.

 tigujo (22.11.14)
.
Gefällt mir, darauf hinzuweisen, was wieder brodelt. Für mich bleibt die Frage nagend, wie sich einem Spiel stellen, ohne mitzumachen - oder, schlimmer, davor zu flüchten. Generell im Leben, und Krieg ist ebenfalls ein solches, in my humble opinion

Ich lese bei losloch oben:

"Am naturgesetzlichen Tod des Menschen hat sich seither kein Jota verändert, Entscheidendes jedoch am Gesetz des Krieges."

und ergänze laut Dr. Wikipedia (aus "Krieg"):

"Es gibt auch Ansichten, dass sich der Charakter des Krieges geändert habe und folglich heute ein „gehegter Krieg“ nicht mehr möglich sei. Dass sich die Formen des Krieges ändern, ist aber eine Feststellung, die so alt ist wie die Geschichte der Menschheit."

Weiter verschlägt es mich zu
  Atom- oder Nuklearpazifismus
wo ich - sorry für die vielen Zeilen - aufschnappe:

In der Debatte um die Legitimität sogenannter humanitärer Interventionen unterschied der Philosoph Jürgen Habermas 1999 dabei zwischen den Positionen des Rechtspazifismus, der solche Einsätze wie den Kosovokrieg befürwortet, und dem Gesinnungspazifismus, der diese ablehnt:

„Der Rechtspazifismus will den lauernden Kriegszustand zwischen souveränen Staaten nicht nur völkerrechtlich einhegen, sondern in einer durchgehend verrechtlichten kosmopolitischen Ordnung aufheben. (...) Die unmittelbare Mitgliedschaft in einer Assoziation von Weltbürgern würde den Staatsbürger auch gegen die Willkür der eigenen Regierung schützen.“
– Jürgen Habermas: Bestialität und Humanität. In: Die Zeit. 29. April 1999[77]

[...]

In jüngster Zeit wurde Pazifisten weiterhin vorgehalten, mit ihrer gesinnungsethischen Grundhaltung, die in früheren Zeiten berechtigt gewesen sei, keine Antworten auf dem Umgang mit neuen Formen der Gewalt zu geben. So fragte der Grünen-Politiker Ludger Volmer 2002 in einem anschließend kontrovers diskutierten Artikel:

„Ein solcher Pazifismus setzt sich als universelle Ethik, an deren Ansprüchen der Pragmatismus jeder Regierung scheitert. Aber: Kann die pazifistische Gesinnung diesen Absolutheitsanspruch mit Recht erheben? Oder drücken sich nicht viele, die sich Pazifisten nennen, vor der Verpflichtung, die politische Bedingtheit ihrer Grundeinstellung zu bedenken und zur Debatte zu stellen?“
– Ludger Volmer: Was bleibt vom Pazifismus. In: Frankfurter Rundschau. 7. Januar 2002[87]

Volmer plädierte im Gegenzug für einen verantwortungsethischen politischen Pazifismus, der „militärische Gewalt als Ultima Ratio, als letztes Mittel, nicht leugnen“ könne, um beispielsweise den Terrorismus zu bekämpfen. Dem hielt der Friedensforscher Harald Müller entgegen:

„Für die Menschenrechte wie für den unbedingten Pazifismus gilt, dass die Aufgabe der Unbedingtheit und die Anerkennung von historischem Relativismus Selbstaufgabe bedeutet. Den Pazifismus dazu aufzufordern, scheint mir wenig Erfolg versprechend. Beide Positionen, aber auch der abwägende, verantwortungsethische des von Staatsminister Volmer mit ‚politischer Pazifismus‘ bezeichnete Standpunkt sind mit unausweichlichen Dilemmata konfrontiert.“
– Harald Müller: Stachel im Fleisch der Selbstgerechten. In: Frankfurter Rundschau. 24. Januar 2002[88]

Aha.
Sorry für das unschöpferische Schöpfen aus leichter Quelle.

Doch: Ist Kriegsangst nicht auch letztlich Einladung zu Erpressung, letzlich dann doch zum Krieg?
War Chamberlains Appeasement Politik friedensstiftend? Wie kann man Henryk M. Broders Buch " Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken" nicht zunicken?

Mir bleibt die Frage, wie sich einem Spiel stellen, ohne mitzumachen - doch keineswegs davor flüchten. In diesem Sinne vor einiger Zeit meine Einladung zu einem   Projekt hier auf kv, schlicht anzuschreiben gegen Absehbares . Nun, ging in die Hose, in Summe war Schweigen die Antwort der Schreiber hier auf kv.

Bin nach-tragend:
Hat sonst wer eine Idee als Antwort, wie "unsereins" die Bandbreite zwischen (der meist feig machenden) Kriegsangst und Drang zu Krieg als ultima ratio für Anderes nutzen könnte/kann? Konkret?

Danke für deinen Beitrag, losloch.

tigujo

 loslosch antwortete darauf am 22.11.14:
viel stoff. ein teil des dilemmas lässt sich am fall des bankräubers festmachen, der mit der waffe an der schläfe der geisel freies geleit fordert.

ps: der link war ein gedächtnisaufheller.
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