Von der Sprache des Unbewußten 3

Essay zum Thema Bewusstsein

von  LotharAtzert

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
Friedrich Hölderlin
3.
Das Wort "Gefahr" hat mich schon immer, aus respektvoller Distanz, begeistert - wegen der Bildhaftigkeit, wachsen doch drei Blütenblätter aus seinem Kelch: Fahrt - Gefahr  - Erfahrung. Letztere, sofern man sie verwirklicht, beinhaltet immer die Verwandlung der Vorgängerinnen, denn wo keine Fahrt und keine Gefahr, da kann Erfahrung niemals wachsen. Was ich hingegen erfahren habe, gehört mir, ist sozusagen Eigentumswohnung geworden, die im Restleben zum freien Wohnen zur Verfügung steht. Eine Binsenweisheit fast, daß je größer die Lebenserfahrung, umso leichter sind zukünftige Gefahren zu meistern. Aber der fortschreitende Alterungsprozess fordert immer neue Anpassung für Mensch und Tier heraus.
Den drei Fahr-Begriffen gesellen sich weitere Assoziationen hinzu: Gefährte bzw. Gefährtin. In der tantrischen Tradition sind Gefahr und Gefährtin wesensgleich, was uns wieder näher zur Bedeutung der Aussage des Dichters Hölderlin bringt.
Schließlich die Fährte - man fährt nicht aus Jux und Tollerei herum, wie Verblödete heute in so genannten Urlaub fahren, sondern folgt dem inneren Antrieb, der zuerst latent ist, ähnlich dem Wasser an der Quelle, das zunächst nicht weiß, wohin die Reise gehen soll.

Die moderne Informationsflut vermittelt dagegen keine Erfahrung, sondern beruht auf Verdrängung von Fahrt, (man läßt fahren - "automobil" man läßt lernen - automental ... automatisch) was allerdings eine viel größere und lebenslang unbemerkte, weil erfolgreich verdrängte "kollektive" Gefahr beinhaltet, nämlich das Leben nur in der Masse und ohne Entwicklung von Individualität. Ursprungslose, wie mein Lehrer zu sagen pflegte.
Eine andere, schon zu Hölderlins Lebenszeit bekannte Gefahr bestand, bzw. besteht im Mißverstehen der Dichterworte durch jene Ursprungslosen, oft aus den Kreisen der Akademiker, die sie lasen und interpretieren. Es wird (- von Wolfgang Döbereiner) berichtet, daß Soldaten des ersten Weltkrieges ihren Hyperion oder auch Goethes Faust in der Manteltasche trugen und  naiv mit Hurra in den sicheren Tod einer Schlacht rannten, im bloßen Glauben, aus der Gefahr würde sowieso die Rettung kommen.

Nein, die Gefahr ist die Lehrerin der Selbstbefreiung des Subjekts. Was von außen kommt ist nur die Rückrufaktion des Schicksals, die im Vergangenen verweigerte Lernbereitschaft. Und zwar die kollektive, sobald es viele betrifft, die zu einem kommenden Ereignis quasi zusammenfinden! Was muß da alles an Verdrängungen zusammenkommen, bevor so etwas, wie eine Titanic gebaut werden kann, die, so großspurig von den Erbauern verkündet als unsinkbar gilt, die daraufhin auf der Jungfernfahrt einen Eisberg rammen muß, um als Geschehen erscheinen und als Erscheinung erlöst werden zu können.
Für 1514 von 2200 Menschen allen Alters war es zuende damals, in den Abendstunden des 14. Aprils 1912, 300 Seemeilen südöstlich von Neufundland. Der Rest wurde gerettet. Aber wieviele der Geretteten tatsächlich das Rettende als Bewußtsein erkannten und so erst wahr-haftig gerettet wurden, wissen wir nicht.


Anmerkung von LotharAtzert:

Eskimos teilen ihre Frauen mit dem Gast.

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Kommentare zu diesem Text

Bette (70)
(22.12.17)
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 LotharAtzert meinte dazu am 22.12.17:
Es gibt sogar ein Buch mit einem entsprechenden Titel: "Abenteuer und Fahrten der Seele" von Heinrich Zimmer - ich las das mit meiner Exfrau vor Jahrzehnten in der Badewanne. Sehr zu empfehlen - also das Buch!

Mir träumte heute in den Morgenstunden, ich sei in Tschechien unterwegs, fuhr einen Weg entlang durchs Industriegebiet, der zur Autobahn führte, auf die ich aber nicht wollte. Zum Glück bog ein weiterer Weg ab, trist und durchs Nirgendwo, da wollte ich auch nicht hin. Zum Glück ... bog ein dritter Weg ab, der war aber noch schlimmer. Da stieg ich aus, um mich zu Fuß zu orientieren und plötzlich war das Auto weg und mit ihm meine Identität, Geld etc. Ich lief die drei Wege mehrfach ab und verzweifelte immer mehr - bis ich dann aufwachte und wirklich froh war und es immer noch bin.
Danke und Gruß
L.
Bette (70) antwortete darauf am 22.12.17:
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toltten_plag (42)
(22.12.17)
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 LotharAtzert schrieb daraufhin am 22.12.17:
Kann es sein, daß Du Dich verklickt hast? Hier  geht es zur Trivialliteratur zurück. Huschhusch ...

Antwort geändert am 22.12.2017 um 13:41 Uhr
toltten_plag (42)
(22.12.17)
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 LotharAtzert äußerte darauf am 22.12.17:
war das grad die neue Putzfrau?

 Habakuk (22.12.17)
Dein Zitat von Hölderlin (Verse drei u. vier aus der Hymne „Patmos“ 1. Strophe) muss man im Zusammenhang mit Versen eins und zwei sehen: „ Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott“.
Apropos Titanic:
Einige der Werftarbeiter hatten zum Ärger ihrer katholischen Arbeitskameraden gotteslästerliche Worte an beide Schiffswände der Titanic geschrieben: „Nicht einmal Christus kann es versenken." und „Weder Gott noch der Papst" konnte man auf einer Seite des Schiffes lesen und auf der anderen Seite las man: „Weder die Erde noch der Himmel können dich verschlingen." Man hat diese Aufschriften zwar mit Lack überstrichen, doch kamen sie wieder fast ganz zum Vorschein. Was davon nun Mythos oder Tatsache gewesen ist, ich war nicht dabei. Dass sie gesunken ist, scheint bewiesen.
Andererseits wird ein ordentlicher Atheist einwenden, es sei ja auch nicht der Himmel gewesen, der das Schiff versenkt habe. Recht hat er. Es war nur ein simpler Eisberg.

 LotharAtzert ergänzte dazu am 22.12.17:
Na komm, das mit den gotteslästerlichen Worten hast Du dran gepinselt. Obgleich, war da nicht schon mal was, mit Lord Byrons Boot "Don Juan", welches er Percy B. Shelley schenkte und dieser den frivolen Schriftzug mit "Ariel" übermalte, bevor er damit in der Bucht von La Spezia kenterte und ertrank? Später fand man die Planke, auf der wieder "Don Juan" stand.
Ja, alles wiederholt sich!
Vom besagten Eisberg gibt's übrigens ein Foto. Seine Gestalt kommt mir bekannt vor.
„ Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott“. - so ist es, so ist es.
Danke für die Ergänzung

Antwort geändert am 22.12.2017 um 14:28 Uhr
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