Ist den Helfern noch zu helfen?

Parabel zum Thema Hilfe/ Hilflosigkeit

von  eiskimo

Vor dem Wohnblock Athener Straße 20 kampieren seit letzter Woche zwei junge Familien. Auf dem kleinen Stück Rasen, neben den Mülltonnen. Es sollen Vertriebene sein, Ausgebombte – jedenfalls ist es ein beklemmender Anblick. Denen müsste man doch helfen, oder?
Im Erdgeschoss, die Familien Heller und Römer, die haben sich jetzt quasi verbarrikadiert. Bloß keinem dieser  Fremden auch nur den Finger reichen. Dabei waren bei denen früher schon Menschen vorstellig geworden, denen hatten sie damals geholfen.
Aber als dann prompt immer neue kamen, wurde es echt eng. Hellers haben dann die Leute in den anderen Stockwerken angesprochen, aber die haben sich einfach taub gestellt.
Jetzt hat Frau Mosbach, die Frau aus dem dritten Stock, bei mehreren Nachbarn geschellt. Sie halte es für ihre Christenpflicht, zumindest die Kinder nach drinnen zu holen. Die würden sich ja den Tod holen, so kalt wie die Nächte jetzt noch sind. Aber ihr Mann, saget sie, der bestehe darauf, dass alle im Haus da mitmachten. Sonst bliebe es mit Sicherheit nur an ihnen, den Mosbachs hängen. Und das sei ja nicht einzusehen. Wenn man sich das teilte, so die Mosbachs, wäre es auch keine große Belastung.
Herr Nowotny aus der Dachwohnung  pflichtete den Mosbachs grundsätzlich bei.  Schlimm sei das für diese armen Menschen da unten, und er mochte gar nicht mehr hingucken. Aber für ihn sei halt die Ordnung im Haus ganz wichtig. Die Verantwortlichkeiten müssten präzise und nachprüfbar geregelt sein – wer weiß, wer sich da sonst ins Haus schleichen täte!
Die Dame, die gegenüber von Nowotny wohnt, seufzte auch sehr ergriffen. Sie nickte heftig, als der Nachbar seine  Bedenken  vorbrachte.  „Auch wegen der Hygiene,“ fügte sie an. „Sind diese Kinder denn überhaupt geimpft? Und vertragen sie unser Essen?“
„Ich sehe auch ein sprachliches Problem,“ kam von den  Bewohnern der Wohnung im ersten Stock links. Und die aus der Wohnung rechts fürchteten gar eine „heimliche religiöse Unterwanderung.“
Und so stritten die Parteien noch eine ganze Zeitlang, hin- und hergerissen zwischen ihrem ehrlichen  Mitgefühl für diese leidgeprüften Familien und den gewichtigen, schwer auszuräumenden Sorgen  „um das Klima im Haus“ . Nein, sie fanden beim besten Willen  keinen Konsens, keine praktikable Lösung. Am Ende zogen sie sich alle in ihre aufgeräumten, warmen Wohnungen zurück.
Derweil hörte man unten, vom Vorgarten her, wo die notdürftig errichteten Zelte stehen, ein paar Kleinkinder schreien.

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (10.03.20)
Die Parabel beschreibt den Stimmungsunterschied zwischen 2015 und heute recht genau. Genau und witzig.
Cora (29)
(10.03.20)
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 niemand meinte dazu am 10.03.20:
@ Cora
da muss sich Dir recht geben. Es wird über Deutsche ständig gejammert, nur nicht gesagt, was hier alles gemacht wird.
Das ist einseitig, aber es kommt an. Hier wird ein Masochismus gepflegt, besonders von Scheinintellektuellen unter dem Motto:
Der Deutsche ist schlecht und basta!
LG niemand
Cora (29) antwortete darauf am 10.03.20:
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 eiskimo schrieb daraufhin am 10.03.20:
Der Starke sollte dem Schwachen helfen, ganz einfach.,
Cora (29) äußerte darauf am 10.03.20:
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 niemand ergänzte dazu am 10.03.20:
@ Cora
weißt Du was ich in diesem Lande ziemlich komisch bzw. tragisch finde ist, dass hier früher die Hacken zusammengeschlagen wurden vor den Nazis und heute schlägt man die Hacken zusammen vor dem Meinungsterror. Bloss nicht gegen diesen verstoßen, bloß auf einer Linie mit den anderen labern.
Du weißt, dass ich nicht immer Deiner Meinung war, was gut ist, aber Du hast wenigstens eine eigene, welche Du vertrittst, ohne Dich zu verbiegen. Das finde ich echt gut! LG niemand
Cora (29) meinte dazu am 10.03.20:
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 eiskimo meinte dazu am 10.03.20:
@Cora,@ niemand
Ich schätze eure immer sehr reflektierte Kritik, sehe auch sehr genau, auf was ihr Bezug nehmt.
Der Starke schätzt seine Möglichkeiten ein, wägt die Risiken ab und handelt entsprechend. Er weiß auch, für welche Werte er steht.
Cora (29) meinte dazu am 10.03.20:
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 Annabell (10.03.20)
ein Text, der beileibe nicht "witzig" ist. Er ist zum Nachdenken gedacht, meint
Annabell

 Dieter_Rotmund (10.03.20)
Ist noch ein wenig tendenziös, läßt dem Leser aber noch halbwegs genug Spielraum. Wie hast Du es geschafft, außnahmesweise keine übermoralischer Aufruf daraus zu machen?
Wenn wir ehrlich sind, will keiner von uns dieses Verhältnisse direkt vor der Haustür. Aber dies war ja sicher als Metapher gewählt.

 Regina (28.03.20)
Vergiss nicht die Einzimmerwohnung im Souterrain, wo ein durchgeknallter Drogenfreak schon eine Großfamilie von 10 Personen aufgenommen hat und die verschwägerten Verwandten auch noch kommen wollen, weil es immer noch besser ist, in D im Keller unterzukommen als Bombenhagel und Hunger ausgesetzt zu sein. LG Gina

 eiskimo meinte dazu am 28.03.20:
Überhaupt sollten wir vor lauter Corona nicht vergessen, dass immer noch entsetzliches Leid herrscht in diesen sogenannten Übergangslagern. Die Medien haben jetzt Anderes im Fokus.
vG
Eiskimo
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