Corona, das Politikum

Kommentar zum Thema Krisen

von  eiskimo

Bis vor kurzem war die naive Frage noch, ob Corona ähnlich schlimm sein könnte wie die alljährliche Grippewelle. Inzwischen nagt der Virus gefährlich an den Grundfesten unserer freiheitlichen Lebensweise.
Binnen weniger Tage - ja, wir können es live verfolgen! - wandeln sich Ansprüche und Freiräume von Millionen Menschen, verkehren sich total. Revolutionäres passiert. Muss passieren, wie es heißt.
Ganze Wirtschaftszweige werden lahm-, Milliardenprogramme dagegen aufgelegt. Casinostimmung grassiert, wo lange Jahre die Schwarze Null beschworen wurde.
Ein Volk von Rasern, Vielfliegern, Partygängern und Fußball-Verrückten  bleibt jetzt brav zu Hause uns lässt sich per Fernseher in immer neuen Extras auf die neuesten Einschränkungen einstimmen.
War vor Corona die physische Präsenz in Schule, Universität oder Büro das Maß aller Dinge, so sind jetzt – scheinbar widerstandslos -  Fernstudium, Home-Teaching und Home-Office möglich.
Hatte man noch im Februar Kneipe, Restaurant und Kegelverein fest im Wochenprogramm, dann üben sich jetzt alle in der Tugend des Verzichts. Was hatte es in gesunden Zeiten für einen Aufruhr gegeben, als die Grünen ihren Veggie-Day  propagierten – jetzt bunkert man freiwillig und fleischfrei Nudeln und rote Soßen für Monate.
Jobs in unseren Krankenhäusern, die betrachteten wir jahrzehntelang mit so viel Gleichgültigkeit, dass die Überlastung der Ärzte, der Schichtdienst und die schlechte Bezahlung  von Schwestern und Pflegern uns völlig schnuppe waren. Seit kurzem stehen dankbare Bürger auf ihren Balkons und applaudieren diesen "systemrelevanten Helden".
Was haben wir uns echauffiert, um das Klima zu retten? Haben unsere Politiker angeprangert, weil sie in dicken Jets zu ihren Umweltkonferenzen düsten. Jetzt chatten dieselben Politiker  vorzugsweise per Video-Konferenz, und von jeglichen Reisen ins Ausland raten sie ab. Der Himmel war lange nicht so sauber wie jetzt, und die plötzliche Flug-Scham könnte glatt dafür sorgen, dass Deutschland noch seine Klimaziele erreicht.
Auch das Klima in den Abgas-belasteten Innenstädten erholt sich zusehends; war früher das Zu-Hause-Bleiben Zeichen von Fanatsielosigkeit, gilt es jetzt als Heilsversprechen.
Last but not least: Corona hilft auch der CDU/CSU aus der Patsche. Schien sie mit dem angekündigten Rückzug von Frau Merkel und dem Theater um AKK lange Zeit führungslos, so profilieren sich in diesen  Krisen-Tagen zwei „Macher“, die mittelfristig die Merkel-Nachfolge unter sich ausmachen werden: Jens Spahn und Markus Söder. Friedrich Merz jedenfalls ist von Corona doppelt gestraft, der kommt gar nicht mehr vor. Und wie hießen noch einmal die anderen Bewerber?
Selbst im fernen Amerika greift Corona schon nach der Macht. Wenn da irgend etwas Donald Trump eine zweite Amtszeit vermasseln kann, dann ….
Was am Ende dieser politischen Betrachtung aber noch gesagt sein muss: Wir stehen gerade am Anfang. Das Meiste von dem, was wir gerade mit großen Augen vor uns ablaufen sehen, wird erst mit dem Abstand von Monaten oder Jahren bewertet werden können. Haben wir da durch Corona Entscheidendes verloren oder (wieder-) gewonnen?


Anmerkung von eiskimo:

Politikum meint hier: Corona distanziert betrachtet, das konkrete Leid ausgeblendet

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (22.03.20)
Du hast völlig Recht. Die Menschen und vor allem die Politiker - *grrr* ...Politiker... - haben vorher ja alles falsch gemacht. Da können sie auch ruhig weiter alles falsch machen.



*FACE PALM*

Kommentar geändert am 22.03.2020 um 04:03 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 22.03.20:

 franky (22.03.20)
Hi lieber Eiskkimo

Ja die Welt hat Kurzarbeit angesagt,
das reinigt die Luft und hat auch ihre eigene Rechtssprechung.
LG Franky

 Regina (22.03.20)
Du sprichst von Nebeneffekten, die diese Krise hat. Da könntest du am Ende auf die Idee kommen, dass die Gestorbenen schließlich den Wohnungsmarkt und die Rentenkasse entlasten. Das gibt sich aber zynisch den Erstickenden gegenüber und den bis ans Limit überlasteten Krankenhausmitarbeitern. Politisch, nun, da haben Ministerpräsidenten und die Kanzlerin noch einmal die Chance, zu zeigen, was sie können. Wie das Ende aussehen wird, weiß aber doch noch keiner. Werden sie dann wieder losfliegen wie die Blöden oder müssen wir mit einer gravierend dezimierten Bevölkerung rechnen? Kommt die große Hungersnot, weil die Wirtschaft dann nicht mehr funktioniert? Ich finde, dass diese Ansicht "Es hat auch sein Gutes" nicht angebracht ist. LG Gina

 eiskimo antwortete darauf am 22.03.20:
Was Du da an Ideen zu Wohnungsmarkt und Rentenkasse entwickelst, liegt mir völlig fern.
Mir geht es nur darum, bewusst zu machen, welche gewaltigen Einschnitte und Veränderungen wir gerade erleben. Die neue Wertschätzung bestimmter Berufe, der Familie, des eigenen Heimes... Ich sehe auch Verzicht-Leistungen, die wir bis vor wenigen Tagen für undenkbar hielten. Es gibt Bewegung in der Politik - atemberaubend.
Ob zum Guten oder Schlechten, wird sich erst in Monaten oder Jahren herausstellen.
lG
Eiskimo

 EkkehartMittelberg (22.03.20)
Jemand hält diesen Text für zynisch. Das begreife ich nicht. Meines Erachtens hütet er sich vor vorschnellen Bewertungen.
LG
Ekki

 eiskimo schrieb daraufhin am 22.03.20:
Ja, ich hatte ausdrücklich nur auf die politische Dimension verwiesen und die gewaltigen Veränderungen, die da in kürzester Zeit eingesetzt haben.
Das Leid der unmittelbar Betroffenen ist weiterhin präsent und die Hauptsorge.
Danke für Dein Statement!
Eiskimo
bleibronze (69)
(22.03.20)
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 eiskimo äußerte darauf am 22.03.20:
Dieses rasante Runterfahren auf Notbetrieb ist ja erst einmal spannend. Wie sehen wir es aber in zehn Tagen oder vier Wochen?
Ich sehe uns Literaten, die viel Zeit mit Schreiben und Lesen füllen können, halbwegs gewappnet. Kreative Menschen wirft so eine Durststrecke auch nicht um. Andere werden wohl den Koller kriegen.
lG
Eiskimo
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