Fabelhafte Fabeln

Fabel zum Thema Bildung/ Wissen

von  EkkehartMittelberg

Bildungsplaner für den Deutschunterricht berieten über moderne Rahmenrichtlinien. In den alten Plänen waren sie auf Fabeln gestoßen.
„Die müssen ersatzlos gestrichen werden“ meinte der erste; denn diese moralinsauren Lehren entlocken Schülern nur noch ein Gähnen.“
„Dem stimme ich zu“, sagte der zweite. „wer hat es heute noch nötig, Emanzipation Tieren in den Mund zu legen, weil sie den Herrschenden missfällt und der Dichter sich tarnen will?“
„Nicht so schnell“ entgegnete ein Dritter. „Die Fabel diente von Anfang an nicht nur der Belehrung, sondern auch der Unterhaltung. Es ist ihrem Witz geschuldet, dass man in der Umgangssprache lange Zeit als 'fabelhaft' bezeichnete, wofür heute das Prädikat ,klasse' herhält.“
„Wie bringt man Witz in eine Fabel?“ schaltete sich ein Vierter ein.
„Ich zitiere euch ein Beispiel von einem gewissen Ekkehart Mittelberg“, antwortete der Dritte.

Der Kuhfladen

Ein Kuhfladen war von Schmeißfliegen bedeckt.

Darüber gaukelte ein Schmetterling.

„Warum fresst ihr Scheiße?“ säuselte er hinunter.

„Hätten wir es so leicht wie du, lebten wir von der Luft.“ brummten sie hinauf.

„Schön und gut“, beharrte der Erste. „Können wir mit Fabeln noch etwas anderes als Schmunzeln auslösen?“ „Ja, Nachdenklichkeit“ sagte der Dritte.
„Damit wären wir wieder beim Moralin“, konterte der Erste.
„Nachdenklichkeit muss nicht trocken sein“, hielt der Dritte dagegen „Bei Mittelberg stellt sie sich so dar:

Häschen in der Grube

Ein übermütiger Hase hatte einen Sprung falsch berechnet und war in einer tiefen Grube gelandet, aus der es keinen Ausweg gab.
Ein Fuchs saß nun an deren Rande und lockte: „ Meister Lampe, ich verschaffe Euch eine Strickleiter, wenn ihr mir nach Eurer Rettung die Hälfte von Eurem Kohl überlasst.“
Darauf entgegnete der Hase: „Reineke, wann habt ihr je Kohl gefressen? Doch danke ich Euch, weil Ihr mir eine Alternative des Sterbens zeigt. Lieber verende ich in diesem Loch, als von Euch gefressen zu werden.“

Darauf vertagte der Vorsitzende die Entscheidung, ob man auf Fabeln verzichten solle.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (19.11.20)
Der Hase zeigt: Man hat immer eine Wahl.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.11.20:
Merci, Stefan, genau das wollte ich mit der Fabel ausdrücken.

 BeBa (19.11.20)
Glücklicherweise hat seither keine erneute Beratung dieser "Fachleute" stattgefunden.

LG
BeBa

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 19.11.20:
Gracias, Beba, ich freue mich, dass moderne Fabeln aus deiner Sicht Bestand haben.
LG
Ekki

 monalisa (19.11.20)
Lieber Ekki, ich bin ja für Verschlankung der Lehrpläne angesichts von Stundenkürzungen, aber müssen ausgerechnet Fabeln dran glauben? Ich denke, das Moralinsaure abzulegen und in neuem Gewand aufzuerstehen, würde ihne gut zu Gesicht stehen, und auch Schüler könnten davon profitieren und Gefallen an ihnen finden!

Liebe Grüße
mona

Kommentar geändert am 19.11.2020 um 09:04 Uhr

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 19.11.20:
Hallo Mona, es wird dich nicht wundern, dass ich dir beipflichte, weil nach meiner Erfahrung die Lektüre und das Schreiben von Fabeln besonders geeignet ist, sowohl die emotionale als auch die kognitive Intelligenz von Schülern zu fördern.
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (19.11.20)
Hallo Ekki,
wir wissen, alles Alte und Traditionelle hat es heutzutage schwer
Wir sind uns einig, die Fabel darf an der Moderne nicht scheitern!
Ich bin überzeugt, sie könnte als RAP in der Disco-Hipp-Hopp-Gemeinde überleben .
Und Ekki, zum Rappen ist man nie zu alt Auf geht's.
Herzliche Grüße
TT

Kommentar geändert am 19.11.2020 um 11:42 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 19.11.20:
Merci, du hast recht, mein Freund. Schicken wir mit Udo Lindenberg einen fabelhaften Sonderzug nach Pankow. :)
Herzliche Grüße
Ekki

 harzgebirgler (19.11.20)
lessing bezeichnet als absicht der fabel die klare und lebendige erkenntnis eines moralischen satzes, was aber nach nietzsches „genealogie der moral“ durchaus frag-würdig ist: er fragt deshalb nicht, wie die menschen handeln sollten, sondern warum menschen (einzelne oder gruppen) glauben, sie sollten auf bestimmte weise handeln, oder andere dazu bringen wollen, so oder so zu handeln.

lg henning

Kommentar geändert am 19.11.2020 um 12:59 Uhr

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 19.11.20:
Gracias, Henning, das ist ein sehr kluger Kommentar, weil Fabeln nämlich mit normativer oder soziologischer Intention geschrieben werden können,
Herzliche Grüße
Ekki

 Graeculus (19.11.20)
Die Fabeln (und mögen auch schwächere unter ihnen sein) pauschal abzuwerten, wird wohl niemandem einfallen, der die besseren von Aesop kennt. Manche, wie z.B. die vom Fuchs und den sauren Trauben, sind ja geradezu sprichwörtlich geworden und von zeitloser Gültigkeit.
Wohl dem aber, der noch eigene Fabeln zu schreiben weiß!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.11.20:
Vielen Dank, Graeculus, die Fabeln des Aesop dienten der Stabilisierung der Moral, moderne Fabeln spiegeln auch, wie komplex ethische Fragen sein können.

 Enni (19.11.20)
Lieber Ekki,
ich denke, dass aus unseren Bildungsplänen anderes verschwinden könnte, nicht die Fabeln (sie nehmen ja nicht einen sehr großen Raum ein).
Letztlich sind sie literarisches Gut, das zu betrachten und zu untersuchen nicht verkehrt sein kann.
Wenn man bedenkt, dass durch Allegorisierung damals Gesellschaftskritik zum Ausdruck gebracht wurde (und nicht nur eine Stereotypisierung einzelner Charaktere), finde ich es interessant, dies Schülerinnen und Schülern im Vergleich zu heutigen Methoden nahezubringen.
Ich habe z.B. die Erfahrung gemacht, dass Fabeln bei jüngeren Kindern als Schreibanlass sehr geeignet sind.

Dein "Häschen in der Grube" finde ich sehr gelungen.

Liebe Grüße
Enni

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.11.20:
Grazie, Enni, ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Fabeln können hervorragende Anlässe für gesellschaftskritisches und kreatives Gestalten auch fortgeschrittener älterer Schreiber sein.
Liebe Grüße
Ekki
Sätzer (77)
(19.11.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.11.20:
Merci, bedenke bitte Uwe, dass das Direkte mit dem Trumpismus Konjunktur hat.
LG
Ekki
Al-Badri_Sigrun (61)
(19.11.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.11.20:
Vielen Dank, Sigi. Ich glaubte schon, dass diesmal keiner meinen Humor teilt.
Herzliche Grüße
Ekki

 AchterZwerg (20.11.20)
Das ist wirklich hübsch (ähnlich veraltet wie "fabelhaft"),
lieber Ekki,

und gefällt mir ganz besonders deshalb, weil hier die mittelbergsche Eitelkeit recht ungeniert hervorschimmert. Eine Eitelkeit, die wohl uns Schreibenden eigen ist.
Ansonsten bestichst du durch die Verschachtelung und geschickte Einbettung der Fabeln.

Äscht nätt!
Lilith

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.11.20:
Merci Venena, da habe ich aber Glück gehabt, dass du dich in die Eitelkeit mit einbeziehst
Übrigens gibt es tödliche Komplimente, dazu gehört nätt, nä.
Verbindliche Grüße
Ekki

 AvaLiam (26.11.20)
Oh man Ekki...

...was soll man da noch großartig schreiben, auf diese großartigen Zeilen und Gedanken, die so groß und artig beschreiben und bezeichnen, dass Fabeln auch heute - nein, GERADE heute wichtig sind?

Du hast es selbst schon erwähnt.

FABELHAFT

Genauso find ich den Grund und die Zeilen selbst.


Fabelfrohe Grüße - Andrea

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.11.20:
herzlichen Dank, Andrea, wie immer findest du die passenden Worte für meine Werkchen.
Fabelfeine Grüße zurück
Ekki
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