Wie ein "Schwätzer" den Athenern die christliche Botschaft verkündete

Essay zum Thema Religion

von  Bluebird


Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, da er die Stadt voller Götzenbilder sah.
Für Paulus, den vormals gesetzestreuen Juden und nun unterwegs als christlicher Missionar, gab es nur einen wahren Gott: Jahwe, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
    Andere Götterkulte waren für ihn teuflischer Natur und erregten seinen heiligen Zorn, wie man übrigens auch an anderer Stelle noch sehen kann.  Als jemand, der selber mal in eine spiritistische Falle getappt ist, kann ich diesen Zorn auf alles Dämonische durchaus ein Stückweit nachvollziehen.
 
Er  hätte ja nun schweigend und grollend auf das Eintreffen seiner mitreisenden Glaubensbrüder warten können, aber er wählte einen anderen Weg:

Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden. Einige Philosophen aber, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. Und einige von ihnen sprachen: Was will uns dieser Schwätzer sagen?

Die Reaktion der Einheimischen, insbesondere der Philosophen, war natürlich verständlich. Da kommt ein Fremder daher, erzählt seltsame schwer verständliche Dinge und tut so, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegessen hätte.
  Für so etwas wird und wurde man in  weniger zivilisierten Gebieten durchaus auch einmal richtig verhauen und dann mit einem Fußtritt aus der Stadt befördert. Vielleicht noch mit einer kleinen Warnung versehen: Lass dich hier nie wieder blicken, damit dir nicht Schlimmeres widerfährt.
    Aber sie beschlossen, ihm eine Chance zu geben:

Sie nahmen ihn aber mit und führten ihn auf den Areopag und sprachen: "Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst?"
  Frei nach dem Motto: Erzähl erst einmal in Ruhe, danach können wir dich ja  gegebenenfalls immer noch verhauen!

Paulus schien sich der Bedrohlichkeit seiner Lage durchaus bewusst gewesen zu sein. Denn er beschwichtigte erst einmal mit einer geschickten, leicht anbiedernden Einleitung:

Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt.
  Um aber dann doch zügig zur Sache zu kommen:
Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott.
    Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.
    Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt.

Wenn es wirklich so gewesen sein sollte, war das eine äußerst geschickte Hinleitung zum biblischen Gott. Bis hierher dürfte seine Rede für die geneigte Athenerohren durchaus  gefällig und akzeptabel gewesen sein.
  Aber nun gab er Butter bei die Fische:

Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun.
    Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er richten will den Erdkreis mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.
Im Klartext: Der wahre Gott sieht großzügig über eure Anbetung eurer falschen Götter hinweg, wenn ihr euch zu dem auferstandenen Jesus bekehrt!
  Also dafür hätte es durchaus Haue geben können, aber es ging glimpflicher ab:

Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: "Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören.".
Eine mutige Aktion des Paulus, die nicht ohne Wirkung blieb:  .
Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.
Gedankenimpuls:
Diese radikale Botschaft des Paulus, die sich ja klar von anderen Göttern und Religionen absetzt, ist natürlich für jeden Andersgläubigen eine Provokation. Aber muss es nicht notwendigerweise so sein, wenn man nicht ein Verräter des eigenen Glaubens werden möchte?

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (06.05.21)
Aber muss es nicht notwendigerweise so sein, wenn man nicht ein Verräter des eigenen Glaubens werden möchte?
Zusatz: ... des eigenen Glaubens, der keine andere Wahrheit zuläßt.

Fällst Du damit nicht hinter den Stand der Ringparabel des Boccaccio zurück, die später Lessing in sein Drama "Nathan der Weise" übernommen hat?

Gibt es bei Dir keinerlei Zweifel, daß Du Dich irren könntest und daß auch Andersgläubige etwas von der Wahrheit begriffen haben könnten?
Die Wahrheit soll gesagt werden; man muß sie zuvor nur kennen und sicher sein, daß man sie kennt. Da reicht keine subjektive Überzeugung.
Wer auch als Gläubiger hier eine gewisse Zurückhaltung wahrt, ist kein 'Verräter', sondern vernünftig.

Schon wie umstandslos Paulus die Götter der Griechen mit Götzen und Du sie mit Dämonen gleichsetzt, läßt uns im Ansatz verstehen, warum 'das kurze Jahrhundert der Toleranz' vom Toleranzedikt Kaiser Konstantins bis zum Verbot heidnischer Religionen durch Kaiser Theodosius eine so bedauerlich kurze Episode in der europäischen Geschichte geblieben ist, abgelöst durch eine weit länger dauernde Epoche der Säuberungen von Heiden, Ketzern, Häretikern usw. zugunsten der 'einen Wahrheit'.

 Graeculus meinte dazu am 06.05.21:
Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, da er die Stadt voller Götzenbilder sah.
Sobald solche Menschen die Macht haben, werden die Götterbilder zerstört, die Tempel dem Erdboden gleichgemacht und ihre hartnäckigen Anhänger dem Henker übergeben.

Der Gott der Nächsten- und Feindesliebe, sofern es ihn gibt, möge uns bewahren vor solchen Paulussen, die in seinem Namen Haß verbreiten.
Dieter Wal (58) antwortete darauf am 06.05.21:
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Dieter Wal (58) schrieb daraufhin am 06.05.21:
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 Bluebird äußerte darauf am 06.05.21:
@Graeculus

Christlicher Glaube ist eben nicht nur ein intellektuelles Fürwahrhalten von biblischen Dingen, sondern eine existentielle Festlegung, ohne Wenn und Aber. Es erfasst das ganze Sein!
Halbherzig "funktioniert" das auch nicht! Ganz oder gar nicht!

Gleichwohl ist est es aber schon so, dass ich inzwischen auch in der Lage bin, etwas "philosophischer" über meinen Glauben nachzudenken.
Und da ist natürlich klar, dass es objektiv gesehen immer die Möglichkeit eines grundlegenden Irrtums gibt. Eine subjektive Gewissheit eben keine objektiv bewiesene Tatsache sein muss.
Was ich allerdings ausschließen kann, wäre eine natürliche Erklärbarkeit der im Glauben geschehenden Dinge. Da wird in offensichtlichster Weise gelenkt und gesteuert.
Allerdings könnte das - theoretisch denkbar -natürlich auch durch jemand anderen geschehen als den biblichen Gott ... ich also böswillig getäuscht werden.

Auch wäre natürlich denkbar, dass der Glaube quasi unabhängig von konkreten Inhalten funktioniert. Man agiert spirituell richtig und wird entsprechend belohnt, egal ob man Hindu, Christ oder Moslem ist. Denkbar wäre das!
Persönlich glaube ich das aber nicht. Ich sehe vielfach eine klare anekdotische Evidenz für das Wirken dämonischer Kräfte beispielsweise im tibetischen Buddhismus oder im Hinduismus, im Schamanismus oder im Okkultismus, aber auch teilweise in der der katholischen Mystik.
Sicher gibt es da noch viele offene Fragen, aber ein ernsthafter Zweifel an der alleinselig machenden Wahrheit des christlichen Glaubens ist da bei mir bislang nicht geschehen.
Eher im Gegenteil! Mein Glaube scheint mir tiefer und fundierter geworden zu sein im Laufe der Jahre.

Antwort geändert am 06.05.2021 um 20:03 Uhr
Dieter Wal (58) ergänzte dazu am 09.05.21:
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 Graeculus meinte dazu am 09.05.21:
κατείδωλον ist klar ... und abwertend.
elil, das wußte ich nicht.

Daß es auch unter Christen tolerante Menschen gibt, die den Glauben anderer nicht abwerten, ist so. Aber bei Bluebird taucht der Begriff "Toleranz", soweit ich sehe, gar nicht auf, und zum Motiv der Ringparabel hat er sich nicht geäußert.
Dieter Wal (58) meinte dazu am 09.05.21:
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Dieter Wal (58) meinte dazu am 09.05.21:
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Dieter Wal (58)
(06.05.21)
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Dieter Wal (58) meinte dazu am 06.05.21:
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Dieter Wal (58)
(06.05.21)
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 DanceWith1Life (06.05.21)
Der ursprüngliche Kommentar wurde am 07.05.2021 um 07:41 Uhr wieder zurückgezogen.
Dieter Wal (58)
(08.05.21)
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