Das Ringen um die rechte Lehre

Essay zum Thema Religion

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Hieß es noch am Anfang über die Jerusalemer Gemeinde: „Und sie waren ein  Herz und eine Seele ...“ begann schon recht bald in der Christenheit das Ringen um die rechte Lehre.
 
Im 1. Jahrhundert ging es um die Frage, wie jüdisch die christliche Gemeinschaften sein sollten. Also welche Geltung die Gesetze des Mose auch jetzt im durch Jesus gewirkten Neuen Bund haben sollten. Insbesondere Paulus hatte eine solche Geltung vehement in Abrede gestellt, Petrus und andere Apostel sahen dies aber wohl durchaus etwas enger.
  Im 2. und 3. Jahrhundert gab es dann einen heftigen Streit mit der hellenistischen Gnosis, die in den Gemeinden Einzug hielt. Auf einmal ging es um einen grundsätzlichen Streit zwischen Gut und Böse, Geist und Materie. Um die verhängnisvolle Wirkung der bösen Materie zu reduzieren, lebten fortan viele recht asketisch.
  Dann im 4. und 5. Jahrhundert ging es um die Wesenheit Jesu: Wahrer Gott oder nur Mensch, oder wahrer Gott und wahrer Mensch … oder vielleicht doch noch etwas ganz Anderes?

So wichtig natürlich das Ringen um die rechte Lehre und das Abweisen von Irrlehren  ist, in Fachkreisen wird es auch Apologetik genannt, so besteht eben doch die Gefahr die Dinge zu kompliziert werden zu lassen und das Wesentliche dabei aus den Augen zu verlieren.
    Biblisch gesehen ist Jesus im Himmel gottgleich gewesen, hat auf Gottes Geheiß hin den Himmel verlassen, um uns zu erlösen. Dann ist er wieder in den Himmel aufgefahren, hat sich zur Rechten Gottes gesetzt und lenkt hier nun die Geschicke der Menschen auf Erden. Und wer Jesu Namen anruft, der soll errettet werden!
  Das ist im Grunde genommen die Kernbotschaft der Bibel, und bei aller Ausdifferenzierung sollte die immer klar erkennbar bleiben. Sowohl innen als auch nach außen.

Vielleicht noch eine kleine Anekdote am Rande. Bei mir im Hause wohnte einmal ein gnostischer Christ, der es mit der Askese sehr Ernst nahm. Er ernährte sich nur von Brot und Honig, fastete und betete viel um seine Vergeistigung voranzutreiben.
    Schließlich fand ihn unser gemeinsamer Vermieter völlig apathisch in seinem Bett liegen und er wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
      Ein ziemlich drastisches Beispiel, wozu religiöse Irrlehren führen können.  Ich traf in später noch einmal, da wirkte er erholter und normaler. Aber gelöst hatte er sich damals (leider) noch nicht von der gnostischen Lehre. Was dann danach aus ihm geworden ist, weiß ich nicht.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Regina (02.06.20)
Man kann vermutlich alles übertreiben, auch Gnosis. Aber dass man Andersgläubige nackt aus der Stadt jagt und verbrennt, das gehört wohl nicht zum Ringen um die Wahrheit.
Die Existenz der vielen Abspaltungen und Sekten im Christentum ist übrigens ein Kritikpunkt, den der Prophet Mohamed als Schwachpunkt erwähnt. Demgegenüber steht die Umma, die Einheit der Muslime. Wer sich abspaltet, kriegt Dschihad. Meine Lieblingsreligion: Katharismus. Stört mich nicht, dass dir das nicht gefällt.

"Und wär er tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in deiner Seel, du bliebst noch ewiglich verloren." Angelus Silesius

 Bluebird meinte dazu am 02.06.20:
Angelus Silensius war jetzt aber kein Katharer! Aber ein schöner und - aus meiner Sicht - sehr wahrer Merkspruch

Katharismus ...
"die Welt ist des Teufels Werk, des Teufels Werk ist auch die Verbannung reiner Seelen in irdische Körper; durch Erleuchtung im katharischen Glauben erwacht in der Menschenseele die Erinnerung an die himmlische Herkunft,

sie trachtet nach der Befreiung von der Welt und nach der Rückkehr ins himmlische Jenseits; die in den irdischen Leib verbannte Engelsseele kann jedoch erst heimkehren, wenn der Mensch durch Weltentsagung und Sittlichkeit zum katharischen "Vollendeten" geworden ist;

bis dahin hat sie eine Folge von Leben in unterschiedlicher, auch tierlicher Gestalt zu durchlaufen. Christus war – katharischem Glauben zufolge – nicht Gottes Sohn, sondern ein Engel, der als Erwecker und Lehrer ausschließlich zur Erlösung der Engelsseelen, also der Katharer, auf die Erde gesandt worden war.(Wikipedia)
Klingt schon etwas gnostisch, bzw. buddhistisch, oder?

Antwort geändert am 02.06.2020 um 11:53 Uhr

 Regina antwortete darauf am 02.06.20:
"Mein Reich ist nicht von dieser Welt"- sie ist flüchtig. Erlöst ist die Seele erst nach der Wiedergeburt aus Wasser und Geist. Zum Buddhism. habe ich keine Berührungsängste. in der Tat fand man Paraallelen zum kathar. Glauben, aber keine reale Verbindung. Ein Gott der es uns hier bequem einrichtet, ist kein Erlöser nach Dualist. Auffassung.

 Graeculus schrieb daraufhin am 02.06.20:
Die Wiedergeburtslehre ist zunächst hinduistisch, nicht buddhistisch. Der Buddha in der ältesten faßbaren Form, dem Pali-Kanon, hat sich dazu in der Vierfachen Großen Verneinung geäußert, d.h. sie - salopp gesagt - für nicht essentiell erklärt; er befaßt sich nicht damit.
Im späteren Buddhismus, dem Mahayana oder gar dem Vajrayana, sieht das anders aus.

Der Gnosis steht auf indischer Seite der Jainismus sehr viel näher als der Buddhismus, vor allem in Hinblick auf die asketische Grundeinstellung.

 Bluebird äußerte darauf am 02.06.20:
Ja, da habe ich wohl etwas durcheinandergebracht ... hinduistisch hätte wohl besser gepasst:  hier

 Regina ergänzte dazu am 02.06.20:
Reinkarnation und Wiedergeburt, zwei verschiedene Vorgänge, beides katharisch wie asiatisch, manichäisch, bogumilisch. Der Katharismus ist vermutl. eine ältere Religion, die sich mit d. Christentum verbunden hat.

Antwort geändert am 02.06.2020 um 16:14 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 02.06.20:
Reinkarnation, Wiedergeburt, Seelenwanderung, Palingenese - wie sortierst Du das?

 LotharAtzert meinte dazu am 02.06.20:
Mil. 3.2.5. Wiedergeburt ohne Seelenwanderung - 2.5.5. Asaṅkamanapaṭisandahanapañho

Der König sprach: "Vollzieht sich wohl, ehrwürdiger Nāgasena, die Wiedergeburt ohne eine Seelenwanderung?" (Wörtl.: "geht man nicht hinüber und wird (doch) wiedergeboren")
"Gewiß, o König."
"Wieso aber, o Herr, kann es Wiedergeburt geben ohne eine Seelenwanderung? Erkläre mir dies."
"Wenn zum Beispiel, o König, ein Mann eine Lampe an einer anderen Lampe anzündet, würde da wohl das Licht der einen Lampe zur anderen Lampe hinüberwandern?"
"Nicht doch, o Herr."
"Ebenso auch, o König, wird man wiedergeboren, ohne daß dabei irgend etwas hinüberwandert."

"Gib mir ein weiteres Gleichnis!"
"Erinnerst du dich vielleicht, o König, daß du als Knabe von deinem Lehrer irgend ein Gedicht gelernt hast?"
"Gewiß, o Herr."
"Wie nun aber, o König: ist etwa jenes Gedicht von deinem Lehrer (während er es rezitierte) zu dir hinübergewandert?"
"Nicht doch, o Herr."
"Ebenso auch, o König, wird man wiedergeboren, ohne daß dabei irgend etwas hinüberwandert."
"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 Bluebird meinte dazu am 02.06.20:
Deine "Lampe" kann aber nur Einer anzünden, Lothar! So jedenfalls sehe i c h das!

Außerdem wäre die Quellenangabe "Wikipedia" auch nicht ganz falsch, nur der Form halber ... :)

Antwort geändert am 02.06.2020 um 18:14 Uhr

 Regina meinte dazu am 02.06.20:
Reinkarnation bedeutet eine ständig sich wiederholende Einkörperung, um selbst verursachte karmische Last wieder abzuleben (in einem 800- Jahre- Zyklus oder kürzer.
Einmal ist diee Seele dieser wiederholten Erdenleben müde und erlangt an der Hand eines Meisters die Befreiung vom magnetischen Zwang, das Rad der Inkarnationen instandzuhalten. Nach Christl.-esoter. Vorstellung ist sie dann aus Wasser und Geist, also ohne schicksalhafte Bindungen, kann aber freiwillig einen Körper annehmen, um anderen zu helfen.
Seelenwanderung scheint nur ein vorübergehendes Austreten aus dem Körper zu sein.
Paligenese ist mir ganz neu. Hier scheint die Vorstellung zu bestehen, daass Einzelne, Ethnien oder Kulturen die gemeinsame Höherentwicklung der Menschheit verwirkt haben und entfernt werden müssen. Das führt dann zur Rechtfertigung von Pogromen. (Himmler/Hitler: schwarze Magie).

 loslosch (02.06.20)
und dann erst das ringen um den bedeutungsgehalt der worte bei der spendung der kommunion: hoc est (enim) corpus (meum) ...

est = ist oder est = bedeutet? ganze konzile haben sich die köpfe darüber zerbrochen.

 Bluebird meinte dazu am 02.06.20:
Ja, der sogenannte Abendmahlstreit:  hier
Persönlich denke ich, dass es reicht mit gläubigem Herzen und gutem Gewissen am Abendmahl teilzunehmen ... es dient der Vergewisserung und Stärkung des Glaubens .. und das man theologische Lehrmeinungen und Überzeugungen doch da außen vor lassen sollte

 Regina meinte dazu am 02.06.20:
So ähnlich denke ich auch, dass des nicht so ganz wichtig ist, bei welcher Sekte man ist, sondern die Lebenseinstellung. Aber die Katharer, über die wir hier diskutieren, hatten weder Taufe noch Hochzeit noch Abendmahl. Wichtig war das Sterbesakrament, das Consolamentum, Initiation und Fasten für die Priester.

Antwort geändert am 02.06.2020 um 21:42 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 02.06.20:
Ich denke, dass ich bald mal einen Artikel über die Kartharer verfassen werde, passt ja auch zeitlich in die Serie ... an ihrer Ernsthaftigkeit ist kaum zu zweifeln, aber ich vermisse ihre Bejahung der eigentlichen christlichen Botschaft ... aber mal sehen!

Antwort geändert am 02.06.2020 um 21:55 Uhr
Aha (53) meinte dazu am 02.06.20:
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