Kaffeeweißer

Kurzgeschichte zum Thema Arbeit und Beruf

von  RainerMScholz

Alles war in Weiß, die Wände, das dürftige Plastikmobiliar, der Boden, weißes PVC, weiße Kacheln um einen Wasserspender, vor dem ein weißer Mülleimer stand, in dem verbrauchte weiße Pappbecher lagen. Thomas saß mit anderen Bewerbern in diesem klinischen Raum und wartete. Alle waren in ihre mitgebrachten Unterlagen vertieft, Thomas sah aus dem Fenster in einen Himmel mit weißen Wolken wie Wattebäuche. Dann war er an der Reihe, eine knarrende Lautsprecherstimme rief ihn zu der Tür, durch die er auch eingetreten war. Er stand auf und drückte die Klinke. Thomas schloss die Tür leise, stand auf einem langen neonlichtigen Flur und blickte in beide Richtungen. Am Ende des Flures winkte jemand. Er ging auf die Person und die geöffnete Tür zu. Erstaunt fielen ihm die grellbunten Bilder an den engen Wänden in scheinbar genau abgemessenen Abständen auf, abstrakte Kunst wohl, Farbkleckse und -spritzer aus rot, grün und blau, ein gelbes Ornament, das eine Sonnenblume darstellen könnte oder etwas anderes. Der Mann im grauen Anzug begrüßte ihn jovial lächelnd, sie gaben sich die Hände.
„Thomas, äh, Meier, nicht wahr?“
„Ja, ich komme wegen...“
„Ich weiß schon, treten Sie doch ein. Herr Meier, oder darf ich Thomas sagen.“
„Aber gerne, Herr...“
„Loderer, mein Name. So, setzen wir uns doch.“
Sie begaben sich zu einem für diesen Vorgang drapierten Arrangement.
„So, kommen wir gleich zum Punkt. Sie haben ja die Menge an Bewerbern bemerkt.“
Thomas lächelte. Herr Loderer spulte seinen Vortrag über die Firma, deren Ambitionen auf dem Weltmarkt und was sie so machten ab. Thomas lächelte. Herr Loderer klappte seine Bewerbungsmappe zu und schob sie zur Seite. Sein Gesicht wurde irgendwie wächsern und das maskenhaft Freundliche erstarrte zu etwas Wölfischem.
„Wie sollen wir da eine Auswahl treffen, wie selektieren? Sie sehen, alle sind begabt, jeder ist berufen, motiviert, fokussiert und so weiter. Also, Thomas, wie soll das gehen.“
Unbeholfen versuchte Thomas sein Lächeln aufrecht zu erhalten, merkte aber schnell, dass er sich der Maskenhaftigkeit Herrn Loderers anzugleichen begann.
„Sehen Sie, ich habe es ja auch nicht leicht, die Frau, die Kinder, das Häuschen im Grünen – das kotzt mich alles an, um ehrlich zu sein.“
Thomas schluckte und starrte auf Herrn Loderers Lippen. Er züngelte Speichel an den Winkeln.
„Der Grund, weshalb ich das alles hier mache, ist dieser unglaublichen Monotonie zu entgehen. Und da bin ich hier genau richtig, wissen Sie.“
Er stand auf und öffnete seine Hose, nahm seinen Penis heraus und sah Thomas in die Augen.
„Also, Thomas, was wären Sie bereit zu tun, um hier anfangen zu dürfen. Würden Sie da bitte etwas konkreter werden.“
Herr Loderers Penis war bläulich und verschrumpelt, mit den Fingern zog er die Vorhaut zurück.
„Nun, mein lieber Herr Thomas Meier, wie sieht ihr Engagement aus.“
Thomas beugte sich nach vorne und küsste die Eichel. Nur kurz. Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken.
„Na, etwas mehr Enthusiasmus müssten Sie schon an den Tag legen, nicht wahr.“
Thomas küsste ihn noch einmal. Jetzt nahm er die Hand dazu. Dann verschwand die Eichel ganz in seinem Mund. Es schmeckte muffig und ein wenig salzig. Thomas´ Mund machte schmatzende Geräusche. Der Penis wurde steifer. Halb steif. Und dann hatte er auch schon Herrn Loderers Ejakulat im Mund und spuckte es auf die weißen Kacheln. Herr Loderer schloss die Hose und nahm wieder Platz. Thomas nahm wieder Platz. Mit einem Kosmetiktuch aus der Schachtel auf dem Glastisch wischte er sich die Lippen.
„Lassen Sie nur. Den Rest macht das Fräulein Kosslowski.“
Er deutete auf die Flecken am Boden.
„Die nimmt das für den Kaffee.“
Herr Loderer lachte.
Thomas lachte.
„Wir rufen Sie dann an.“


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 minimum (05.06.21)
Ich wollte es wirklich nicht, aber ich musste lachen

 RainerMScholz meinte dazu am 05.06.21:
Man braucht einfach etwas zum Tagversüßen.
Gruß + Dank,
R.

 harzgebirgler (05.06.21)
mich deucht zwar mein schwein hat gepfiffen
doch aus dem leben ist's gegriffen.

gruß
h.

PS
klaus kinski soll mal seinerzeit sinngemäß über helmut berger gesagt haben: "ich muß nicht meinen arsch hinhalten, um eine filmrolle zu kriegen!"

 RainerMScholz antwortete darauf am 07.06.21:
Ist die Couch erst vollgeseicht,
hat`s auch für den Job gereicht.
Gruß + Dank,
R.
Sin (56)
(05.06.21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 RainerMScholz schrieb daraufhin am 07.06.21:
Welcher Job?
Gruß + Dank,
R.

 LotharAtzert (05.06.21)
Bravo! Da gibt es selbst für den Bock nix zu meckern!

 RainerMScholz äußerte darauf am 07.06.21:
Homeoffice macht einsam.
Gruß + Dank,
R.

 Dieter_Rotmund (05.06.21)
War ja klar, dass es irgendwann eklig wird. Gibt es eigentlich Texte von dir, die nicht eklig sind oder enden? Für einen Hinweis wäre ich dankbar.
Dennoch gerne gelesen, handwerklich ist der Text auf einem hohen Niveau.

 TassoTuwas (05.06.21)
Das der Kampf um einen guten Job kein Zuckerlecken ist weiß doch jeder. Interessant ist doch nur die Frage, wie viele Kandidaten schafft denn der Loderer tagtäglich?

TT

 RainerMScholz ergänzte dazu am 07.06.21:
Die Frage habe ich mir auch gestellt. Aber dann unter den Tisch fallen lassen.
Grüße,
R.

 mannemvorne (05.06.21)
.
.
’ne Geschichte wie wenn jemand das Fenster aufjemacht hädde
und früsche Luft herein we’weht!

_________________________ _dschohrdscho_

igg Krüße!
mv
.

 RainerMScholz meinte dazu am 07.06.21:
Vorsicht mit fremden Fenstern. Wer weiß, was da `runterpladdert.
Gruß + Dank,
R.

 AchterZwerg (06.06.21)
Igittene Klasse!
Und auf die Spitze getriebenes Elend.

Respekt!

 RainerMScholz meinte dazu am 07.06.21:
Bewerbungsmappen sind überbewertet, heute sind das eher kleine Filmchen, die der Phantasie auf dem Angestelltenstrich freien Pornolauf lassen. Die lustigsten und obszönsten kursieren oberhalb der gläsernen Decke.
Im 48.millionsten Stock der frankfurter Commerzbank gibt es eine Pissoirabteilung, die freien Blick und Lauf auf "die da unten" hat.
Gruß + Dank,
R.

 BeBa (04.07.21)
Die letzten Zeilen sind einfach nur gut. Die davor aber auch.

LG
BeBa

 RainerMScholz meinte dazu am 07.07.21:
Ich danke.
Grüße,
R.
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