Epochentypische Gedichte. Goethes Mailied als farbiger Abglanz einer besseren Welt?
Interpretation zum Thema Betrachtung
von EkkehartMittelberg
Kommentare zu diesem Text
Terminator (41)
(02.07.21)
(02.07.21)
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Merci, du hast recht, dass Adorno zu früh dran ist, weil die industrielle Revolution in Deutschland noch nicht begonnen hat. Aber Gedichte, deren Form immer wieder heruntergebetet wird, als befänden sie sich gesellschaftlich im luftleeren Raum, nicht nur werkimmanent, sondern auch soziologisch zu interpretieren, ist den Fehler der Verfrühung wert.
das frühlingshafte menschliche empfinden
wird durch naturgewalt allmählich schwinden.
lg
henning
"Jetzt aber tagts! Ich harrt und sah es kommen,
Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.
Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten
Und über die Götter des Abends und Orients ist,
Die Natur ist jetzt mit Waffenklang erwacht,
Und hoch vom Äther bis zum Abgrund nieder
Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,
Fühlt neu die Begeisterung sich,
Die Allerschaffende, wieder."
(Hölderlin, Wie wenn am Feiertage... [1800])
wird durch naturgewalt allmählich schwinden.
lg
henning
"Jetzt aber tagts! Ich harrt und sah es kommen,
Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.
Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten
Und über die Götter des Abends und Orients ist,
Die Natur ist jetzt mit Waffenklang erwacht,
Und hoch vom Äther bis zum Abgrund nieder
Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,
Fühlt neu die Begeisterung sich,
Die Allerschaffende, wieder."
(Hölderlin, Wie wenn am Feiertage... [1800])
Gracias, Henning, Hölderlin zu hören, ist immer wieder ein Fest für die Sinne.
Aber wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen, dass Naturgedichte allenfalls ein farbiger Abglanz einer besseren Welt sein können.
Beste Grüße
Ekki
Aber wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen, dass Naturgedichte allenfalls ein farbiger Abglanz einer besseren Welt sein können.
Beste Grüße
Ekki
wunderschön auch in der gesungenen Beethoven-Vertonung!
Vielen Dank, Regina,
kein Wunder, dass Wunderschönes herauskommt, wenn sich ein Genie des anderen annimmt.
Liebe Grüße
Ekki
kein Wunder, dass Wunderschönes herauskommt, wenn sich ein Genie des anderen annimmt.
Liebe Grüße
Ekki
Was Du am Ende schreibst, kann ich nur voll unterschreiben. Habe mich ruhig und gefasst durch Deinen Text gearbeitet. Sehr lesenswert. LG
Vielen Dank dafür Armin, dass du dir Zeit für diesen nicht ganz einfachen Text genommen hast.
LG
Ekki
LG
Ekki
"Durch Wörter und Beschreibungen wie „herrlich leuchtet“ (V. 1), „glänzt“ (V. 2), „golden-schön“ (V. 14) und „Himmelsduft“ (V. 28) wird eine positive, warme und fröhliche Stimmung erzeugt. Die für Goethe so typischen Ausrufe „O Erd‘! O Sonne! O Glück! O Lust! O Lieb‘! O Liebe!“ (V. 11-13) vermitteln eine gewisse Ausgelassenheit, die dem lyrischen Ich die Worte zu rauben scheint. Die wenigen Wörter vermitteln die starken Glücksgefühle des lyrischen Ichs. Die drei Verse kann man außerdem als Klimax verstehen. Dies zeigt die Verbindung von Natur und Liebe, mit der im ganzen Gedicht gespielt wird."
Aus: Kultürlich
Die Verbindung von Liebe und Natur ist so neu nicht, lieber Ekki. - Bekanntlich war dem jungen Goethe (er schrieb dieses Gedicht ja als Jurastudent) "fortschrittliches" Denken durchaus nicht fremd.
Da die Industrialisierung zu jener Zeit jedoch noch nicht sonderlich weit vorangeschritten war, handelte es sich aus meiner Sicht eher um den Wunsch der Erweiterung individueller zur allgemeinen Menschenliebe:
"Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!"
Herzliche Grüße
Piccola
Aus: Kultürlich
Die Verbindung von Liebe und Natur ist so neu nicht, lieber Ekki. - Bekanntlich war dem jungen Goethe (er schrieb dieses Gedicht ja als Jurastudent) "fortschrittliches" Denken durchaus nicht fremd.
Da die Industrialisierung zu jener Zeit jedoch noch nicht sonderlich weit vorangeschritten war, handelte es sich aus meiner Sicht eher um den Wunsch der Erweiterung individueller zur allgemeinen Menschenliebe:
"Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!"
Herzliche Grüße
Piccola
Grazie, Piccola, ich schließe mich deiner Deutung gerne an. Mir geht es hier freilich primär um die soziologische Deutung Adornos.
Ich habe leider nach Terminators berechtigtem Einwurf, dass Goethe 1771 mit den Folgen der industriellen Revolution noch nicht konfrontiert war, zu früh eingelenkt. Es kommt mehr darauf an, unter welchen Einflüssen wir Goethes Gedicht heute lesen als unter welchen Bedingungen er es damals geschrieben hat. Und heute schieben sich die Folgen der Industrialisierung vor den ungebrochenen Naturgenuss. Mit Blick auf die heutige Rezeption hat Adorno recht, dass das Mailied als farbiger Abglanz aus einer besseren Welt erscheint.
Ich habe leider nach Terminators berechtigtem Einwurf, dass Goethe 1771 mit den Folgen der industriellen Revolution noch nicht konfrontiert war, zu früh eingelenkt. Es kommt mehr darauf an, unter welchen Einflüssen wir Goethes Gedicht heute lesen als unter welchen Bedingungen er es damals geschrieben hat. Und heute schieben sich die Folgen der Industrialisierung vor den ungebrochenen Naturgenuss. Mit Blick auf die heutige Rezeption hat Adorno recht, dass das Mailied als farbiger Abglanz aus einer besseren Welt erscheint.
Seinerzeit handelte es sich eben nicht darum.
Aus meiner Sicht ging es damals eher um die sog. "bearbeitete Natur", die sich zwar den romantizistischen Gefühlen des jungen Goethe in den Weg stellte, sonst aber gern gelitten war (Beispiel: Weinanbau). - Heute wird auch diese Billigung zuweilen infrage gestellt.
Ganz anders ergeht es mir mit deinem Geburtstag, zu dem ich dir gern und von Herzen gratuliere.
Einen schönen Tag wünscht
Piccola
Aus meiner Sicht ging es damals eher um die sog. "bearbeitete Natur", die sich zwar den romantizistischen Gefühlen des jungen Goethe in den Weg stellte, sonst aber gern gelitten war (Beispiel: Weinanbau). - Heute wird auch diese Billigung zuweilen infrage gestellt.
Ganz anders ergeht es mir mit deinem Geburtstag, zu dem ich dir gern und von Herzen gratuliere.
Einen schönen Tag wünscht
Piccola
Hallo Piccola,
wahrscheinlich hast du recht, dass der junge Goethe von 1771 selbst die bearbeitete Natur als störend empfand.
Vielen Dank für deine Glückwünsche.
Liebe Grüße
Ekki
wahrscheinlich hast du recht, dass der junge Goethe von 1771 selbst die bearbeitete Natur als störend empfand.
Vielen Dank für deine Glückwünsche.
Liebe Grüße
Ekki
Grüße Dich, Ekki, anregend und herausfordernd der Ansatz. Ich denke, deine These könnte sich der Antithese stellen: Das was hier scheint, muss kein Trugbild sein. Kaum irgendwo wird ein natürliches, präreflexives Leitmotiv des menschlich-animalischen Bewusstseinsc so intensiv abgerufen und lebendig wie im Verliebtsein mit all seinen Facetten.
Ob hier die Industrialisierung erhebliche Dämpfungen zeitigt, ist zu fragen. Der Enthusiasmus des Liebens und seine gewisse Widerständigkeit in gesellschaftlichen Normen dürfte sich bei aller Libertinage der Neuzeit perennieren.
Die Neuen Leiden des jungen Werther von Plenzdorf sind mir in Erinnerung. Die Positionierung der Mädchenstrophe im Mailied (5-4), scheint mir ebenfalls aufschlussreich. Genauso wie der Osterspaziergang samt den Bauern unter der Linde im Faust .
Ob hier die Industrialisierung erhebliche Dämpfungen zeitigt, ist zu fragen. Der Enthusiasmus des Liebens und seine gewisse Widerständigkeit in gesellschaftlichen Normen dürfte sich bei aller Libertinage der Neuzeit perennieren.
Die Neuen Leiden des jungen Werther von Plenzdorf sind mir in Erinnerung. Die Positionierung der Mädchenstrophe im Mailied (5-4), scheint mir ebenfalls aufschlussreich. Genauso wie der Osterspaziergang samt den Bauern unter der Linde im Faust .
Kommentar geändert am 03.07.2021 um 20:51 Uhr
Hallo Willibald
du hältst das These-Antithese-Spiel sehr geschickt aufrecht. Ich denke, wir können uns darauf verständigen, dass das, was hier scheint, kein Trugbild sein muss. Merci und LG
Ekki
du hältst das These-Antithese-Spiel sehr geschickt aufrecht. Ich denke, wir können uns darauf verständigen, dass das, was hier scheint, kein Trugbild sein muss. Merci und LG
Ekki