Glanz und Elend eines Literaten

Sonett zum Thema Stärke/Schwäche

von  EkkehartMittelberg

Frischer Wind weht durch die Adenauer-Jahre,
„Trilogie des Scheiterns“ in dumpfer Republik
provoziert das Feuilleton zu lobender Kritik.
Ein Genie im „Treibhaus“ spielte virtuos Fanfare.

Du folgtest kreativ Romanen der Moderne,
Ströme des Bewusstseins, tragische Figuren
scheitern, aber sprachlich umgestellte Uhren,
du zeigst stilistisch variable Sterne.

Du versprachst der Fachwelt weitere Romane,
doch sie existierten nur in deiner Fantasie,
Fragmente zu verbinden gelang dir Träumer nie.

Unbeirrt blieb dein Verleger bei der Fahne.
Du kämpftest, suchtest nach der alten Stärke,
ungeahnter Nachlass zeugt vom Streben nach dem Werke.





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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (17.09.24, 13:14)
Ecki, Du kannst das, dann kann ich das schon lange Besser. Das ist so der Tonus, der Gescheiterten.

lg Teichi

 Pfeiffer (17.09.24, 13:46)
Ach, Ekki, dein Sonett weist auf gelungene Weise darauf hin, was man doch unbedingt (noch mal...) lesen sollte. Reich-Ranicki lässt grüßen! Vor langer Zeit habe ich mich - auf Empfehlung -  an den Tauben im Gras versucht, aber zu dieser Art von Literatur damals keinen rechten Zugang gefunden. Das wäre heute vielleicht anders. Du gibst den Anstoß, es erneut zu versuchen. Danke!
Grüße von Fritz

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.09.24 um 16:04:
Merci, Fritz, Ja, Marcel Reich Ranicki hat sich durchweg positiv zu dem Werk Koeppens geäußert. Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem umfangreichen Aufsatz von Jürgen Klein: Marcel Reich Ranickis Koeppen:
"Wenn Reich-Ranicki auf das Werk Wolfgang Koeppens zu sprechen kommt, so werden vor allem dessen fünf Romane von ihm anvisiert und er besteht darauf, dass ihr Autor den jeweiligen Machthabern – sei es im NS-Staat, sei es in der BRD – nie Konzessionen gemacht habe. Koeppen konnte nach seinen beiden ersten Romanen seine literarische Karriere abschreiben, weil er sich nicht mit dem Hitler-Regime einlassen, geschweige diesem dienen wollte. Es kam zum Rückzug aus der Gegenwart des Nationalsozialismus, selbst wenn er sich nach 1938 beim Film unterstellte. Unzweideutig weist MRR darauf hin, dass Koeppens Nachkriegs-Trilogie, beginnend mit Tauben im Gras, die jungbundesrepublikanische Kritik und Leserschaft − etwa die NS-Sympathisanten Friedrich Sieburg und Hans Egon Holthusen − mit der Schreibtechnik der Moderne als auch mit der politik-, ideologie- und gesellschaftskritischen Perspektive schreckte. Solche „moderne“ Literatur huldigt weder einem „Wir sind wieder wer“-Gedanken, noch verfällt sie in die Weinerlichkeit der Trümmerliteratur. Sie fährt vielmehr beiden Haltungen in die Parade. Vielleicht könne man erst heute, schrieb MRR 1961, „die beklemmende Hellsicht dieses Romanes ermessen, in dem manche Abschnitte 1961 und nicht 1951 geschrieben zu sein scheinen.“ Marcel Reich-Ranickis Koeppen - Über eine Freundschaft : literaturkritik.de
MRR hält "Tauben im Gras" für das wichtigste Werk Koeppens und schreibt dazu: 
"Reich-Ranicki sagte 2006, Tauben im Gras sei Koeppens bedeutendstes Buch. An diesem Roman sei „nichts kolportagehaft, das ist große Literatur.“ Es sei „künstlerisch der beste deutsche Roman dieser Zeit und dieser Generation“. Allerdings sei das deutsche Publikum, nachdem es während der  Zeit des Nationalsozialismus von moderneren literarischen Strömungen wie  James Joyce oder  John Dos Passos abgeschnitten gewesen sei, 1951 noch nicht reif für den Roman gewesen, der „allzu avantgardistisch“ wirkte. Zudem fühlten sich lebende Personen von Koeppen porträtiert, obwohl dieser behauptete, sie gar nicht zu kennen. Laut Reich-Ranicki habe Koeppen in seinem Roman genau die Gefühle eingefangen, die viele Zeitgenossen betrafen: „diese Angst, dieses Leiden an der Nachkriegszeit. Er hatte sie offensichtlich genau getroffen. Ein großer Triumph für einen Schriftsteller.“ [23https://de.wikipedia.org/wiki/Tauben_im_Gras#
"

Antwort geändert am 17.09.2024 um 17:14 Uhr

Antwort geändert am 17.09.2024 um 17:23 Uhr

 Citronella (17.09.24, 13:52)
Ich wurde im letzten Jahr auf die „Tauben im Gras“ aufmerksam, als eine Ulmer Deutschlehrerin mit Migrationshintergrund diesen Roman als Abitur-Pflichtlektüre ablehnte. Er sei rassistisch und enthielte sehr häufig das „N“-Wort. Es gab einen ziemlichen Wirbel. Umfangreiche Erläuterungen dazu findet man bei Wikipedia.

Ich finde es sehr bedauerlich, dass Schriftsteller, die aus ihrer Zeit und ihrer Lebenssicht heraus geschrieben haben, später in dieser Weise an den Pranger gestellt werden. Leider kein Einzelfall in diesen hitzigen Zeiten.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 17.09.24 um 17:34:
Danke, Citronella: Ich finde deinen Hinweis auf die Diskussion über Rassismus  in "Tauben im Gras" so interessant, dass ich den entsprechenden Textauszug aus Wikipedia hier vorstelle:"000);">Debatte zum Roman als Abitur-Pflichtlektüre

"Im März 2023 startete die Ulmer Deutsch- und Englischlehrerin Jasmin Blunt eine Petition mit der Forderung, dass das Buch nicht als Abitur- Pflichtlektüre beruflicher Gymnasien des Bundeslandes Baden-Württemberg (geplant ab 2024) eingeführt werden und stattdessen „aus dem Pflichtlektürekanon des Bundeslandes Baden-Württemberg und in der Folge aus allen Curricula der Bundesländer entfernt“ werden solle. [24] Bis am 22. März 2023 wurde das Bittschreiben von 2400 Menschen mitunterzeichnet. [25] Ende April 2023 fand die Petition 12'000 Befürworter. [24] „Nach zwölf Jahren will sie [Jasmin Blunt] ab dem nächsten Schuljahr […] nicht mehr unterrichten. Grund ist dieser Roman […], eine Pflichtlektüre im Abitur nächstes Jahr, den sie an die Schüler bringen müsste. Als sie das Buch aufschlug, war Jasmin Blunt fassungslos […], an ihrem Arbeitsplatz erlebt sie plötzlich Rassismus, aufgrund des Lehrplans. An die hundertmal das ‚ N-Wort‘, ohne Fußnoten oder Erklärungen.“ [26] Im Podcast des  Südwestrundfunks sagt die Lehrerin mit dunkler Hautfarbe: „Das ist ein brutaler Angriff auf meine Menschenwürde.“ [27]
„Blunt geht es nicht um den literarischen Wert. Schon im Januar hatte sie sich mit einem Brief an Kultusministerin  Theresa Schopper (Grüne) gewandt. Doch die Ministerin verteidigt den Roman“, schrieb die Stuttgarter Zeitung. [28] „Wir müssen uns überlegen, was das mit Schülerinnen und Schülern macht, die selbst von Rassismus betroffen sind. Sie werden dem ausgesetzt ohne sich entziehen zu können, weil das Buch für das Abi relevant ist“, wurde Bernd-Stefan Grewe, Leiter des Instituts für Geschichtsdidaktik an der Universität Tübingen von ebendieser Zeitung zitiert. [28]
Die Literaturwissenschaftlerin  Andrea Geier sah in der Petition einen wichtigen Appell. Das Buch sei rassismuskritisch gemeint. Für den Umgang damit fehlten insbesondere Unterrichtskonzepte. Es gebe noch keine eingeübten Praktiken, wie mit den Effekten rassistischer Sprache umgegangen werden kann. Wie sollen Inhalte im Gespräch mit Jugendlichen thematisiert werden, ohne rassistische Sprache zu reproduzieren? [29] Zahlreiche Organisationen, Menschenrechtsaktivisten und Schriftsteller stellten sich hinter die Forderung, das Buch aus dem Pflichtlektürekanon zu nehmen, auch viele Protestschreiben von Professoren gingen im Kultusministerium ein.
Laut der Berichterstattung deutscher „Leitmedien“ vom März 2023 wollte Kultusministerin Theresa Schopper zuerst am Status „Pflichtlektüre“ festhalten. [30] [31] „Es geht darum, deutlich zu machen, wie Rassismus Gesellschaften prägt: damals in den 50er-Jahren, als der Roman entstanden ist, aber auch heute.“ Dies solle durch eine Einordnung des Romans und begleitende Fortbildungen und Materialien erreicht werden. [25] Kritiker verwiesen auf Alternativen. Es gebe andere Werke, die ähnliche Themen in einer anderen Sprache behandeln. Gefordert wurde in einem offenen Brief an die Ministerin insbesondere Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit sensiblen Themen. [25] [32] [33] [34]
Wie dem Artikel des Südwestrundfunks vom 28. April 2023 entnommen werden konnte, legte das baden-württembergische Kultusministerium schließlich einen Kompromiss vor. Lehrkräfte sollen eine Alternativlösung wählen dürfen. [35] Anfang Juli 2023 teilte der Sprecher von Theresa Schopper mit, dass an beruflichen Gymnasien künftig auch der Roman  Transit von  Anna Seghers gelesen und mit dem Buch  Die Habenichtse von  Katharina Hacker verglichen werden könne."
https://de.wikipedia.org/wiki/Tauben_im_Gras

 Citronella schrieb daraufhin am 17.09.24 um 17:54:
Wie hättest du denn als Lehrkraft entschieden?

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 17.09.24 um 18:01:
Ich hätte mir zugetraut, den SchülerInnen zu erklären, dass es sich in dem Roman nicht um Rassismus handelt, dass man die Verwendung von Sprache historisch sehen muss und nicht im nachhinein verändern kann.

 Citronella ergänzte dazu am 17.09.24 um 18:02:
Eine sehr gute Einstellung, Ekki! So sollte es sein. <3

LG Citronella

 Graeculus (17.09.24, 15:05)
Ein seltenes Beispiel von Verlegertreue (Unseld).

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.09.24 um 17:53:
Gracias, das Folgende gibt nähere Auskunft dazu, was du mit Verlegertreue meinst:
" Wolfgang Koeppen Siegfried Unseld
'Ich bitte um ein Wort ...'
Der Briefwechsel
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518417683

Klappentext
Ein neuer Roman von Wolfgang Koeppen ist anzukündigen - entstanden im Briefgespräch mit Siegfried Unseld. Die Handlung setzt 1957 ein und endet mehr als 500 Briefe später in den neunziger Jahren. Im Mittelpunkt steht die spannende Frage, welche Faktoren die Niederschrift eines Manuskriptes verhindern. Die Protagonisten: ein Verleger, der auch in den aussichtslosesten Situationen der Maxime treu bleibt,"seinem" Autor die Voraussetzungen zur literarischen Produktion zu gewährleisten. Und ein Autor, der wie kein anderer das Schreiben eines neuen Buches durch das Verfertigen von Briefen über die nicht vollendeten, weil von den Umständen verhinderten Romane ersetzt. Die verschiedenen Kapitel des Romans erzählen in überraschenden Wendungen das Epos vom scheiternden Autor: Koeppen kündigt immer wieder den bevorstehenden Abschluß eines Werkes an und nennt sogar ein genaues Datum dafür. Unseld befördert dieses Unterfangen mit seinem ganzen verlegerischen Repertoire. Dann setzt die erste Schreibkrise ein, die unweigerlich im psychischen Zusammenbruch Koeppens und im ökonomischen Desaster mündet." Wolfgang Koeppen / Siegfried Unseld: 'Ich bitte um ein Wort ...'. Der Briefwechsel - Perlentaucher 

 Graeculus meinte dazu am 17.09.24 um 18:03:
Ein Freund, der damals als Verlagssprecher bei Suhrkamp beschäftigt war, hat mir erzählt, wie Koeppen immer wieder versprach: "Noch 20 Seiten, dann ist der Roman fertig!" Aber alle im Verlag ahnten, daß daraus nichts werden würde. Dennoch zahlte ihm Unseld weiterhin seine 'Vorschüsse': "Dieser Mann hat so wichtige Romane geschrieben, da wollen wir nicht kleinlich sein."

Antwort geändert am 17.09.2024 um 23:39 Uhr

 harzgebirgler (17.09.24, 15:40)
vom 'köpper' gilt es koeppen stets zu trennen
obgleich wohl jenen mehr als diesen kennen
der einen kopf-sprung hatte sicher nie
und einst auch keine n-wort-allergie.
 https://taz.de/Debatte-ueber-Koeppen-Lektuere/!5921999/
 https://de.wikipedia.org/wiki/N-Wort

beste grüße
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.09.24 um 19:52:
Hallo Henning,
ich vermute, dass wir es beide für bedauerlich halten, dass ein stilistisch guter Roman von Koeppen auf die Verwendung des N-Worts reduziert wird.
Beste Grüße
Ekki

 harzgebirgler meinte dazu am 18.09.24 um 11:54:

 Teo (18.09.24, 12:28)
Grüß dich lieber Ecki,
tja...wie Fritz es schon schrieb...ich müsste auch mal wieder derart Literatur lesen. Interessant war Citronellas Hinweis auf die Lehrerin mit Migrationshintergrund. Jau 
aufpassen. Ich zum Beispiel sehe keine Wetterberichte mehr. Lese mal das Wort Regen rückwärts. Na? Ich bin doch nich lebenmüde!
Lieben Gruß 
Teo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.24 um 17:52:
Merci, Teo,
ja, wir müssen aufpassen, dass Demokratie nicht zur Gesinnungsschnüffelei verkommt.
Liebe Grüße
Ekki
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