Der Kampf gegen das Absurde

Sonett zum Thema Absurdes

von  EkkehartMittelberg

Absurdität an jeder Straßenecke
verschont auch dich nicht, liegt dort auf der Lauer,
kein Unterschied, ob König oder Bauer,
bringt sie jeden irgendwann zur Strecke.

Doch du gabst uns den Trost, wie Sisyphus
der sinnentleerten Welt zu widerstehen,
mit Stolz dem Schicksal ins Gesicht zu sehen,
entwaffnest das Absurde wie ein Kuss.

„Die Pest“ und „Der Fremde“, diese Werke fragen
nach Existenz trotz Tragik ohne Klagen
und lassen Menschen Schicksal überwinden.

Allein mit Trotz ist dieser Kampf verloren,
der Mensch wird für den Menschen nur geboren,
mit Wärme menschlich sich vereint zu finden.

Juni 2017






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Kommentare zu diesem Text


 Pfeiffer (23.09.24, 12:18)
Wer liest denn heute noch Camus?
Dabei hätt' dieser Autor zu den Fragen
Der Gegenwart 'ne Menge beizutragen,
Doch scheint auch dieser Autor heut' perdu.

Klasse-Sonett wieder mal, lieber Ekki! Danke!

Gruß von Fritz

 Mondscheinsonate meinte dazu am 23.09.24 um 12:23:
Viele. War während der Lockdowns ein Bestseller.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 23.09.24 um 16:07:
Merci Fritz, 
ich gebe Camus eine Chance der Renaissance, einfach weil seine Romane spannend sind.

LG
Ekki

 AchterZwerg (23.09.24, 16:51)
Lieber Ekki,

letztendlich steckt hinter den Gedanken Camus wohl die wichtigste (?) Frage der Philosophie: Ist es das Leben wert, gelebt zu werden?

Kann ich es, in der Konsequenz, jederzeit beenden oder soll ich es, revoltierend, komplett annehmen?

Eigentlich top aktuell.

Herzliche Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 23.09.24 um 17:06:
Grazie, Piccola,
du hast genau erfasst, worum es in dieser Philosophie wesentlich geht.
Der Gedanke ist so faszinierend, dass ich eine Renaissance nicht ausschließen möchte;
000);">"Bedeutung der Kunst im Werk von Camus
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Das Absurde im Werk Albert Camus’ ist nur eine Diagnose. Danach gilt es für Camus eine Strategie gegen die vermeintliche Sinnlosigkeit der Welt zu entwickeln, die er im Wesentlichen der Kunst und dem Künstler überträgt. Sein Werk enthält nicht nur in  Der Mensch in der Revolte (L’Homme révolté, 1951) dezidierte Aufforderungen, mit einer Revolte dem Absurden zu begegnen. Diese Revolte wird von Camus in seinen wichtigsten Schriften vor allem dem Künstler und damit der Kunst als eine permanente Aufgabe gestellt.
Die Kunst erscheint schon in seinen frühen Schriften wie in L’art de la communion (vor 1933): „… die Kunst kämpft gegen den Tod. Auf der Suche nach Unsterblichkeit gibt der Künstler einem vergeblichen Stolz, der eine gerechte Hoffnung ist, nach.“ [24] Den Schlüsselsatz zum Verständnis des Absurden hat er schon 1942 geschrieben: „Die absurde Welt lässt sich nur ästhetisch rechtfertigen“, notiert er Ende 1942 in seinem Tagebuch. [25] In  Der Mythos des Sisyphos (Le Mythe de Sisyphe) (1942) weist er auf die fundamentale Bedeutung der Kunst hin. [26] Die Kunst steht im Dienst der Revolte, ohne die jede Revolte ihre Bestimmung verfehlen wird. Die Kunst versteht Camus als eine Revolte gegen die unvollkommene Welt. Der Künstler soll der Realität eine andere Form geben. Die Kunst ist weder Verweigerung noch Ablehnung dessen, was ist. Diese Balance gelingt dem Künstler nur, wenn er bereit ist, das Los aller zu teilen, und sein Werk nicht auf Hass und Missachtung gründet. In  Der Mensch in der Revolte (L’homme révolté) (1951) deutet er im 4. Kapitel Revolte und Kunst die Position und die Aufgabe des Künstlers: „Der Künstler erschafft die Welt auf seine Rechnung neu.“  (Wikipedia)

Herzliche Grüße
Ekki

 AchterZwerg äußerte darauf am 24.09.24 um 06:02:
Der Künstler soll der Realität eine andere Form geben
Möge es ihm immer wieder gelingen! 8-)

 Graeculus (23.09.24, 17:05)
Ich frage mich, worin eigentlich die Absurdität des Daseins besteht. Ist es der Verlust der Transzendenz, des tradierten Wertesystems, eines über das Leben selbst hinausreichenden Sinns dieses Lebens, was mehr oder weniger heroisch à la Sisyphos ausgehalten werden muß und allenfalls durch einen selbstgesetzten Sinn kompensiert werden kann?

Dann wäre es nicht mehr, nichts anderes als das, was bereits Nietzsche "starken Nihilismus" genannt hatte.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 23.09.24 um 17:25:
Gracias, Graeculus, man kann dieses Aushalten, verbunden mit dem selbstgesetzten Sinn, als "starken Nihilismus" bezeichnen. Für mich ist dieser Heroismus, der die Absurdität erträgt, sinnvoll.

 Graeculus meinte dazu am 23.09.24 um 17:40:
Und worin diese Absurdität besteht, das habe ich richtig gedeutet? Ich meine, daß Camus das nirgends klar ausdrückt.

Aber wieso lauert diese Absurdität "an jeder Straßenecke"? Mein Philosophieprofessor hat einst etwas ähnliches gesagt: "Schon wenn ich mich morgens rasiere, überfällt mich die Absurdität." Ich habe das nicht verstanden.
Man steht an der Straßenecke, um zum Einkaufsladen zu kommen. Man rasiert sich, weil man - als Professor um 1970 - korrekt aussehen will. Diese Dinge haben doch einen Sinn; erst wenn man immer weiter fragt, scheint die Absurdität auf: Ich will zum Einkaufsladen, um Lebensmittel zu kaufen. Warum will ich das? Um abends meine Freunde zu bewirten. Warum will ich das? Weil ich gerne mit meinen Freunden zusammen bin. Warum bin ich das? Weil es sich so angenehmer lebt. Warum will ich angenehm leben? Darauf oder an einer noch späteren Stelle dieser Kette gibt es dann keine Antwort mehr.
Hat denn der, der an der Straßenecke steht, schon die letzte Frage im Sinn?

Übrigens fällt mir auf, daß es auch für die an Transzendenz Glaubenden irgendwann keine Antwort mehr gibt, warum sie etwas tun. Ich folge den Geboten Gottes, weil ich dadurch das ewige Leben erlange. Warum aber will ich ewig leben?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.09.24 um 20:38:
Graeculus, du stellst keine leichten Fragen, aber genau das qualifiziert dich. Ich habe die Absurdität so verstanden, wie du es ausdrückst. Das Lauern an der Straßenecke ist für mich eine Metapher dafür, dass jede einzelne Aktion innerhalb eines absurden Lebens absurd ist. Aber indem man sie lächelnd auf sich nimmt wie Sisyphus den Felsbrocken, entschärft man sie, vielleicht auch durch momentane Verdrängung. Man weiß, dass man das Absurde schultern kann und hat Grund, ein wenig stolz auf sich zu sein. Deswegen darf man sich Sisyphus als glücklich vorstellen.

 harzgebirgler (23.09.24, 18:12)
hallo ekki,

das absurde besteht im bestehen
des lebens in seinem vergehen.

beste abendgrüße
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.09.24 um 20:44:
Gracias, Henning, ich würde noch etwas hinzufügen:

Das Absurde besteht im Bestehen

des Lebens in seinem Vergehen,

das sich aber durch das Bestehen nicht substantiell verändert.

Beste Grüße
Ekki

 plotzn (24.09.24, 09:16)
Servus Ekki,

ich scheute ka Müh,
durchwachte die Nacht
und fand in der Früh
an wen Du gedacht...

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.09.24 um 11:17:
Vielen Dank, Stefan,

mit so eifrigen Lesern erschließt sich mit Camus selbst das Absurde.

Liebe Grüße
Ekki

 Graeculus (24.09.24, 09:41)
Empfehlenswert, etwas abseits der berühmtesten Werke, ist sein Drama "Caligula".

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.09.24 um 11:25:
Merci, Graeculus,

ich musste selber googeln. Hier ist das E$rgebnis:

000);">Entstehung
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Camus begann 1938, nachdem er  De vita Caesarum von  Sueton gelesen hatte, mit der Arbeit an Caligula und beendete eine erste Fassung des Stücks 1939. Wie er in seinem Vorwort zur deutschsprachigen Erstausgabe von 1959 schreibt, wollte er das Stück in seinem kleinen Theater in Algier aufführen lassen und ursprünglich selbst die Titelrolle spielen. Der Krieg führte dazu, dass Caligula erst im Mai 1944 bei  Gallimard verlegt wurde. 1945 wurde es im  Théâtre Hébertot in Paris mit  Gérard Philipe Michel Bouquet und Georges Vitaly unter der Regie von Paul Œttly uraufgeführt.
000);">Inhalt
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Das Theaterstück gliedert sich in vier Akte. Der zunächst als harmlos geschilderte junge Kaiser wird über den Tod seiner Schwester und Geliebten  Drusilla des schlechten Laufs der Welt gewahr („Die Menschen sterben und sie sind nicht glücklich“) und beschließt daraufhin, nach dem Unmöglichen zu streben. Mit dem Ziel, alle Werte umzukehren und zu nivellieren, nutzt er seine Freiheit und Macht vollends und mit mörderischer Konsequenz aus. Schließlich wird ihm sein Irrtum bewusst und er fördert seine eigene Ermordung.
000);">Rezeption
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Caligula wird häufig in Bezug auf Camus’ Philosophie des  Absurden als philosophisches Stück bezeichnet und vor diesem Hintergrund interpretiert. Camus selbst distanziert sich jedoch in seinem Vorwort zur deutschsprachigen Erstausgabe von dieser Lesart:

Caligula ist also eine Tragödie der Erkenntnis. Und daraus wurde mit schöner Selbstverständlichkeit der Schluss gezogen, es handle sich um ein intellektuelles Drama. [...] ich suche umsonst nach der in diesen vier Akten angeblich zum Ausdruck kommenden Philosophie.“
– Albert Camus: Vorwort zu Dramen (1959)
Den einzigen Anflug einer Philosophie vermag Camus in dem zitierten Satz „Die Menschen sterben und sie sind nicht glücklich“ zu sehen. Dies allerdings sei „eine der ganzen Menschheit vertraute Binsenweisheit“.

 Graeculus meinte dazu am 24.09.24 um 12:17:
Dieses Drama habe ich mal in einer eindrucksvollen Inszenierung in Basel gesehen. Da war der Schluß so gestaltet, daß auf der Bühne ein Phantom ermordet wurde, während der eigentliche Darsteller des Caligula sich zu uns ins Publikum setzte und das Schlußwort des Dramas "Noch lebe ich!" immer und immer wieder in Richtung Bühne brüllte.

Wir haben das so verstanden, daß man die Caligulas dieser Welt umbringen mag, aber es werden immer neue entstehen. Der Typus ist nicht auszulöschen. Und er befindet sich mitten unter uns.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.11.24 um 19:22:
Ich wüsste keine bessere als diese schlüssige Deutung.
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