Das Herz der Dinge

Essay zum Thema Gerechtigkeit/ Ungerechtigkeit

von  Graeculus

Der Zeitung (FAZ vom 13. Juni 2017) entnahm ich, daß unter der Verantwortung des kosovarischen UÇK-Freischärlers Ramush Haradinaj im Kosovo-Krieg 1998/99 Gefangenen Schnittwunden zugefügt worden sind, in die dann Salz gestreut wurde und die anschließend wieder vernäht wurden. Später wurden diese Opfer in Stacheldraht gewickelt, dieser mit einem Werkzeug ins Fleisch getrieben und die Menschen dann hinten an ein Fahrzeug gebunden, um zu Tode geschleift zu werden.

Haradinaj ist deshalb vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal angeklagt, aber 2008 aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, nachdem mehrere Zeugen ihre Aussage zurückgezogen hatten oder tödlichen Unfällen zum Opfer gefallen waren.

Dieser Haradinaj war dann von 2017 bis 2019 Ministerpräsident des Kosovo.

Bei Denis Johnson („Schon tot“, S. 404) äußert ein Mann – ein Ordnungshüter übrigens –, sein größtes Problem bestehe darin, „daß im Herzen aller Dinge ein gigantisches Schweigen herrscht“.

Es ist nicht so, daß ich mir über Politiker - auch solche im Kosovo - Illusionen machte; aber dieses gigantische Schweigen im Herzen der Dinge bedrückt mich.


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Kommentare zu diesem Text


 Saira (16.11.24, 18:59)
Hallo Wolfgang,
 
es ist ein bedrückendes Thema, das du aufgegriffen hast. Du beleuchtest die Grenzen von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in einem historischen Kontext.
 
Die Schilderung der Taten unter Ramush Haradinaj ist nicht nur schockierend, sondern wirft auch grundlegende Fragen über Verantwortung und Gerechtigkeit auf. Dass ein Mensch wie Ramush Haradinaj, der für grausame Gräueltaten verantwortlich ist, ungestraft davonkam und später in eine so hohe politische Position aufsteigen konnte, hinterlässt ein Gefühl der Ohnmacht und Wut.
 
Es gab und gibt nicht wenige Menschen, die Kriegsverbrechen verübt haben und verüben und die ungesühnt bleiben. Zeugen werden entweder liquidiert oder anders mundtot gemacht.Wer dazu die Macht hat, missbraucht sie auch dafür.  
 
Es ist ein unerträglicher Gedanke, besonders für die überlebenden Opfer und die Angehörigen der Opfer, dass die Wahrheit im Dunkeln bleibt.
 
Liebe Grüße
Sigrun

 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 23:29:
Ja, liebe Sigrun, das ist schwer erträglich. Und das Kosovo ist ja kein Einzelfall, vielmehr ein kleines Land mit relativ wenigen betroffenen Menschen. Am schlimmsten steht es derzeit wohl mit der Lage im Sudan. Die Welt, unsere Welt ist voll von Machtmißbrauch und Verbrechen, die nicht gesühnt werden. Wie mag es den Opfern mit dieser Einsicht ergehen? Wie fühlen sie sich?
Eine Ahnung vermitteln die interviewten Menschen in der Ukraine nach einer erneuten Nacht russischer Bombenangriffe. Die alles verloren haben und nicht wissen, wo sie hin sollen.

 Saira antwortete darauf am 18.11.24 um 10:20:
Lieber Wolfgang,
 
jedes Opfer ist eines zu viel! Nur wer selbst betroffen ist, kann das Leid wirklich ermessen. Wir können es nur erahnen, und selbst das ist schon schwer zu ertragen.
Kriege sind so sinnlos!
 
Traurige Grüße
Sigrun

 Graeculus schrieb daraufhin am 18.11.24 um 17:38:
Kriege sind die Ersetzung des Rechtsprinzips durch das der Macht, also das Gesetz des Stärkeren. Und ja, sie sind mit unendlich viel Leid verbunden.
Meine Hoffnung schwindet, daß sie einmal enden werden.

 AchterZwerg (16.11.24, 18:59)
Nicht nur Schweigen, sondern auch (undurchdringliche) Finsternis, so mein Eindruck!

 Graeculus äußerte darauf am 17.11.24 um 14:08:
Kann man Finsternis als optisches Schweigen auffassen? Es ist nichts da - kein Wort, kein Licht -, wo man etwas erwartet oder erhofft.

 Quoth ergänzte dazu am 19.11.24 um 19:03:
Für den religiös Veranlagten oder die religiös Veranlagte schlägt eben gerade dies "gigantische Schweigen im Herzen der Dinge" um in die gigantische Beredsamkeit eines Gottes, aus dem Dunkel wird Licht. Der über dies Schweigen Verzweifelnde, die über die Dunkelheit Verzweifelnde stehen unmittelbar im Vorhof des Glaubens an einen alles überwältigenden Sinn. Dialektik eben ...

Antwort geändert am 20.11.2024 um 18:02 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 20.11.24 um 07:27:
. <3

 Quoth meinte dazu am 20.11.24 um 18:24:
Danke, AchterZwerg. 
Es gibt zwei Möglichkeiten, religiös zu werden: Indem man in eine religiöse weltlich verfasste Organisation hineingeboren wird oder ihr beitritt. Oder indem man in dieser Welt so viel Sinnlosigkeit, Schrecken, Ungerechtigkeit und Grauen wahrnimmt, dass man es in ihr ohne die Annahme einer richtenden, erleuchtenden, ordnenden Kraft nicht mehr aushält. Es ist völlig gleichgültig, ob man sie erfindet oder vermeintlich durch Offenbarung erfährt - die Überzeugung ist da: Sie trägt und hält mich, fügt das Disparate zusammen und macht Hoffnung.

 Graeculus meinte dazu am 20.11.24 um 23:49:
Es tut mir leid, Ihr Lieben, aber ich kann das nicht. Ich kann mit Religion keine Hoffnung verbinden, auch wenn ich weiß, daß sie es für viele ist. Nicht nur die christliche, versteht sich.

 Quoth meinte dazu am 21.11.24 um 20:43:
Nicht Gott hat den Menschen, sondern der Mensch hat Gott geschaffen. 
Zitiere ich Feuerbach richtig? Du gehörst eindeutig zu dein Menschen, die zu diesem Schöpfungsakt nicht fähig wären.

Man könnte auch sagen: Dir fehlt eine spirituelle Ader. Für Dich sind Religionen etwas fertiges Fremdes, das man übernehmen kann oder auch nicht. Dabei können Sie sich in dieser oder jener Form aus uns selbst und dem existenziellen Bedürfnis nach Sinn entwickeln ...

 Graeculus meinte dazu am 22.11.24 um 15:40:
Ja, ungefähr so sagt Feuerbach das.

Meine spirituelle Seite mag schwach entwickelt sein, auch wenn mich manche Religionen durchaus ansprechen (die monotheistischen nicht).

Diesen Satz:
Dabei können Sie sich in dieser oder jener Form aus uns selbst und dem existenziellen Bedürfnis nach Sinn entwickeln ...
möchte ich anders formulieren: Religionen sind ein Produkt unserer Wünsche und Bedürfnisse, und die "Fähigkeit", das, was ich mir wünsche, auch für tatsächlich gegeben zu halten (= Glauben), die ist bei mir schwach entwickelt.

Autobiographisch kann ich hinzufügen, daß es weniger Feuerbach als vielmehr Schopenhauer war, der mich beeinflußt hat.

Antwort geändert am 22.11.2024 um 15:43 Uhr

 LotharAtzert (17.11.24, 09:43)
Dein Druck in Ehren. Er bringt aber auch dann nichts, wenn ihn Millionen teilen.
Nur wer sich selbst verändert ... den Rest kennst Du.

 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 11:23:
Nur wer sich selbst verändert ...

Ich selbst wickle keine Menschen in Stacheldraht und beseitige auch keine Zeugen.

Das hilft natürlich nichts und versöhnt mich auch nicht mit der Welt. "Der erschreckendste Fakt über das Universum ist nicht, daß es feindselig ist, sondern gleichgültig." (Stanley Kubrick) Das ist es wohl, dieses gigantische Schweigen im Herzen der Dinge.

Was kann man tun?

Sich eine kleine Idylle aufbauen und wärmende Texte schreiben über Liebe, Jahreszeiten etc.

Sich einer Religion zuwenden und daran glauben, daß dies alles schon irgendwie (Karma/Wiedergeburt, Hölle/Himmel) ausgeglichen werde.

Sich weiterhin für die irdische Gerechtigkeit, in diesem Falle den Internationalen Strafgerichtshof, engagieren ... mit Sisyphos als Vorbild.

Sonst noch was?

Antwort geändert am 17.11.2024 um 11:24 Uhr

 Saira meinte dazu am 17.11.24 um 11:53:
@ Graeculus

Lieber Wolfgang,
 
es ist unbefriedigend, sich in der Hoffnung zu verlieren, dass sich die Welt durch individuelle Veränderungen zum Besseren wenden kann. Doch wie du treffend anmerkst, ist das nicht genug, um uns mit der Realität zu versöhnen. Die Vorstellung, dass wir uns in einer kleinen Idylle zurückziehen oder uns einer Religion zuwenden können, um die Ungerechtigkeiten dieser Welt zu ertragen, ist verlockend, aber letztlich unzureichend.
 
Dein Vergleich mit Sisyphos ist hier besonders passend: Wir müssen die Steine, die uns im Weg liegen, immer wieder anpacken und versuchen, sie zu bewegen, auch wenn sie uns immer wieder entgleiten. Nicht schweigen, sondern handeln, soweit es im Bereich unserer Möglichkeiten liegt.
 
Herzliche Grüße
Sigrun


Antwort geändert am 17.11.2024 um 11:53 Uhr

 LotharAtzert meinte dazu am 17.11.24 um 12:29:
Was kann man tun?

Sich eine kleine Idylle aufbauen und wärmende Texte schreiben über Liebe, Jahreszeiten etc.
Auch das könnten wir mal zum Abschluß bringen. Weder ist Buddhismus eine Religion, noch sind die, die in Stille meditieren Idylliker. Wenn Du das annimmst, verhöhnst du all jene, die ihren Geist klären. Die Wirkung eines Geistesklaren ist der Sonne vergleichbar, die spendet ihr Licht an alles Leben, sogar für Dich. 

Und mit Hoffnung - Sigrun - hat das rein gar nichts zu tun. Sein Ding machen und weitergehen, das träfe es eher. Ein Bodhisattva ist "ohne Furcht und Hoffnung".

 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 14:18:
Der Rückzug in die Idylle und die Religion sind für mich zwei verschiedene Reaktionsmuster und auch so aufgeführt.

Ob man den Buddhismus als Religion bezeichnet oder nicht, hängt von der Definition des Begriffes "Religion" ab. Wegen des fehlenden Glaubens an einen rettenden Gott rechnen ihn manche Religionswissenschaftler nicht zu den Religionen, andere (die meisten) aber doch, indem sie eine andere Definition zugrunde legen.
In dem umfangreichen Standardwerk "Religionen [!] der Menschheit" nimmt der Buddhismus sogar drei Bände ein.


Die Wirkung eines Geistesklaren ist der Sonne vergleichbar, die spendet ihr Licht an alles Leben, sogar für Dich.

Das ist gut gemeint, daß sie, die Meditierenden, sich solche Mühe für uns machen. Leider merkt man davon - anders als bei der Sonne - im Geschehen der Welt nichts. Im Kosovo nicht, in Rußland nicht und erst recht nicht im Sudan. Aus diesem Grunde ist diese Bemühung um eine Heilswirkung eine Glaubenssache (Religion) und am ehesten erfolgreich in der Haltung, der Einstellung des Meditierenden selbst.

Interessant ist, daß dieses gigantische Schweigen im Herzen der Dinge seine Entsprechung findet in der buddhistischen Redweise vom "donnernden Schweigen des Buddha". Vermutlich ist dieses Schweigen die einzige Antwort, die uns bleibt.

 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 14:20:
Liebe Sigrun, auf Deine Beiträge komme ich später zurück - dafür brauche ich noch etwas Muße.

Herzlich,
Wolfgang

 Klemm meinte dazu am 17.11.24 um 17:05:
Sein Ding machen und weitergehen, das träfe es eher.
Lothar, mir fallen gleich mehrere historische Situationen ein, in denen sich dieses Verhalten eher nicht so "mein Ding" ist.

 LotharAtzert meinte dazu am 17.11.24 um 22:11:
sich solche Mühe für uns machen
Mannmannmann, ich red' gegen Wände.

"Mühe für uns" - eitler Gockel!

Klemm - jaja, die Plausibilitäten. Nur nicht an die eigenen Verdrängungen gehen, die sieht man lieber bei den anderen. Und die dort sehen es bei uns. Jeder ist jedem feind, solange ... ach es ist sinnlos.

 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 23:25:
Ja, es ist sinnlos. Auch der rhythmische Astrobuddhismus ändert nichts am gigantischen Schweigen im Herzen der Dinge. Und schon gar nicht unser "Gespräch".

Was sollte es den Menschen im Sudan helfen, wenn ich an meinen Verdrängungen - so es sie gibt - arbeite?

 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 23:34:
An Saira/Sigrun:

Ich fürchte, die menschenmögliche Gerechtigkeit, die durch Gerichte, können wir in großen Teilen der Welt vergessen. Also: resignieren oder weiter, unermüdlich à la Sisyphos unseren Stein auf den Berg schleppen.

Aber worin besteht unsere Sisyphos-Arbeit hier als Individuen in Deutschland, wenn es um globale Konflikte geht?
Mir fällt eigentlich nichts anderes ein, als die Themen immer wieder anzusprechen und die Opfer nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen.
Oder weißt Du einen anderen Weg?

 Saira meinte dazu am 18.11.24 um 09:23:
@Graeculus

Lieber Wolfgang,
 
ich teile deine Besorgnis. Es ist in der Tat frustrierend, wenn die Institutionen, die für Gerechtigkeit stehen sollten, oft versagen oder von Machtspielen beeinflusst werden.
 
Ein weiterer Weg könnte sein, sich aktiv in Organisationen zu engagieren, die sich für Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen. Ich denke hier zum Beispiel an Amnesty International. Auch wenn es sich um kleine Schritte handelt, können sie in der Summe einen Unterschied machen.
 
Letztlich ist es wichtig, dass wir nicht in Resignation verfallen, sondern weiterhin für das kämpfen, was richtig ist, auch wenn der Weg steinig ist.
 
Wenn wir die Opfer vergessen, lassen wir sie ein weiteres Mal zum Opfer werden.
 
Herzlichst
Sigrun

 Graeculus meinte dazu am 18.11.24 um 17:35:
Wenn wir die Opfer vergessen, lassen wir sie ein weiteres Mal zum Opfer werden.

Dem stimme ich uneingeschränkt zu, liebe Sigrun.

Von ai alias amnesty international war ich schonmal begeisterter, als nämlich jede lokale Gruppe einen politischen Gefangenen aus dem Westen, einen aus dem sozialistischen Bereich und einen aus der Dritten Welt zu adoptieren hatte. Das zeigte die Neutralität von ai. War ai nicht damals auch populärer?

Ich denke nochmal darüber nach.

 Saira meinte dazu am 18.11.24 um 18:26:
Du hast recht, Wolfgang, AI sieht sich verschiedenen Kritiken gegenüber, so auch dem Vorwurf der Parteilichkeit in Bezug auf ihre Berichte und Analysen sowie ihre Methodik bei der Datensammlung. Leider wird dadurch ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen. Allerdings meine ich, dass AI auf berechtigte Kritik reagiert.
Ich lese regelmäßig die Jahresberichte von AI und denke, sie tut schon viel für die Menschenrechte.
 
Es gibt ja auch einige andere Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen und fördern. Ich habe ein paar aus dem Internet herausgesucht, die mir am bekanntesten sind:
 
  • Human Rights Watch (HRW): Diese Organisation dokumentiert Menschenrechtsverletzungen und setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte in verschiedenen Ländern ein.
  • International Federation for Human Rights (FIDH): FIDH ist ein Netzwerk von Menschenrechtsorganisationen, das sich für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte weltweit einsetzt.
  • Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF): Diese Organisation bietet medizinische Hilfe in Krisengebieten und setzt sich auch für die Rechte von Menschen in Notlagen ein.
  • International Justice Mission (IJM): Diese Organisation kämpft gegen moderne Sklaverei und Menschenhandel und setzt sich für die rechtliche Vertretung von Opfern ein.
  • Human Rights Campaign (HRC): Diese Organisation konzentriert sich auf die Rechte von LGBTQ+-Personen in den USA und setzt sich für Gleichheit und Gerechtigkeit ein.
  • Freedom House: Diese Organisation bewertet die Freiheit und Menschenrechte in verschiedenen Ländern und setzt sich für die Förderung der Demokratie ein.

 Graeculus meinte dazu am 18.11.24 um 22:57:
Ich danke Dir für die Übersicht. Spontan neige ich zu "Ärzte ohne Grenzen", weil ich annehme, daß die nicht nur für Ideale kämpfen, sondern eine hilfreiche praktische Arbeit leisten.
Der Aspekt des Kampfes für Menschenrechte liegt mir allerdings auch am Herzen.

Hast Du schon Erfahrungen mit der einen oder anderen Organisation gemacht?

 Graeculus meinte dazu am 18.11.24 um 22:59:
Und die Unterstützung sieht für Laien, d.h. Nicht-Ärzte, so aus, daß man spendet. Richtig?

 Saira meinte dazu am 19.11.24 um 10:10:
Mit „Ärzte ohne Grenzen“ habe ich Erfahrungen gemacht:

Die Spenden gehören sicherlich zu den effektivsten Methoden, um Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ zu unterstützen. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, vor Ort mitzuarbeiten, ohne über medizinisches Fachwissen zu verfügen. Dazu sollte man sich erkundigen, welche Qualifikationen erforderlich sind, um in Krisengebieten zu helfen. Auf der Website von „Ärzte ohne Grenzen“ findet man auch Informationen zu Jobs und Freiwilligenarbeit. Mein Mann und ich gehören zu den regelmäßigen Spendern und teilen Informationen über soziale Medien.
 
Was ich ebenfalls für überlegenswert halte, ist die Hilfe vor Ort hier in Deutschland, zum Beispiel um Migranten bei Sprachproblemen zu unterstützen.
 
Ich habe über acht Jahre Erfahrungen in einem wundervollen Projekt namens Abaana Afrika e.V.   https://www.abaana.de/unser-projektgebiet/uganda/ gesammelt, indem ich eine Patenschaft für ein Kind übernommen habe. Für die damals 8-jährige Alinda Daphine konnten mein Mann und ich den Schulbesuch sowie die Unterbringung mit Verpflegung finanzieren. Die Mitarbeiter in Deutschland arbeiten alle ehrenamtlich. Abaana hat mehrere Schulgebäude und Brunnen gebaut, u.v.m. Leider ist unsere Alinda Daphine kurz vor dem Schulabschluss – trotz intensiver Suche – spurlos verschwunden. Vielleicht werde ich darüber irgendwann schreiben.


 
Über Amnesty International habe ich folgende Möglichkeiten der Unterstützung gefunden:
Ehrenamtliches Engagement: Du kannst dich aktiv in einer Gruppe oder eigenständig engagieren. Dies kann durch die Teilnahme an Kampagnen, Veranstaltungen oder Informationsständen geschehen. Ehrenamtliche Helfer sind eine wichtige Säule der Organisation.
Mitgliedschaft: Du kannst Mitglied bei Amnesty International werden. Als Mitglied erhältst du Informationen über aktuelle Themen und kannst an Aktionen teilnehmen, die sich für Menschenrechte einsetzen.
Spenden: Finanzielle Unterstützung ist ebenfalls eine wichtige Möglichkeit, Amnesty International zu helfen. Du kannst entweder eine einmalige Spende leisten oder ein regelmäßiges Spendenabonnement einrichten. Diese Mittel werden verwendet, um die Arbeit der Organisation zu finanzieren, einschließlich Recherchen und Kampagnen.
Aktivismus: Du kannst dich an Kampagnen beteiligen, indem du Petitionen unterschreibst, Briefe an Entscheidungsträger schreibst oder an Demonstrationen teilnimmst. Dein Engagement kann dazu beitragen, auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen.
Öffentlichkeitsarbeit: Informiere andere über die Arbeit von Amnesty International und die Themen, die die Organisation behandelt. Das Teilen von Informationen in sozialen Medien oder das Organisieren von Informationsveranstaltungen kann helfen, das Bewusstsein zu schärfen.
ran (40) meinte dazu am 19.11.24 um 10:39:
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 Saira meinte dazu am 19.11.24 um 12:35:
@ran
 
Danke für dein Mitgefühl und dein Beten! Das ist sehr lieb von dir.
 
Am 14.07.2023 erhielt ich die traurige Mitteilung über Alinda Daphines Verschwinden. Sie wurde auf meine Bitte hin nochmals gesucht, aber nicht gefunden. In einer kleinen Hütte lebt ihr Vater, auch da gibt es keine Spur von ihr.
 
Mein Herz wird diese Ungewissheit nie verschmerzen. Ich hatte eine enge emotionale Bindung zu dem Mädchen, wir haben uns regelmäßig Briefe geschrieben und ich konnte anhand der Halbjahresberichte über Alinda Daphine miterleben, wie aus dem unterernährten, geistig zurückgebliebenen Kind ein gesunder, aufgeweckter Teenager wurde, der Zukunftspläne hatte. Mehr vermag ich im Augenblick nicht zu schreiben.
 
Zur Info:
In Uganda gibt es mehrere Gründe, warum Mädchen verschwinden. Dazu gehören soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren. Häufige Ursachen sind:
Menschenhandel: Mädchen werden oft Opfer von Menschenhändlern, die sie zur Prostitution oder zur Zwangsarbeit zwingen.
Gewalt und Konflikte: In einigen Regionen gibt es bewaffnete Konflikte, die zu Entführungen führen können.
Armut: Wirtschaftliche Not kann Familien dazu bringen, ihre Kinder in gefährliche Situationen zu bringen, um Geld zu verdienen.
Kulturelle Praktiken: In einigen Gemeinschaften gibt es Praktiken wie Kinderehen, die Mädchen in gefährliche Situationen bringen können.
Mangel an Bildung: Ein niedriger Bildungsstand kann dazu führen, dass Mädchen weniger geschützt sind und anfälliger für Ausbeutung werden.
Die Regierung und verschiedene Organisationen arbeiten daran, diese Probleme anzugehen, aber es bleibt eine große Herausforderung.
ran (40) meinte dazu am 19.11.24 um 12:59:
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 Graeculus meinte dazu am 19.11.24 um 16:19:
Das ist ja schrecklich, Sigrun, mit Eurem Patenkind! Da bekommt das, wovon man in den Medien oft liest, eine andere, eine persönliche Dimension. Das arme Kind!

 Graeculus meinte dazu am 19.11.24 um 16:21:
Ich danke auch sehr für Deine sorgfältigen Informationen über Hilfsmöglichkeiten und werde darüber nachdenken, was für mich am ehesten in Betracht kommt, auch über Gelspenden hinaus. Migranten hier zu unterstützen, die vor Gewalt geflohen sind, dafür gibt es bei mir Ansatzpunkte. Also mir bekannte Leute, die das tun, und Migranten, die hier leben.
ran (40) meinte dazu am 19.11.24 um 16:25:
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 Saira meinte dazu am 19.11.24 um 18:21:
@ran
Danke  <3

@Graeculus

Lieber Wolfgang,

egal, wofür du dich auch entscheiden wirst, es kommt Menschen, die Hilfe brauchen, zugute und das alleine zählt.

Ich möchte noch abschließend betonen, wie wertvoll die Zeit mit unserem Patenkind für mich war.

Hier ein kleiner Einblick auf ein ganz wundervolles afrikanisches Mädchen, das für immer einen Platz in meinem Herzen hat:

Alinda Daphine im Jahr 2015





Während der Ferien war Alinda Daphine bei ihrem Vater, der HIV-positiv ist.


Eins ihrer letzten Fotos



Antwort geändert am 19.11.2024 um 18:22 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 20.11.24 um 23:46:
Der Wunsch, liebe Sigrun, es möge ihr trotz allem gut gehen, ist schier überwältigend. Die Wut über die Verbrecher, denen sie mutmaßlich in die Hände gefallen ist, ist es ebenso.
Dies ist eine kranke Welt!

 Graeculus meinte dazu am 20.11.24 um 23:52:
An ran:


Je näher man dran ist, je mehr kann man bewirken.

Ein direkter, mindestens visueller Bezug - wie Sigrun ihn durch die Photos und wohl auch Briefe hat - ist mir, für meine Gefühle wichtig.
Bei den Opfern im Kosovo "behelfe" ich mir mit meiner Phantasie.
ran (40) meinte dazu am 21.11.24 um 20:50:
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 Graeculus meinte dazu am 22.11.24 um 15:38:
Emotionale Nähe bei räumlicher Entfernung? Ja, aber auch, wenn Du dem betreffenden Menschen nie nah warst?
Das passiert bei mir jedenfalls selten ... aber bei anderen mag es anders stehen.
Saira hat ja offenbar Bilder und Briefe gewechselt.
ran (40) meinte dazu am 22.11.24 um 16:12:
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 Saira meinte dazu am 22.11.24 um 17:05:
@Graeculus
@ran
 
Alinda Daphine hatte nichts außer ihrer schmutzigen Kleidung am Leib, als sie bei Abaana Afrika unterkam. Ihre Mutter war tot, ihr Vater HIV-positiv. Sie war geistig und körperlich zurückgeblieben und lebte mit ihrem Bruder und Vater in einer Hütte im Urwald, ohne Aussicht auf eine glückliche Zukunft, wie viele Kinder es in Uganda tun.
 
Uns war egal, welchem notbedürftigen Kind wir helfen würden; es sollte nur ein Mädchen sein, weil Mädchen es in Uganda besonders schwer haben. Wir durften für Alinda Daphine die Patenschaft übernehmen. Ich verliebte mich sofort in dieses kleine Mädchen.
 
Unsere erste Spende war eine Grundausstattung:


Dann besorgte ich Wäsche, Zahnbürste, Seife, Vitamine, einen Rucksack, eine Puppe und mehr:



Unser Kater half mir beim Packen:



 

Unser erster Briefkontakt. Ich veröffentliche ihn, um zu zeigen, wie sehr man auch auf Distanz Liebe empfinden kann:








Unsere Enkeltochter Mia Mavie bastelte für Alinda Daphine und suchte Spielzeug aus ihren Sachen aus, um sie dem kleinen Mädchen, das so wenig besaß, zu schenken. In gewissen Abständen kam Mia auf mich zu und bat mich wieder ein Päckchen zu packen, was wir dann auch gemeinsam taten:



Mia hat seither viel über die Menschen in Afrika gelernt, denn sie will so viel wissen und ich beantworte ihr sehr gerne ihre Fragen. Ihr drei Jahre jüngerer Bruder Luis Carlos hat sich ebenfalls nach dem Mädchen, von dem sich so schöne Fotos an unserem Kühlschrank befinden, erkundigt.

Beide Enkelkinder zeigen großes Interesse an den armen Kindern weltweit.
ran (40) meinte dazu am 22.11.24 um 17:22:
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 Saira meinte dazu am 22.11.24 um 17:28:
Liebe/r ran,

das stimmt <3

 Graeculus meinte dazu am 22.11.24 um 22:53:
Danke, Saira. Das ist eine Geschichte, der ich von Herzen ein schönes Ende gewünscht hätte.

An sich jedenfalls ist diese Idee, mit einem persönlichen Kontakt zu einem Kind zu helfen, für das man die Patenschaft übernimmt, sehr gut.
ran (40)
(17.11.24, 15:38)
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 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 15:59:
Dieses Schweigen gibt es - es ist aber nicht das, was mit dem "gigantischen Schweigen im Herzen der Dinge" gemeint ist. Die omertà kommt im Text dort vor, wo im Prozeß Zeugen ihre Aussage zurückziehen ... oder beseitigt werden.
Das andere ist ein, sozusagen, metaphysisches Schweigen. So zitiert Jesus, am Kreuz sterbend, aus den Psalmen: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Und es gibt keine Antwort. Das Universum schweigt.
Es schweigt auch bei allen Fragen zu Ramush Haradinaj und Konsorten.
ran (40) meinte dazu am 17.11.24 um 16:39:
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 Graeculus meinte dazu am 17.11.24 um 23:22:
Ich weiß eigentlich auch nicht, wie das Universum zu uns sprechen sollte. Aber das (von mir so genannte) metaphysische Schweigen, das gibt es, das spüre ich. Da ist keine Antwort auf unsere Probleme und Fragen. Nicht seit dem Verlust des Glaubens an einen sich uns offenbarenden Gott.

Ich erinnere mich und Dich an den Schluß von "Drive my Car", über den wir einst gesprochen haben:

Was soll man machen, wir müssen leben! Pause. Wir werden weiterleben, Onkel Wanja, eine lange, lange Reihe von Tagen und von langen Abenden; wir werden geduldig die Heimsuchungen tragen, die uns das Schicksal sendet; wir werden für andere arbeiten, jetzt und wenn wir alt sind, und keine Ruhe kennen, und wenn unsere Stunde schlägt, werden wir gehorsam sterben [...]

Wir werden weiterleben ... mit Ramush Haradinaj und Konsorten.
ran (40) meinte dazu am 18.11.24 um 06:00:
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 Graeculus meinte dazu am 18.11.24 um 17:31:
Die Welt wendet sich dadurch zum Besseren, jeden Tag. Wir erkennen das nicht, wenn wir eine Wendung zum Perfekten erwarten. Wir erkennen das sofort, wenn wir uns eine Welt ohne individuelle Besserungen vorstellen.

Ich vermag das kaum zu erkennen. Zumal es ja immer schon Gutes wie Schlechtes gab in dieser Welt. Nicht alle Menschen sind skrupellose Mörder und waren es nie. Gibt es heute mehr gute Menschen als vor 100 oder 1000 Jahren?

Strukturelle Verbesserungen gibt es auch, z.B. die Idee der Menschenrechte. Und was erleben wir? Daß sie als quasi-kolonialistischer Versuch des "Westens" denunziert werden, der Welt seine Wertvorstellungen zu oktroyieren.

Was ich immerhin feststellen kann:

Diktatoren lieben den schönen Schein. Dies ist ihre Verbeugung vor Demokratie und Menschenrechten.

Das war nicht immer so.
ran (40) meinte dazu am 18.11.24 um 17:37:
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 Graeculus meinte dazu am 18.11.24 um 17:47:
Oh, ich meinte prozentual. Sonst hätten wir die Frage am Hals, ob es nicht auch mehr schlechte gibt.

Ich merke, daß selbst kleine Hoffnungsfunken Dich erfreuen. Das ist auch in Ordnung. Wenn man nur die andere Stimme, die warnende, skeptische, zuweilen auch pessimistische nicht verdrängt. Pessimismus schützt vor Enttäuschung, Optimismus läßt den Enttäuschten leichter wieder aufstehen.
ran (40) meinte dazu am 19.11.24 um 10:41:
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 Graeculus meinte dazu am 19.11.24 um 16:24:
Nein, Du verleugnest sie nicht; das ist auch nicht mein Eindruck. Vielleicht(!) siehst Du mehr Lichtpunkte als ich.
Aber Saira/Sigrun hat einige genannt - wobei die Erfahrung mit dem Patenkind ... ach, siehst Du?
ran (40) meinte dazu am 19.11.24 um 16:28:
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 Graeculus meinte dazu am 20.11.24 um 23:43:
Du würdest sie nicht einmal finden, geschweige denn retten (befreien) können.
Aber der Impuls, es zu versuchen, der ist menschlich.

 Graeculus meinte dazu am 22.11.24 um 19:51:
Eben gab es im arte journal einen Bericht über ein weiteres Verbrechen an der Zivilbevölkerung, von dem man hier kaum etwas erfährt: die Gewalttaten der äthiopischen Armee an den Menschen, vor allem Frauen, in der rebellischen Provinz Tigray bis 2022.
Wenn ich es recht verstanden habe, soll die komplette Reportage morgen um 17.25 Uhr auf arte gesendet werden.
Das Geschilderte ist kaum erträglich.

 EkkehartMittelberg (19.11.24, 16:53)
Hallo Wolfgang,
indem du nicht schweigst, hast du für dich einen Anfang gemacht und bist aus der Passivität herausgetreten.
Das Meeer des Schweigens scheint grenzenlos zu sein. Wir können Tropfen daraus auffangen und in Sinn verwandeln.

 Graeculus meinte dazu am 20.11.24 um 23:42:
Es kommt mir so wenig und so hilflos vor, lieber Ekkehart. Und dabei habe ich hier nur über eine kurze Episode aus dem Kosovo berichtet. Wieviel mehr an Leid gibt es!

Eben habe ich in einem Dokumentarfilm eine Szene gesehen, in der Laboraffen (Schimpansen), sozusagen aufs Altenteil geschickt, erstmals in ihrem Leben ins Freie durften. Die Intensität ihrer Gefühle war förmlich zu sehen.

 EkkehartMittelberg (19.11.24, 16:57)
Der ursprüngliche Kommentar wurde am 19.11.2024 um 16:58 Uhr wieder zurückgezogen.
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