Das Klagelied der treuen Dirne

Märchen zum Thema Hoffnung/Hoffnungslosigkeit

von  GillSans

Es begab sich zu jener Zeit als die Nächte dunkler , die Sterne strahlender und die Wälder tiefer waren als in heutigen Zeiten.
Da lebte eine brave Dirne die bei einem Bauern im Dienste stand. Sie tat immer treu und redlich ihre Pflicht.
Der Bauer jedoch war geizig und kaltherzig. Er belohnte jene Holde mit einer Schale Brei und einem undichten Dach über dem Kopfe.
Spät abends nach getaner Arbeit und mit stets knurrendem Magen sass das treue Mädchen am Fenster seines kleinen Kämmerleins, bürstete sein langes blondes Haar und hob ein melancholisches Liedchen an zu summen.
Vor dem Fenster des kleinen Kämmerleins stand eine alte Eiche.
Als die Dirne einmal wieder ihr Klagelied in den Abendwind summte hörte dies eine Krähe, die auf dem Wimpfeln des alten Baumes verweilte.
Das klägliche Summen konnte nicht anders: es versteckte sich im Gefieder der Krähe und als diese im Morgengrauen die alte Eiche verlies um in den Tiefen des umliegenden Waldes zu fliegen, hatte die Dirne am anderen Abend nach getaner Arbeit ihre Melodie verloren.
Sie summte ihr Lied eine zeitlang stumm aus dem Kammerfenster in den Abendwind.
Da wurde sie gar traurig und seltsam gestimmt.

Die Krähe jedoch unterdessen flog durch den dunklen Tann und das traurige Lied summte derweil durch ihr Gefieder und verlor sich irgendwann zwischen den Zweigen der hohen Tannen, um in einem Tannenzapfen hängen zu bleiben und in die Tiefe zu stürzen.
Das kleine Klagelied fand sich in einem Moosbett wieder und summte traurig, leise seine melancholische Melodie über den Waldboden.

Die treue Dirne unterdessen wurde immer seltsamer in ihren Gedanken und ward stumm unter ihrem Fenster.
Doch tat sie stets ihre Pflicht.
Bis ihr eines Tages abermals die Krähe vor dem Fenster ihrer Kammer begegnete.

Man sagt, das Mädchen sei geistig umnachtet gewesen.
Aus Trauer hätte sie sich aus dem Fenster gestürzt.
Doch in Wahrheit flog sie mit der Krähe in die Tiefen der Wälder um ihr Klagelied  zu finden.

Doch wir hören sie längst nicht mehr, weil unsere Nächte nicht dunkel genug sind, wir die Sterne nicht mehr sehen und wir glauben, wir kennen alle Wege, selbst durch die tiefsten Wälder.

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Kommentare zu diesem Text

Stefan_P. (58)
(07.08.07)
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 GillSans meinte dazu am 07.08.07:
Danke Dir lieber Stefan, nur langsam habe ich das Gefühl, du bist die einzigste Seele die mich gerade liest.....aber wenigstens eine...
liebe Grüße, die Gill

 Prinky (07.08.07)
Das hat mich an die gute, alte Märchenzeit erinnert. Es war einfach schön geschrieben, in einer Sprache Gill, die mich unweigerlich zurück in meine Kindheit führte.
Nur, warum unbedingt Dirne? War das ein Ausspruch in älterer Zeit, einer für Hauswirtschafterin, oder war gar wirklich des Bauers Dirne für kuschelige Stunden gemeint?
Gute Nacht Grüße Micha

 GillSans antwortete darauf am 07.08.07:
Nein, damals war der Ausdruck Dirne, nicht das was es heute heisst, eine Dirne war ein junges Mädel ...ein unbedachtes noch nicht erwachsenes Ding eben )))
Lübe Grüße die Gill
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