Das menschliche Bestreben nach Licht im Dunkeln

Text zum Thema Selbsthass/verletzung/mord

von  ZornDerFinsternis

Grau in Grau zeichnet sich der Himmel über meinem Kopf. Die Tannenwipfel kitzeln die bedrückende Wolkendecke aus Beton – der Himmel verzieht keine Miene. Irgendwo hier unten, sitze ich. Es ist kalt und einsam hier. Der Lärm der Straße, das Einzige, das von Leben zeugt. Sitze hier unten, wo es dunkel ist. Wo es einsam ist – allein. Stunden und Tage ziehen bedeutungslos an mir vorüber. Der Aschenbecher füllt sich im Minutentakt – meine Lunge voll Teer. Und irgendwo in mir drin, erhoffe ich mir, schließt sich die klaffende Wunde in meinem Herzen. Hört meine Seele auf, rote Tränen zu weinen. Diese Stadt, das Leben, monoton – trostlos. Es gibt keine Gewissheit. Nur, dass  das Leiden mit dem Tod endlich ein Ende nimmt. Das kleine Gärtchen vor dem Haus ist gepflegt. Es ist Mitte Mai. Und noch immer wollen die kleinen, bunten Blumen nicht einen winzigen Lichtkleks in meine Finsternis setzen. Das alte, weiße Haus steht noch immer dort. Etwas verwittert und gealtert. Aber immer noch standhaft. Kleine Risse im Mörtel und ein paar Spinnen, die in ihren Netzen tanzen. Es gibt keinen Halt – keine Beständigkeit. Aufsteigen und tiefer fallen – der Kreislauf des Lebens. Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst… - all das habe ich hier schon gesehen. Blumenmeer und gesprenkeltes Laub im glanzlosen Rasen. Pfützen, knöcheltief und Schneedecken, bis vor die Haustür reichend. Manches Mal, sehne ich mich zurück. Zurück, in Kindertage. Wo Leben nicht so hart und ernsthaft war. Wo es einfach war, zu lachen. Wo es keine Schwäche war, zu weinen. In diese Zeit, in der noch das Wunschdenken an wahre Liebe und ein glückliches Dasein lebten. An diese Tage, die einfach nur da waren. Tag waren. Tag und kein alltäglicher Alptraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Erinner mich nicht mehr an dieses Gefühl von Leichtigkeit; Unbeschwertheit. Seit 8 Jahren schleppe ich diese tonnenschwere Last auf meinen müden Schultern. Auf Schultern, die brechen wollen. Muss tapfer sein. Lächeln. Weitergehen. Nicht stehenbleiben. Auch, wenn mein Innerstes ganz anders aussieht. Darf nicht weinen. Keinen Schmerz mehr an mich heranlassen. Kann keinen weitern Verlust mehr (er)tragen. Vermisse die Menschen, die mir in meinem Leben Halt und Liebe gegeben haben. Die Geborgenheit, in diesem finsteren Auf und Ab des Alltags; des Lebens. Sehne mich nach Wärme. Licht in Dunkelheit. Selbst die Sterne haben sich in diesen endlosen Lebensnächten von mir (ab)gewandt. Es gibt keinen Ausweg aus diesem gewaltigen Sog des Zornes und der Einsamkeit. Die Vergänglichkeit folgt mir überall hin. Ist meine dunkle Seite und Schatten. Nur Alkohol lässt mich diese fremde Leichtigkeit spüren. Nur die Messerschnitte schaffen es, für wenige, kurze Augenblicke, Wärme und Sorglosigkeit (in mich) zurückzubringen. Manchmal, überkommen mich wieder diese kindlichen, naiven Gedanken; Phantasien. Träume davon, wie ein Vogel über die Dächer und das Elend davonzufliegen. Immer näher an die Wolken. Die Sonne. Die Sterne. Das Bestreben des Menschen ist es nun mal, im Licht zu stehen. Habe viele Kerzen angezündet. In mein Fenster gestellt. Oft geträumt, deinen gefallenen Stern wiederzufinden. In meinem Herzen zu tragen. Doch nach all den vielen Monden und Wintern, scheint es ein wertloser Traum gewesen zu sein. Kein Schritt, den höchsten Berg hinauf, hat mich dir nähergebracht. Und so ziehe ich wieder los. In die Tiefen des Waldes. Durch dichtes Tannendunkel. Über Blätter, Geäst und Gestein. Stolpere durch die Nacht. Dem Vollmondlicht entgegen. Mit schwerem Herzen und zerfetzter Seele. Knie neben dem kühlen Stein, der einst deinen Namen trug – in winzigen, goldenen Lettern. Falle auf die Knie. Erhebe den Blick nicht Richtung Himmel; Erlösung; Unendlichkeit. Öffne den trockenen Mund, der nie mehr viele Worte verlor, seitdem du gingst. Spüre die Tränen sich ihren Weg bahnen. Stecke den eisigen Lauf in meinen Hals. Schließe die Augen. Dunkelheit. Eine andere, neue Finsternis. Eine, an deren Ende, ein warmes Licht auf mich warten wird. Eine, die mir wieder Flügel schenken wird. Muss schlucken und mit Brechreiz kämpfen. Die Zeit läuft nicht mehr weiter gegen mich. Ich drücke den Abzug – Stille.

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