Ehre, wem Ehre gebührt

Erörterung zum Thema Moral

von  loslosch

Fidem qui perdit, quo se servit relicuo [=reliquo] (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Wer seine Ehre verliert, was behält er (dann noch für) sich übrig?

Vom Ehrbegriff hängt die Quintessenz der Aussage ab. Entweder die Ehre verlieren und sich nicht mehr im Spiegel betrachten können (Selbsteinsicht, Selbstverständnis) oder im Reflex der Außenwelt die Ehre verlieren. Im aktuellen Fall geht es um die Aberkennung des Doktortitels von Karl Theodor zu Guttenberg. Der Baron räumt - nach dem bekannten Muster - immer nur das ein, was längst bewiesen ist. So die grobe Missachtung wissenschaftlicher Standards, nicht jedoch das bewusste Plagiieren, Verfälschen. Diese Darstellung ist für den Fall stimmig, dass er einen Ghostwriter beschäftigt hatte. Weil das aber ein noch gröberer Verstoß gegen wissenschaftliche Standards wäre, sitzt er jetzt in der Falle. So, so, da schreibt einer ab, ohne es zu merken ...

Wenn nun eine breite Öffentlichkeit, quer über das Parteienspektrum, mehrheitlich hinter ihm, dem amtierenden Verteidigungsminister, steht, hätte er gar keine Ehre verloren. Haben die Bürger einen gespaltenen Ehrbegriff? Motto: Jeder hat mal geschummelt. Dieser Minister büßt, so jene Mehrheit, für eine kleine "Schummelei" den Doktortitel ein, bittet sogar um den Titelentzug. Genug der Buße also.

Eine Erklärung für dieses Phänomen dürfte sein, dass nur rd. 15% der Wahlberechtigten einen akademischen Abschluss (Uni, TU, FH, PH) hat und 85% die erforderliche Sachkenntnis fehlt. Diese 85 % denken wohl zu einem hohen Prozentsatz: "So ein hoher Doktor verzichtet auf den Titel. Respekt, Respekt." Und wie mögen die Doctores selbst urteilen? Nur etwa 1,7% der Volljährigen verfügen über diesen Titel. Selbst wenn ihn 40% à la Guttenberg erschlichen hätten, so wäre gleichwohl jeder Sechzigste der volljährigen Deutschen oder gut 1 Mio. in der Lage, das Ausmaß des Betruges zu ermessen. 400.000 der Promovierten hätten jedoch ein augenzwinkerndes Mitgefühl für den Baron.

Eine tragfähige Basis fürs politische Überleben? Keine tragfähige Basis fürs Business as usual. "Vox populi vox Rindvieh", spricht der Neulateiner.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (42)
(26.02.11)
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 loslosch meinte dazu am 26.02.11:
Wusste Gutti, er bat ja nur darum. Allerdings Firlefanz. Guter Minister vllt, weil er die Wehrpflicht aussetzt und oft nach Kundus fliegt. Die Pflegedienste aber jammern jetzt, und die BW wird zu einer Armee mit "Profis in Uniform".

Zur schönen Frau: De gustibus ... Die Gechmäcker der Bestecke sind verschieden. Lothar
Wellblecheisenbahn (39) antwortete darauf am 26.02.11:
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 loslosch schrieb daraufhin am 26.02.11:
Ich versuche, die Umfragewerte zu interpretieren, nichts sonst! Lies genau: "Profis in Uniform", Anspielung auf Staatsbürger in Uniform.

Das Neueste aus der SZ: Der Ombudsmann von Bayreuth, ein Prof. Dr. iur., prüft jetzt auf Täuschungsabsicht. Und er hat Gutti als Teil des mehrköpfigen Gremiums vor drei Jahren die Summa cum laude verpasst. Ich bin fast vom Stuhl gefallen. Er war nicht in der Lage, sich für befangen zu erklären. Es wird immer doller!! Lothar

 Bergmann (26.02.11)
Mein Lieber,
du kannst ruhig die Millionen hinzurechnen, die im Gymnasium eine Facharbeit schrieben, alle Examens- und Diplomarbeiten - es muss nicht nur bei Dissertationen streng zitiert werden.
LG, Uli

 loslosch äußerte darauf am 26.02.11:
Examens- und Diplomarbeiten sind schon drin (FH, PH). Nicht aber die Facharbeiten im Gym; denn mancher mag Gutti ob seiner Dreistigkeit noch "bewundern". Mein Sohn behandelt das Thema im Politikunterricht am Gym, muss zT gegen naives Schmunzeln ankämpfen. Lothar

 Bergmann ergänzte dazu am 26.02.11:
Guttenberg ist bei mir erst mal unten durch, die sogenannten Konservativen bei CDU, CSU und F. D. P. sowieso und jetzt noch mehr.
Das Lächeln der Schüler soll dein Sohn sich aber mal übersetzen lassen - nicht einfach hinnehmen. Und Facharbeiten so absprechen, dass gar nicht geschummelt werden kann! Das geht weitgehend! LG, Uli

 loslosch meinte dazu am 26.02.11:
Das Lächeln ist sicher vielschichtig: über seine Naivität, über seine Kaltblütigkeit (Blaublütigkeit?). Ich muss ihm mal was Weises mit auf den Schulweg geben, Uli. Lo
EliasRafael (50)
(26.02.11)
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 loslosch meinte dazu am 26.02.11:
Spruch eines französischen Diplomaten des 18./19. Jh. Bitte nicht auf Diktaturen anwenden, auf Demokratien schon eher. Bush durfte nicht zum 3. Mal kandidieren. Da passte der Spruch. Vllt. nimmt sich das der dt. Wähler zu Herzen ... Lothar
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