Schulgeschichten. Was hat Sartre mit Kohl zu tun?

Erzählung zum Thema Generationen

von  EkkehartMittelberg

In meinen Schulgeschichten habe ich auch düstere Seiten von Schule in den 50er Jahren beleuchtet. Diesmal kann ich Erfreulicheres zu berichten, jedoch nicht nur. Das Unerfreuliche ist jedoch nicht der Schule zuzuschreiben, die ich erlebte.

Als wir 1955 in die Oberstufe versetzt wurden, hellte sich das Lernklima auf. Das lag zum einen daran, dass wir nicht mehr geschlagen wurden, und zum anderen daran, dass auf der Oberstufe junge engagierte Lehrer eingesetzt wurden, denen daran lag, uns zu guten Demokraten zu erziehen.
So kam es, dass sich einige von uns, je nach Begabung und Neigung unterschiedlich, auf die eine oder andere Schulstunde freuten.

Ich war von dem Deutschunterricht fasziniert und das, obwohl wir weiterhin die Klassiker lasen, die mich auf der Mittelstufe gelangweilt hatten, weil dort oberflächlich Inhalte nachgebetet wurden,die für die Adenauer-Zeit systemstabilisierend waren. Das sollte sich nun gründlich ändern, weil der Deutschlehrer uns beibrachte, gegen den Strich zu lesen und gerade das zu diskutieren, was eine bürgerliche Tradition der Klassiker übersehen und bewusst stillgelegt hatte.

Auf der Mittelstufe hatte keiner von uns Lust „ Die Jungfrau von Orleans“ zu penetrieren. Schiller konnte uns gestohlen bleiben. Wir staunten jetzt nicht schlecht, welch revolutionäre ketzerische Gedanken sein Franz Moor in den „Räubern“ dachte.
Selbst ein „Langweiler“ für junge Menschen wie Goethes „Wahlverwandtschaften“, ein Roman, in dem sich in einer seltsam ort- und zeitentrückten Handlung trotz Eheschranken zwei Liebespaare über Kreuz finden, die aber ihre sexuellen Bedürfnisse nicht ausleben und von denen eines an den Folgen von Entsagung stirbt, wurde in diesem Deutschunterricht erträglich, weil der Roman nicht als Apologie der Ehe interpretiert wurde, sondern klar wurde, dass Goethe es dem denkenden Leser überlässt, seine eigenen Schlüsse für sein Verhalten zu ziehen.

Aber es waren nicht in erster Linie die deutschen Klassiker, sondern internationale Literatur, die einigen von uns das Gefühl von Freiheit im dumpfen Mief eines Jahrzehnts der Restauration spießbürgerlicher Moral gaben.

So lasen wir zum Beispiel von Albert Camus „Die Pest“als Beispiel für die Philosophie des Absurden, von Sartre „ Das Spiel ist aus“ als Beispiel für den philosophischen Determinismus (das Geschehen ist durch Vorbedingungen festgelegt) und die Parabel vom Großinquisitor als Herzstück der Gebrüder Karamasov von Dostojewski. Ich erkannte bald, dass der französischen Lektüre nicht wirklich die Philosophie des Existentialismus zugrunde lag und dass es sich bei der Parabel von Dostojewski um eine relativ gemäßigte Kritik am Christentum handelte , aber die Inspiration reichte, dass ich die Stadtbibliothek wegen weiterer Stücke von Sartre aufsuchte, um eine radikale Alternative zu der damals in den Massenmedien dominierenden christlichen Erbauungsliteratur zu finden.

Ich orientierte mich an vielversprechend aufsässigen Titeln und so kam ich mit „Der ehrbaren Dirne“ und den „Schmutzigen Händen“ nach Hause. Meine Eltern waren wie einige Erzieher ihrer Generation damals noch im nationalsozialistischen Denken befangen, hatten aber eine Rückkehr zur Kirche beschlossen. Sie verfolgten den umerziehenden Deutschunterricht mit Misstrauen, wagten aber nicht den Deutschlehrer des humanistischen Gymnasiums, zu dem sie mich geschickt hatten, offen in Frage zu stellen. Ich hätte mich hinter einer angeblichen Empfehlung des Pädagogen verstecken können, gab aber meine Buchauswahl wahrheitsgemäß als eigene Entscheidung aus.
Die Eltern hatten überhaupt keine Ahnung von der Philosophie Sartres, spürten aber intuitiv, dass diese ihre Erziehungsideale radikal in Frage stellen würde, und so ergab sich schnell ein substanzloses Streitgespräch, in dem wir aneinander vorbeiredeten. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass sie Sartre einen respektlosen Nihilisten nannten, der alle bürgerlichen und christlichen Tugenden, ohne einen Ersatz dafür bieten zu können, niedermache. Sie sahen zwar berechtigt in Sartre einen antibürgerlichen Autor. Dennoch warf ich ihnen nicht  unberechtigt vor, über Dinge zu reden, von denen sie nichts verstünden.
Wir hatten einen sehr großen Garten, dessen Erträge wegen des kleinen Gehalts meines Vaters für unseren Lebensunterhalt notwendig waren. Das sah ich ein, und so arbeitete ich nolens volens im Garten mit. Aber unser Streitgespräch mündete in dem Befehl: „Du gehst jetzt in den Garten und gräbst das Kohlbeet um. Das wird dich von deinem Sartre kurieren.“
Was sollte ich machen? Ich wollte studieren und war von meinen Eltern abhängig. So ließ ich dann meine Wut an den Kohlstrunken aus, die ich ihrer Existenz beraubte.
Falls Sie darauf gewartet haben, dass ich etwas über Helmut Kohl sagen würde. Der hatte mit Sartre auch nie was am Hut.

© Ekkehart Mittelberg, März 2014

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (28.03.14)
"Meine Eltern waren wie einige Erzieher ihrer Generation damals noch im nationalsozialistischen Denken befangen, hatten aber eine Rückkehr zur Kirche beschlossen."
Ganz ehrlich, besser kann man die Absurdität der deutschen Gesellschaft der 50er des letzten Jahrhunderts nicht zusammenfassen. Da steckt jede Menge drin - das der Erwachsenenwelt von damals nicht zur Ehre gereicht...
"Sie verfolgten den umerziehenden Deutschunterricht mit Misstrauen, wagten aber nicht den Deutschlehrer des humanistischen Gymnasiums, zu dem sie mich geschickt hatten, offen in Frage zu stellen."
Gott schütze unsere goldenen Gundsätze! *kicher*


Es ist heute kaum mehr vorstellbar, das die Auswahl von Lektüre in diesem Maße zu Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern führt. Aber wahrscheinlich hat das Fernsehen und das Internet - bzw. der TV- und Netzkonsum - diese Position übernommen, was aber der Literatur auch einen neuen Freiraum verschafft. Und wenn ich einmal auf etwas abheben darf was ich geschrieben habe: Ich denke, meine Geschichte über Lamrec Acala hätte man in den 50er nicht als Unterhaltung gewertet, sondern mir ziemlich übel genommen... aber das kann ich natürlich nur vermuten.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Danke, Trekan, es wird dich nicht wundern, dass mir dein Kommentar gefällt.
Mit deiner Vermutung zu Lamrec Acala, in die 50er Jahre projeziert, liegst du wohl richtig.
BellisParennis (49) antwortete darauf am 28.03.14:
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 Didi.Costaire (28.03.14)
Guten Morgen, Ekki!
An Helmut hatte ich bei der Überschrift auch zuerst gedacht, ihn aber angesichts der Zeit, in der sich deine Schulerlebnisse abspielten, nicht in deinem Text vermutet.
Es ist interessant, wie du den
dumpfen Mief eines Jahrzehnts der Restauration spießbürgerlicher Moral
beschreibst. Hättest du es damals, als du spätere Moralvorstellungen noch nicht kanntest, auch schon so beschrieben?
Das starke Interesse der Eltern am Unterrichtsstoff ist mir wie Trekan auch besonders aufgefallen.
Ein lesenswertes Stück Zeitgeschichte aus persönlicher Sicht.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.03.14:
Merci, Didi, zu deiner Frage: Damlas gab es unter meinen Klassenkameraden eine große Begeisterung für Jazz: Benny Goodmann, Duke Ellington, Mike Davis zum Beisiel. Diese musikalische Weltläufigkeit täuschte uns über die geistige Enge hinweg. Aber als ich anfing, die Franzosen und Russen zu lesen und gleichzeitig den Gesprächen meiner Eltern mit ihren Freunden zuhörte, da empfand ich damals schon genau das, wonach du fragst.
Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 (28.03.14)
Mehr davon. Unser Deutschlehrer ließ samstags den Kopf aufs Pult sinken: Ich bin so müde wie das alte Österreich. Wir lasen Grillparzer. Als Referendar kam dann allerdings Heinz Küpper, der sich bald als Schriftsteller einen Namen machte. Der Unterricht gewann sehr. Ein junger Griechisch- und Geschichtslehrer führte uns in neue Dimensionen. Mit unserem Religionslehrer diskutierten wir nächtelang über Sartre und Camus. LG

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.03.14:
Aufschlussreich, Armin, dass du die Begeisterung junger Intellektueller für Camus und Sartre in den 50er Jahren bestätigst.
Die morbide Müdigkeit der kuk-Schrifsteller hat natürlich auch ihren Charme, aber selbstverständlich nicht für junge Menschen.
Merdi
Ekki

 monalisa (28.03.14)
Du musst wirklich einen außerordentlich fähigen Deutschlehrer gehabt haben, Ekki, der es verstand allgemein Tradiertes zu hinterfragen und das Interesse der jungen Leute zu wecken. Das gelingt dir hier ebenfalls scheinbar mühelos.
In dieser Schulgeschichte kommt – noch mehr als in den anderen, denke ich – deine Fähigkeit zum Tragen, kurz und prägnant, in klaren und eingängigen Sätzen ungeheuer viel zu umfassen.
Zum Beispiel, das schon von Trekan angeführte
Meine Eltern waren wie einige Erzieher ihrer Generation damals noch im nationalsozialistischen Denken befangen, hatten aber eine Rückkehr zur Kirche beschlossen.

bringt einfach und plausibel am konkreten Beispiel auf den Punkt, was geradezu symptomatisch für die Zeit war.
Oder hier bezüglich 'Wahlverwandtschaften'
... weil der Roman nicht als Apologie der Ehe interpretiert wurde, sondern klar wurde, dass Goethe es dem denkenden Leser überlässt, seine eigenen Schlüsse für sein Verhalten zu ziehen.

Da eröffnet sich in wenigen Worten eine sehr viel 'tiefere' Sichtweise, andere spannende Zugänge, als es gemeinhin der Fall war und auch ist, denke ich.
Ich spüre da in mir große Lust, mir einige der genannten Werke (wieder) zu Gemüte zu führen, weckt auch Erinnerung an meinen Deutschunterricht und Diskussionen, die ich ca. 20 Jahre später als du geführt habe ... Ekki, ich hätt dich gern damals zum Lehrer gehabt!
Nun, es ist ja noch nicht zu spät. Ich freu mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, von dir zu lernen.
Noch etwas, ganz allgemein: Ich freu mich immer, wie sorgfältig und 'liebevoll' deine Texte gestaltet sind, dabei nicht mehr scheinen wollen, als sie sind, sondern gerade durch ihre einfache Klarheit bestechen.

Liebe Grüße,
mona

P.S.: An Helmut Kohl hab ich überhaupt nicht gedacht. Aber in deiner abschließenden Bemerkung, blitzt so ein liebenwerter Schalk auf )

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 28.03.14:
Vielen Dank für deinen liebenswürdigen Kommentar, Mona. Falls du Lust hast, dir mit Amüsement ein Bild zu machen, wie es in der literarischen Szene der 50er Jahre zuging, empfehle ich dir Karlheinz Deschner: "Kitsch, Kunst und Konvention". Wenn man das liest, wird einem klar, warum deutsche und österreichische Schriftsteller damals im internationalen Dialog die Akzente nicht setzen konnten.
Ja, Sartre und Camus: Ich denke, sie haben an Aktualität und Faszination nichts eingebüßt. "Die schmutzigen Hände" thematisieren zum Beispiel den heute weltweit immer noch herrschenden Konflikt in allen linken Parteien zwischen utopisch idealisierender und pragmatischer Auffassung von Politik.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 28.03.14:
Ja, Ekki, ich hatte das große Glück, 2013 eine tolle, zeitlos inszenierte Aufführung von 'Die schmutzigen Hände' im Theater Phönix in Linz zu sehen, sodass es mir noch ganz gut in Erinnerung ist.
Karlheinz Deschners 'Kitsch, Konvention und Kunst' meinst du, könnte was für mich sein? Danke für den Tipp!
Liebe Grüße,
mona

 loslosch (28.03.14)
zu kohl fällt mir ein: lieber nochmal pest als kohl-ära.
BellisParennis (49) meinte dazu am 28.03.14:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Lothar, du bist ein Mann klarer Entschlüsse. Manche können sich zwischen Pest und Kohlera nicht entscheiden.

 susidie (28.03.14)
Ein sehr interessantes Stück Zeitgeschichte, das - gerade jüngeren Semestern - einen Einblick erlaubt, welch großen Einfluß Schule und die jeweiligen Lehrkräfte in dieser Zeit hatten. Welch Glück, wenn man dann gerade im Fach Deutsch sich mit kritischer Literatur auseinandersetzen durfte. Und sich dadurch Gedanken an Freiheit manifestierten. Für die Eltern sicherlich ein Schock. Andererseits, die Kompetenz des Lehrers wurde trotzdem nicht in Frage gestellt. Obrigkeitsdenken!?
Auch gefällt mir sehr wie kurz aber prägnant du 'Rahmenbedingungen' schilderst, wie - in der Oberstufe wurden wir nicht mehr geschlagen - und - dass durch die körperliche Arbeit im elterlichen Garten, der Sartre wohl schon ausgetrieben wird. Was wohl trotzdem misslang :)
Ein wunderbarer süffisanter Satz rundet die ganze Erzählung ab. Beim Titel musste ich tatsächlich an Helmut denken.
Ich freue mich auf weitere Schulgeschichten aus deiner Feder. Lehrreich und spannend und ein Blick hinter die Kulissen, das alles bietest du damit. Danke dafür.
Liebe Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Liebe Su,
"...welch großen Einfluß Schule und die jeweiligen Lehrkräfte in dieser Zeit hatten."
Liebe Su, man denkt im ersten Moment: Das war doch immer so. Zugegeben: Schule hat als Verteiler von Lebenschancen auch heute noch einen unvermindert großen Einfluss. Aber heute errichten die Medien neben der Schule weitaus stärker eine Parallelwelt, in der Jugendliche sich von ihr frei machen können. Mit welchen Folgen will ich hier nicht diskutieren.
Aber das bisschen Film, das wir in den Fünfzigern sahen (für ständigen Konsum reichte die Kohle nicht), konnte die übermächtigen Schulerfahrungen nicht verdrängen.
Eine hoffentlich amüsante Schulgeschichte möchte ich noch schreiben.
Liebe Grüße
Ekki
Graeculus (69)
(28.03.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Danke, Graeculus, wie ich finde, hast du mit "bleierne Zeit" eine gute Charaktieristik für die Kultur der 50er Jahre gewählt. Was die Literatur angeht, könnte man einwenden, dass es doch in dieser Zeit die "Gruppe 47" gab, deren Namen weitgehend heute noch für emanzipative Literatur stehen. Schon richtig, dass diese Autoren die Schlagzeilen beherrschten, aber das tatsächliche Leseverhalten der bürgerlichen Leser wurde von
Literaten bestimmt,d ie sich vorwiegend mit religiösen Themen befassten: Werner Bergengrün, Hans Carossa, Stefan Andres, Paul Claudel, um nur einige Namen zu nennen, die heute in der Versenkung verschwunden sind, aber mit der Wahl ihrerThemen die "ecclesia triumphans" bestätigten.
Pocahontas (54)
(28.03.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
"die Einblicke in eine Zeit gewährt, in der ich noch nicht geboren war."
Liebe Sigi, man gönnt sich zu wenig Einblicke in diese Zeit. Ich meine die Epoche, die unmittelbar vor der eigenen Geburt liegt.
So ein Schlüsselerlebnis war für mich der Roman "Der Fragebogen" von Ernst von Salomon, der u. a. die Kultur der Weimarer Republik eingehend schildert. Ich begriff bei dieser Lektüre zum ersten Mal, dass auch politisch rechts stehende Autoren, wie zum Beispiel Ernst Jünger, brillant schreiben können, auch wenn ich ihren politischen Ansichten nie folgen konnte.
Liebe Grüße
Ekki
Fabi (50)
(28.03.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Fabi, wenn du ein wenig Zeit hast, würde mich interessieren, welches Erlebnis bzw. welche Lektüre dein Interesse für Literatur wieder belebt hat.
Liebe Grüße
Ekki
Fabi (50) meinte dazu am 29.03.14:
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P. Rofan (44)
(28.03.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Lieber Aron, ich habe den Eindruck, dass du mir eine Vorlage geben wolltest.
Ich zitiere aus Wikipedia jeweils einen Ausschnitt, der mir als Zusammenfassung des Wirkens von Sartre und Camus als fair erscheint:
zu Sartre: "In der Öffentlichkeit wurde Sartre seit 1949 immer mehr als „maître à penser“ (Vordenker) und Intellektueller wahrgenommen, der seine Stimme zu den großen und auch manchen kleineren Problemen der Nation erhob und der gegen Menschenrechtsverletzungen in den französischen Kolonialkriegen (Algerienkrieg, Indochinakrieg) und später auch in Vietnam (Vietnamkrieg) oder im kommunistischen Ostblock protestierte. Dies verschaffte ihm allerdings nicht nur Bewunderung, sondern auch den Hass vieler rechtsgerichteter Franzosen." (Wikipedi)

Zu Camus: "„Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen.“

Für Camus besteht das Absurde im Erkennen der Tatsache, dass das menschliche Streben nach Sinn in einer sinnleeren Welt notwendigerweise vergeblich, aber nicht ohne Hoffnung bleiben muss. Um nicht verzweifelt zu resignieren oder in Passivität zu verfallen, propagiert Camus im Sinne des Existentialismus und in Anlehnung an Friedrich Nietzsche den aktiven, auf sich allein gestellten Menschen, der unabhängig von einem Gott und dessen Gnade selbstbestimmt ein Bewusstsein neuer Möglichkeiten der Schicksalsüberwindung, der Auflehnung, des Widerspruchs und der inneren Revolte entwickelt. (Wikipedia)
(Antwort korrigiert am 28.03.2014)

 ViktorVanHynthersin (28.03.14)
Lieber Ekkehart,
von der Überschrift bis zu Schlusspointe hast Du eine gut komponierte Erzählung geschrieben, die ich mit einem Schmunzeln gelesen habe. Meine Deutschlehrer waren plötzlich wieder präsent - manche blass und andere blasser )
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Merci, Lieber Viktor, deine Werke hier sind der Beweis dafür, dass kein Deutschlehrer - und sei er noch so blass - einen farbigen Autor verhindern kann.
herzliche Grüße
Ekki

 irakulani (28.03.14)
Ja ich gebe zu, lieber Ekki, auch ich bin dir auf den Leim gegangen. )
Zumindest der Kohl im Garten weiß nun um die Bedeutung des Existentialismus!

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.14:
Grazie, Ira, wenn ich eine Pointe verstecke, du entdeckst sie immer.
Herzliche Grüße
Ekki
chichi† (80)
(29.03.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.03.14:
Vielen Dank, Gerda, der Kohl hat meinen ganzen Zorn erlebt.^^
Liebe Grüße
Ekki
Steyk (61)
(30.03.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.03.14:
Grazie Stefan, es bedeutet mir viel, dein Gefallen zu finden.
Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas (30.03.14)
Hallo Ekki,
wieder machst du das Fenster auf und lenkst unseren Blick auf Zeitgeschichte.
Informativ und spannend.
Das Ende ist köstlich, nein ich habe dabei nicht an Kohlrouladen gedacht !
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.03.14:
Merci, Tasso, es freut mich, dass in diesen kleinen Erzählungen ein bisschen Zeitgeschichte sichtbar wird.
Herzliche Grüße
Ekki

 Bergmann (15.12.14)
Goethes WAHLVERWANDTSCHAFTEN konnte ich in den 90er Hahren und im ersten Jahrzehnt unseres neuen Jahrtausends mit guter Wirkung unterrichten. Alles hat so seine Zeit. Auch hängt viel ab von der Lerngruppe oder dem Lehrer. Unterrichtsforschung ist hier noch unwissender als die Lehrer.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.12.14:
Es war mutig von dir, Uli, diesen etwas leukämischen Roman (der mir gleichwohl gefällt) als Unterrichtsgegenstand gewählt zu haben. Dein Erfolg bestätigt, dass viel vom Lehrer abhängt.

 Bergmann meinte dazu am 15.12.14:
Leukämisch? - ?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.12.14:
Ich meinte mit leukämisch, dass die vier Protagonisten mehr oder weniger Leidenschaften verspßren, aber sie nicht ausleben.

 Bergmann meinte dazu am 15.12.14:
Ottilie lebt allerdings selbstzerstörerisch aus, und so auch Eduard ... Beide extrem in völlig verschiedene Richtungen.
Die beiden anderen sind in der Tat 'leukämisch'.
Die Schüler interessierten sich (natürlich) für das Treue-Problem, für die Macht der Liebe, für die ethischen Probleme, die durch Liebe und Leidenschaft entstehen, aber auch durch Prinzipien und gesellschaftliche Normen bzw. privatrechtliche Verträge.
LG, Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.12.14:
Hoffentlich empfindest du das jetzt nicht als Haarspakterei, aber ich denke, dass Ottilie sich ihre Leidenschaft eher selbstzerstörerisch austreibt als dass sie sie auslebt. In einem anderen Sinne des Wortes lebt sie sie freilich aus, indem sie aus dem Leben scheidet.
Es ist interessant, dass auch wir die von dir hervorgehobenen Aspekte 1958 diskutiert haben. Ein Teil der Klasse schaltete jedoch bei dem Roman ab, der, wie soll ich sagen, eine gewisse Lebenserfahrung voraussetzt, um sich in die Figuren hineindenken/fühlen zu können.
Ich erinnere mich daran, dass uns der leidenschaftliche Eduard besser gefiel als die kontrollierte Charlotte und der vernünftige Hauptmann. Ottilie erscdhien uns wie eine Heilige. Wir brauchten lange, um sie zu verstehen.

 Bergmann meinte dazu am 16.12.14:
Ottilie: Umwandlung der Energie ins Religiöse, denke ich. Letztlich scheitert sie objektiv. Aber was ist objektiv, was subjektiv. Goethe gibt mit dem ambivalenten Schluss des Romans eine vage Antwort: leicht ironisch kann man sie verstehen, aber auch als den subjektiven Glauben Ottilies. Ich neige zum ironischen Spiel.
Genau diese Dinge machen den Roman groß. Aber auch Sprache und der rote Faden (!) der Metaphern.

 W-M (15.12.14)
Lieber Ekki, ein interessanter Text, war doch Sartre auch in meiner Jugend, jedenfalls für mich, als ich so ca. 15, 20 war (ich bin gerade mal der Geburtsjahrgang in Deiner Geschichte, als Du in die Oberstufe kamst), sehr angesagt! Ich las Stücke von ihm, ging ins Theater, wo Sartre noch gespielt wurde, kleine neue private Bühnen, zum Beispiel das Stück, wo sie im Vorzimmer oder besser Wartezimmer zur Hölle sitzen, auch angeregt durch einen guten Deutschlehrer, Wagenbachs Lesebuch der Literatur der sechziger Jahre war damals neu in unserer Oberstufe, ich habe es verschlungen, neue Autoren, eine neue Sprache, Ernst Jandl, Yaak Karsunke und viele andere, die Bachmann, ich interessierte mich besonders für Absurdes Theater, Eugene Ionesco, Fernando Arrabal, Samuel Beckett, heute Klassiker, die nicht mehr gespielt werden, aber in meiner Jugend Eingang in die Schulbücher hielten, in den Unterricht ... faszinierend das alles, Zeit- und Lebensgefühl, Jugenderinnerungen, etwas war im Aufbruch, aber, ich will nicht wehmütig werden oder gar nostalgisch, jede Zeit hat ihre Zeit, die jungen Lyriker heutzutage faszinieren ebenso. Sehr herzliche Grüße, werner

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.12.14:
Irgendwie finde ich das beglückend, Werner. Du gehörst zu einer anderen Generation und doch haben wir die gleichen Literaturterlebnisse. Ja, von Sartre " Das Spiel ist aus", das hat auch uns fasziniert.
Wagenbachs Literatur der Sechziger Jahre und die Tintenfisch-Anthologien habe ich als junger Lehrer verschlungen,mit den gleichen Favoriten wie du und ich habe versucht, sie, soweit die knappe Zeit es zuließ, in den Unterricht einzubringen, mit der Erfahrung, dass es bezüglich dieser Autoren keine generationsbedingte Kluft zwischen Schülern und Lehrer gab.
Was die jungen Lyriker heute angeht, bin ich grenzenlos neugierig. Aber ich denke, auch darin werden wir uns treffen.
Sehr herzliche Grüße zurück
Ekki

 harzgebirgler (14.06.22, 11:01)
ja, die existentialisten
wollten manchen stall ausmisten
denn auch unter talaren
war muff von tausend jahren.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.06.22 um 11:19:
Vielen Dank, Henning, es ist interessant, dass der Muff sowohl die Existentialisten als auch die Neue Linke störte.

LG
Ekki
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