Ein Tagebuch kann nicht schreien

Bild zum Thema Andere Welten

von  Fuchsiberlin

Die Worte im Tagebuch sind zu klein, um eine Innenwelt beschreiben zu können.
Worte können nicht fliegen, auch nicht fallen. Ein aus dem Fenster geworfenes Tagebuch Blatt dagegen verschafft einem die Illusion, dass zumindest irgend etwas fliegen kann. Fliegen um zu fallen.

Die Mülldeponie der Innenwelt wächst. Auf weißen Schuhen siehst du schneller Dreck als auf dunklen. Ein Schuhschrank wertet und interpretiert nicht.

Manch ein Lächeln wirkt pseudohaft. Worte, umgeben von Stacheldraht, verletzen.
Das Lächeln weicht der Wahrheit. Kapituliert.

Einige Sätze der Ärztin hallen wie ein Echo nach. Ein Tagebuch schreit nicht. Auch wenn sich Worte der Verzweiflung mit der Angst zu verschmelzen beginnen, und im gedanklichen Chaos zwischen den Zeilen versinken. Das Glas ist leer. Der Durst noch zu spüren.

Hinter den im Kreis laufenden Fragen lauern die Angst, die Panikattacken, die Wut, die Traurigkeit, die Illusion, das Leben ... Hinterfragt in einer kleinen dunklen Parzelle, abseits gelegen, am Rand der Laubenkolonie „Garten Eden“. Suche nicht nach Gold, wenn du weißt, dass man dir den Spaten wegnimmt, und dir damit auf deinen Schädel haut.

Ein Widerspruch bleibt in der rush hour stecken. Oder verursacht einen Unfall. Wieso etwas küssen, was doch nur aus Stacheldraht besteht!? Die Erste-Hilfe-Stelle im Krankenhaus verkauft auch keine Rosen. Werfe doch mal mit Tulpen, anstatt mit steinharten Worten. Im Tagebuch steht ein Satz. „Ich bin wütend.“ Menschen sind manchmal verdammt mies drauf. „Ich auch gerade.“, denkst du beim Schreiben des letzten Satzes. "Ich mag viele Menschen nicht. Vielleicht sogar sehr viele … ", folgt als nächster Satz. Alles der Vergangenheit geschuldet. Erklärungsversuch.

Auf ein Tagebuchblatt fließt eine Mischung aus Likör und Wasser. Worte ertrinken.
Sie können nun einmal nicht schwimmen. Und ein Tagebuch nicht schreien.

Worte können vielleicht nie ausreichend genug Emotionen beschreiben. Warum existieren so viele Gedichte, Texte, Bücher, die sich nur um das Thema „Liebe„ drehen?

Am Anfang eines Satzes kannst du zu leben beginnen.
Um am Satzende den Tod der Worte zu verkünden.
Zurück bleibt dann eine verlassene Welt von Worten. Eine Geisterwelt.

Leben ist anders. Manchmal wie ein Strick, der am Baum wartet.
Kämpfen, Tag für Tag kostet, viel Kraft.

Im Alltag und im Internet fehlt ein Bestattungsbüro für Worte.
Und: Ein Friedhof für eben solche.

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (11.07.14)
Da muss Licht, Luft und frischer Wind in die innere Welt!
LG
Jorge

 Fuchsiberlin meinte dazu am 11.07.14:
Stimmt, Jorge.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
chichi† (80)
(11.07.14)
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 Fuchsiberlin antwortete darauf am 12.07.14:
Ich danke Dir, Gerda.

Liebe Wochenendgrüße
Jörg
B-Site (30)
(11.07.14)
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 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 12.07.14:
Danke für deine Tipps und Gedanken zu meinem Text. Mal schauen, ob ich das eine oder andere davon umsetzen werde.

LG Jörg
Pocahontas (54)
(11.07.14)
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 Fuchsiberlin äußerte darauf am 12.07.14:
Liebe Sigrun,

nun fehlen mir etwas die Worte ...

Es ist ein Text, der mehr als nur einen Tag beschreibt, der mehr wiedergibt, als nur den Inhalt aus einem Tagebuch Blatt ...

Ich danke Dir.

Liebe Wochenendgrüße
Jörg
Luciernaga (54)
(11.07.14)
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 Fuchsiberlin ergänzte dazu am 12.07.14:
Ich danke Dir, Lucie.

Ganz liebe Wochenendgrüße
Jörg
BabetteDalüge (67)
(11.07.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 12.07.14:
Nicht alles an emotionalen Gedanken kann man auf ein Blatt niederschreiben. Geht mir manchmal genau so. Es fehlen dann einfach die Worte ...

Dein erster Satz gefällt mir sehr:)

Ich danke Dir.

Liebe Wochenendgrüße
Jörg

 EkkehartMittelberg (11.07.14)
"Ein Tagebuch kann nicht schreien" und "Worte können vielleicht nie ausreichend genug Emotionen beschreiben".
Im Allgemeinen mag das stimmen, Jörg, aber deine Worte in diesem Text scheinen mir deinen Emotionen, die ich selbstverständlich nicht in vollem Umfang kenne, gerecht zu werden.

Man muss kein Psychotherapeut sein, um zu erkennen, dass du aus Leiden zu sehr eindringlichen ungewöhnlichen Metaphern gefunden hast, die authentisch wirken und das Gekünstelte, was expressionistischen Texten oft eigen ist, völlig vergessen lassen.

Welch ein Jammer, wären diese Worte im Bestattungsbüro gelandet.

LG
Ekki

 blauefrau meinte dazu am 11.07.14:
"Am Anfang eines Satzes kannst du zu leben beginnen.
Um am Satzende den Tod der Worte zu verkünden."

Allerdings zeigt das auch, was Worte oder ein Satz leisten können.

Die Kraft der Buchstaben.


"Zurück bleibt dann eine verlassene Welt von Worten. Eine Geisterwelt. " Erst wenn etwas ausgesprochen ist, kannst du es verlassen. So gesehen zeugt eine Geisterwelt von Fruchtbarkeit, die ihren Platz fand.

Just my twopence.

 Fuchsiberlin meinte dazu am 12.07.14:
@ Ekki,

Manchmal gelingt es mir nicht, oder nur zum Teil, die Emotionen und die dazu gehörenden Gedanken zu beschreiben. In diesem Text steckt sehr viel an emotionalen Gedanken drin. Es freut mich, dass ich diese zu Dir und einigen anderen hin transportieren konnte.

Es freut mich sehr, dass meine Metaphern in dem Sinn nicht gekünstelt, sondern authentisch rüberkommen.

Ich danke Dir.

@blauefrau:

Worte können dies bewirken. Betoung liegt hierbei auf "können". Denn, ob diese es schaffen, dies hängt von dem, der diese Worte ausspricht oder veröffentlicht, und von dem Menschen, der sie hört oder liest ab. Buchstaben können eine enorme Kraft haben.

Manchmal oder vielleicht auch öfters kann man etwas verlassen, etwas, was ausgesprochen wurde. Leider nicht immer, sofort oder bald danach, dies ist meine persönliche Erfahrung.

Ich danke Dir.

Liebe Wochenendgrüße an Euch.
Jörg
Mondscheinsonate (39)
(10.08.14)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 11.08.14:
Ich dachte gerade über Deinen Vorschlag nach. Sinngemäß bin ich da Deiner Meinung. Und werde den ersten Satz jetzt dahingehend ändern.

Ich danke Dir.

Liebe Grüße
Jörg
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