Asche zu Asche

Sonett zum Thema Abhängigkeit

von  Isaban

Das Radio zählt Töpfe in der Spüle
und Pizzaschachteln auf dem Küchentisch,
in Plastiktüten wimmelt Dosenfisch,
der Mülleimer ist voll und die Gefühle

saugen seinen Mund zum Flaschenhals.
Die Kippenketten gilben seine Hände,
verjährte Fotos fressen Tabakwände,
wo sie saß, steht ein Alpenveilchen, falls.

Sein Hemd verwächst samt Eigelb mit dem Bauch.
In den Gardinen nistet kalter Rauch.
Er sollte nicht mehr auf den Boden aschen.

Gleich morgen sollte er sich endlich waschen,
die Socken wechseln und den Sender auch,
seufzt er und steckt die Fäuste in die Taschen.

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Kommentare zu diesem Text

Aron Manfeld (48)
(18.02.18)
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 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Ach nee, Aron, du heulst dich doch jetzt nicht schon wieder die ganze Nacht heiser, oder? Wo hab ich nur meine Ohrstöpsel, die hab ich doch gestern noch irgendwo gesehen.
Aron Manfeld (48) antwortete darauf am 19.02.18:
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 Isaban schrieb daraufhin am 20.02.18:
Ich will dich ja nicht irritieren, du Stern in meiner Nudelsuppe,
aber vielleicht hättest du vorgestern doch mal deine Brille aufsetzen sollen.

 JohndeGraph (18.02.18)
In einfachen Worten geschrieben sind die Gefühle in deinem Text sehr nachvollziehbar. Ich finde, das ist eine Kunst. Kompliziert kann jeder. Das "falls" finde ich besonders gelungen und den Schluß auch. Fast möchte man sagen bzw schreiben: Arme Sau. Dabei ist es menschlich und geschieht genau so hunderte, ja hunderttausende male überall auf der Welt jeden Tag. Selbst verschuldet und auch unverschuldet. Das läßt du ja offen. Was fehlt ist dann die Kraft und der Mut, sich selbst aus dem Morrast zu ziehen. Wohl dem der dann Freunde hat. Die wenigsten kommen da von alleine wieder heraus.

Grüße J.d.G.

 Isaban äußerte darauf am 18.02.18:
Hallo John,

ist es nicht tragisch, so viel Sumpf um uns herum und so viele Gelegenheiten, darin unterzugehen. Man trägt nicht immer Schuld daran, dass man in so einen Sumpf geraten ist, auch wenn sehr viele selbst angelegt wurden. Aber die Schuld daran, dass man sich selbst tatenlos beim Untergehen zuschaut, sollte man nicht bei den anderen suchen. Die sind bestenfalls für Hilfe zuständig, aber dafür müsste der, der nicht untergehen will, zumindest mal eine Bewegung in die richtige Richtung unternehmen.

Es freut mich sehr, dass mein Text dich berühren konnte. Vielen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Sabine
fdöobsah (54)
(18.02.18)
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 Isaban ergänzte dazu am 18.02.18:
Hallo fdöobsah,

warte mal, ich glaub, ich hab da irgendwo noch ein Döschen Whiskas für deinen Kater.

Formvollendet, hm.

Da ich weiß, dass du ein verdammt guter Kritiker bist und über umfangreiches Wissen, Tiefblick und (einzig von dir geleugnete) Empathie verfügst und Texte ganz gewiss nicht aufgrund einer angekatzten Befindlichkeit zum Papiermüll packst, muss ich den meinen wohl unter KW (kein Weltruhm) im großen Container ablegen. Es sieht so aus, als hätte ich die oberste Ebene meines Textes ein wenig zu stabil und die tiefere eindeutig zu subtil angelegt.

Es freut mich dennoch, dass du das hier

So fremd, dass sie "die Gefühle" nicht beschreiben kann, sondern sich in dem Wort erschöpft, nur um dann aber kunstvoll auszuführen, dass "die Gefühle" seinen Mund gleichsam zum Flaschenhals saugen.


und das hier aus diesem Misserfolg herauslesen mochtest:

Es beschreibt von außen, der Typ kommt mir nicht nah, ich erkenne mich nicht in ihm, verstehe ihn nicht. Es wirkt so deplatziert wie das Alpenveilchen (dichterisch eine schönes Arrangement, keine Frage), der auch auf letzter Silbe betonte Mülleimer, die doppelte Aufforderung in den Terzetten. Es wirkt wie der Versuch, geballte Fäuste in Hosentaschen zu stecken.

Zumindest diese Bereiche scheine ich halbwegs richtig angelegt zu haben, auch wenn es weder Sympathie noch Gefallen findet. Ist doch auch schon mal was, woran man ansetzen kann.

Hab vielen Dank für deine Rückmeldung und die Bereitschaft, in meinem Text nach Sinn und Stilmitteln zu fischen.

Handzahme Grüße

Sabine

Antwort geändert am 18.02.2018 um 11:45 Uhr
fdöobsah (54) meinte dazu am 18.02.18:
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 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Ich bin ganz sicher (und hierbei ausdrücklich frei von Ironie): Wenn ein Text bei dir so ganz und gar nicht ankommt, dann habe ich ärgerlicherweise irgendwo Murks gebaut und sollte dringend noch einmal überdenken, was genau da nicht so funktioniert, wie ich es mir erhofft hatte . Beim obigen gehe ich davon aus, dass ich die offensichtliche Ebene, weil ich mal wieder nicht widerstehen konnte, zu fett bebildert habe. So ein Schwelgen übersättigt manchmal und der Appetit auf hernach angebotene Schmankerl ist dann einfach nicht mehr gegeben. Man kann einen Text also auch totfüttern, Beweis s.o.

Darüber, warum man dich für fies hält, kann ich nur spekulieren und dir aufrichtig sagen, dass ich weder deine Persönlichkeit, noch dein Auftreten hier oder deine Kritiken jemals so betrachtet habe.

Ich schätze die Ehrlichkeit und Direktheit, die du in deinen Rückmeldungen beweist, deine Gradlinigkeit und natürlich deinen herrlichen Humor, auch wenn ich es für möglich halte, dass er sich nicht immer allen gleich erschließt.

Ebenso schätze ich deine Fähigkeit, über dich selbst zu lachen, Fehler offen zuzugeben und dich im Fall der Fälle zu revidieren - und das sollte jetzt nicht etwa als zusätzliche Minikatzenkralle für diesen Text hier fungieren, sondern ist ernst und ehrlich gemeint.

Für alle, die dich als fies erachten, kann ich nur wiederholen, dass ich dich als die Person betrachte, von der ich hier bei KV am meisten gelernt habe - na gut, nicht immer auf die schmerzlose Weise, aber wer Mist baut, muss auch dafür gradestehen und auf jeden Fall wurde der Unterrichtsstoff wirkungsvoll und nachhaltig vermittelt. Dafür werde ich dir immer Hochachtung zollen.

So und jetzt solltest du am besten ganz schnell einen richtig schlechten Text einstellen, den ich aus vollem Herzen verreißen kann, sonst bildet sich nach meinem obigen Geständnis noch irgendwer ein, er müsse sich wieder in wilden Spekulationen über Person und Persönlichkeit von Autoren und Kritikern ergehen.

Erwartungsvolle Grüße

Sabine

Antwort geändert am 20.02.2018 um 15:32 Uhr

 Oskar (18.02.18)
Habe wenig Ahnung, aber sollte bei einem Sonett nicht ein krasser Bruch zwischen den ersten beiden und den letzten beiden Stophen geschehen.

Ansonsten hat man das Ganze zu oft gelesen. Flasche, Müll, Kippen, Dreck. Wirkt, als würden die Lindenstraßenautoren neuerdings Sonette schreiben. Dabei ist Abhängikeit ein großes Thema.

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Hallo Oskar,

ach, du schaust Lindenstraße?

Ja, Abhängigkeit war, ist und bleibt wohl immer ein großes Thema. Grade heute sind hier bei KV gleich mehrere Texte, die inhaltlich ein ähnliches, wenn auch vielleicht anders benanntes Thema behandeln, zu lesen.

Du hast Recht, folgt man den Regeln und Formalien, dann sollte unbedingt These, Antithese und Synthese im Text erkennbar werden. Wenn die bekannten Regeln und Formalien gebrochen werden, dann kann dieses entweder mit der Unfähigkeit des Dichters begründet werden oder es könnte sich um ein gezielt eingesetztes stilistisches Mittel handeln, um den Inhalt des Textes zu unterstreichen. Ich ahne fast, zu welcher Begründung du tendierst. ;)

Liebe Grüße

Sabine

 Oskar meinte dazu am 18.02.18:
Lange her, ja. Sonntägliches Ritual. Oma hasste die Serie.

Da du hier oft als gute Handwerkerin beschrieben wirst, stimmt bestimmt Begründung zwei.

Wollte dir gestern nicht zu Nahe treten. Aber hier wurde schon so manch einer zu Unrecht bezichtigt.

Hat der Titel was mit David Bowie zu tun?

Antwort geändert am 18.02.2018 um 12:14 Uhr

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Nur peripher, sein Titel hatte nämlich was mit einer liturgischen Formel zu tun, die wiederum mit Bestattungen zu tun hat.

 Oskar meinte dazu am 18.02.18:
Hm?
"Ashes to ashes, funk to funky
We know Major Tom's a junkie"

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.

So wurden Protestanten schon lange vor Davod Bowie bestattet.

 Dieter Wal meinte dazu am 18.02.18:
Und Katholiken bereits weit vor Entstehung der Merseburger Zaubersprüche, der hier kunstvoll die Liturgische Wendung im Sinn sympathetischer Magie variierte:

"Knochen zu Knochen, Blut zu Blut, Glied zu Gliedern,
wie geleimt sollen sie sein!"

https://de.wikipedia.org/wiki/Merseburger_Zauberspr%C3%BCche

Zaubersprüche sind Lyrik.
Marjanna (68)
(18.02.18)
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 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Hallo Marjo,

es freut mich sehr, dass du in meine (Wimmel-)Bilder eintauchen mochtest. Ich befürchte fast, ich habe diesbezüglich etwas zu sehr geschwelgt.

Ja, der fehlende Bruch - auf jeden Fall eine sehr gute Interpretation!

Hab vielen, herzlichen Dank für deine freundliche Rückmeldung.

Blauhimmlige Rückgrüße aus Thüringen

Sabine

 AZU20 (18.02.18)
Wer hat ihn nur im Stich gelassen? LG

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Er.

LG Sabine

 GastIltis (18.02.18)
Liebe Sabine, ein guter Satz ist immer: „Gleich morgen sollte er sich endlich waschen“, es fehlt nur die Ergänzung, egal obs nötig ist oder auch nicht. Ich persönlich neige ja dazu, mich der Rolle des Betroffenen etwas anzupassen. Funktioniert bei deiner Biografie natürlich nicht. Hätte ich eine eingestellt, wäre es ähnlich. Der Sachverhalt, die Sucht, bleibt. Und sie kann es in sich haben. Glaubst du, ob Gezicke auch eine Art Sucht sein könnte? Ich schweife ab. LG von Gil.
PS: Sauber bleiben? Täglich!

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Hallo Gil,

weißt du, wenn man das Dilemma meines Protagonisten mal ein bisschen auf den Sumpf überträgt, den er sich zwar selbst eingebrockt hat und in dem er (oder jemand anderes oder jeder Einzelne oder wir) offensichtlich gerade untergeht und wenn man das deplatzierte Alpenveilchen als Rand betrachtet, an den er sich krampfhaft klammert - ich glaube, dann kann ich mich ganz gut in die Rolle des Betroffenen einfühlen. Und wenn man erstmal erkannt hat, dass der Boden, auf dem man steht eher trügerisch, wenn nicht sogar gefährlich ist, dann sollte man sich bemühen, was an Zustand und Umgebung zu ändern - aber ich glaube, auch ich schweife ab.

Frisch gebadete, minimalzickige Sonntagsgrüße

Sabine
Graeculus (69)
(18.02.18)
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 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Spule, Spule, Spule, Spule, Spuuule. Ja, Simon wusste halt, wie die Krapps dieser Welt sich fühlen und dass sie für die Umwelt bananentechnisch eine Gefahr darstellen.

Ich freue mich über deine Assoziation und dass du uns daran teilhaben lässt, lieber Graec.

Viele Grüße

Sabine

 Dieter Wal (18.02.18)
Nachbessern bei" die Gefühle

saugen seinen Mund zum Flaschenhals."

Gefühle saugen nicht.

Den Reim von Spüle auf ausgerechnet "Gefühle" halte ich für unvorteilhaft.

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"Er sollte nicht mehr auf den Boden aschen.

Gleich morgen sollte er sich endlich waschen,"

Wortwiederholung von "sollte" bitte umformulieren.

---

Das Sonett insgesamt funktioniert. Es ist nur noch nicht perfekt.

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Lieber Dieter,

frag mal einen Alkoholiker, ob ihn der Flaschenhals ansaugt. Ist er ehrlich, wird er es verneinen. ist er nicht ganz so ehrlich mit seinem Gegenüber oder mit sich, wird er es vielleicht als neu entdeckte Ausrede nutzen.

Ja, der Reim Spüle/Gefühle ist unvorteilhaft. Das könnte natürlich daran liegen, dass keine besseren Reimworte zur "Spüle" gibt oder dass zumindest keine gefunden wurden. Oder aber es könnte ein stilistischer Hinweis darauf sein, dass da inhaltlich etwas nicht so ist, wie es auf den ersten, oberflächlichen Blick aussieht.

Wortwiederholungen können in einem Text vorkommen, weil der Autor entweder zu sehr vom Tunnelblick befallen war, um diese Wiederholungen als solche zu erkennen, oder sie kommen vor, weil sie der Bebilderung oder Unterstreichung des Inhalts dienen. Sowas nennt man Stilmittel.

Stilmittel haben den Vorteil, dass sie, wenn sie funktionieren, dem Text zusätzlich Wirkung verleihen. Wenn die Leser - zumindest die fachkundigen Leser - in einem Text stilistische Mittel entdecken und als gelungen erachten, ist das für die meisten Autoren eine ausgesprochene Freude.

Wenn die Leser diese Stilmittel entdecken und als nicht gelungen betrachten - insbesondere, wenn es sich um fachkundige Leser handelt - ist das ein Trauerspiel, dann muss man nämlich als Autor davon ausgehen, dass man diese Stilmittel entweder falsch oder zu subtil angelegt hat, oder aber davon, dass der mokierende Leser sich eventuell nicht wirklich gründlich mit dem Text auseinandergesetzt hat oder aber vielleicht doch nicht ganz so fachkundig war, wie es den Anschein hatte.

Vielen Dank für deine wohlwollende Rückmeldung. Es freut mich, dass das Sonett in deinen Augen funktioniert. Perfektion ist etwas, was man sowohl als Autor wie auch als Kritiker nur in ganz, ganz seltenen Fällen erreicht.

Liebe Grüße

Sabine

 Dieter Wal meinte dazu am 18.02.18:
"Perfektion ist etwas, was man sowohl als Autor wie auch als Kritiker nur in ganz, ganz seltenen Fällen erreicht."

Du kannst perfekte Sonette. Die Feinarbeit ist immer am zeitintensivsten, aber sie belohnt durch letztendliches Gelingen. Ich würde mich sehr wundern, wenn gerade du bei Sonetten mit weniger als Perfektion zufrieden sein solltest.

---

"Gefühle, die saugen" sind mittlerweile akzeptiert. Dein mutmaßliches Bedürfnis nach "reinen Reimen" führt gelegentlich zu in meinen Augen und Ohren eher banalen Reimergebnissen. Eventuell "unreine" integrieren?

Antwort geändert am 18.02.2018 um 21:41 Uhr

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
In meinen Augen gibt es Gedichte, die nur reine Reime vertragen und es gibt Inhalte, die keine reinen Reime zulassen. Wenn man ein Sonett vor sich hat, in dem zwar schlichte, aber nur reine Reime verwendet wurden, könnte das ebenfalls - wie z.B. auch der Verzicht auf die formal geforderte inhaltliche Unterteilung in These, Antithese und Synthese darauf hinweisen, dass das LI in einem Korsett steckt, sich selbst in ein Korsett gezwungen hat, nicht willens oder in der Lage zum Ausbruch aus diesem Korsett oder zur Selbstreflexion ist und sich nur einen Reim, beziehungsweise nur einfache, passende Reime auf seine Probleme macht. Andere kämen gar nicht in Frage, sonst müsste ja mal das eigene Verhalten hinterfragt werden.

 Dieter Wal meinte dazu am 18.02.18:
Völlig deiner Meinung. "Spüle -Gefühle" empfinde ich nur vom Reim her als Um-die-Ohren-schlagen. Echt gruselig. Das kannst du deutlich besser.

---

Und mittlerweile ist meine Abneigung verschwunden. Das geschieht bei mir manchmal. Sorry. Bitte vergiss meinen diesbezüglichen Einwand.

Die Wortwiederholung von "sollte" verstehe ich nach wie vor nicht als "Stilmittel".

Antwort geändert am 18.02.2018 um 22:16 Uhr

 Isaban meinte dazu am 18.02.18:
Macht ja nichts, Dieter,
ich verzeih dir.
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