Mephisto

Gedicht zum Thema Zerstörung

von  EkkehartMittelberg

Wenn Konsens die Zerstrittenen eint,
bin ich der Geist, der stets verneint,
wenn Sonnenschein für alle lacht,
bin ich auf Unwetter bedacht.

Ich halt die Harmonie nicht aus,
leg immer eine Lunte raus
und warte, bis sie Feuer fängt,
die Einigkeit in Stücke sprengt.

Drum hasse ich das Paradies,
für Langeweile ein Verlies,
ich schüre Streitlust in der Runde,
bin mit der Zwietracht gern im Bunde.

Wenn ich einst der Größte bin,
zielt auf Versöhnung mir der Sinn.
Doch vorher hab ich mir gedacht:
Die Negation zersetzt die Macht.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (18.09.19)
Sein Paradies ist die Euphorie des Kampfes. Himmel ist nicht gleich Himmel. LG Gina

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Merci, Regina, so wollte ihn Goethe wohl verstanden wissen, als geistreiche Personifizierung des Bösen.
Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg (18.09.19)
Hallo Ekki,
schon im Blick auf die gewählte Strophenform wird erkennbar, dass es um eine (vermeintliche) Zerstörung des Einfachen, der Unschuld geht. - Die jambischen, dreihebigen Vierzeiler (eine der gebräuchlichsten, schlichtesten Formen) brechen in der letzten Strophe und verändern sich - je nach Lesart und Akzentuierung.
Sieht man Mephistopheles als zerstörerischen Geist der Menschheit, wird allein dadurch der Grad der Auflösung offenbar.
Andererseits auch der Wunsch nach einem Sinn, der sich in der Entgrenzung der Extreme zeigt.
Insofern ist dieser" dienstbare" Geist zutiefst menschlich und nicht umsonst die ausdruckstärkste Figur des Faust.

Liebe Grüße
der8.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 18.09.19:
Lieber Pico,
Grazie, mit dieser sehr gelungenen Interpretation stimme ich widerspruchslos überein.
Herzliche Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (18.09.19)
Wenn man "Mephisto" heute googelt, stößt man erst einmal auf Herrenschuhe der gediegenen Preisklasse. Kein Wunder also, dass dem alten Knaben Unwetter zupasskommen.
Abgesehen jedoch von der allgemeinen Banalisierung und nachlassender Religiösität bleibt die Zwietracht ein weit verbreitetes Phänomen und das ist teuflisch.
Beste Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 18.09.19:
Ja, Dirk, es ist teuflisch nicht wegen des Dissens, sondern weil es Mephisto um die Vernichtung von Sinn geht.
Beste Grüße
Ekki

 TassoTuwas (18.09.19)
Hallo Ekki,
die Lust am Zerstören ist fester Bestandteil der menschlichen Basisausstattung. Den größten Spaß haben schon die Kleinkinder beim Kaputtmache des Bauklotzturmes, je weiter die Klötze fliegen, umso lauter das Lachen. Wie wir das später in den Griff bekommen liegt an der Gesellschaft.
Somit habe ich volles Verständnis für das obige Comingout
Herzliche Grüße
TT

Kommentar geändert am 18.09.2019 um 09:49 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 18.09.19:
Vielen Dank; Tasso, es ist ein Coming Out in dem Sinne, dass wir mit der Zerstörung als letztem Ziel rechnen müssen.
Herzliche Grüße
Ekki
Cora (29)
(18.09.19)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 18.09.19:
Merci, das stimmt Cora, weil der geistreiche Mephisto den Geist sucht, nicht um der konstruktiven Erweiterung willen, sondern um ihn aus Machtlust zu vernichten.
Nachdenkliche Grüße
Ekki

 LotharAtzert meinte dazu am 18.09.19:
Gilt das auch für Dackelkerne?
"Du warst von der Versöhnung nie so weit,
Als da du wolltest mit der fieberheißen
Verzweiflungsglut vertilgen allen Streit,
Dich, Welt und Gott in eins zusammenschweißen.
Da bist du in die Arme mir gesprungen.
Nun hab ich dich und halte dich umschlungen!"

Nicolaus Lenau, Faust
Vordenkergrüße
Lothi
Cora (29) meinte dazu am 18.09.19:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
@Lothar: Wenn Goethes "Faust" eine Konkurrenz hat, ist es der Faust von Nikolaus Lenau.
@ Cora: So wird jedenfalls Goethes "Faust" in der Regel interpretiert.

 AchterZwerg meinte dazu am 18.09.19:
So isses, Ekki! :)

 LotharAtzert (18.09.19)
Ich finde es schade, wie es, ohne daß es ausgesprochen wird, wieder nur um des Geheimrates Werk "Faust" geht, obwohl es doch eine historische Vorlage gibt, aus dessen Leben Goethe abgekupfert hat und andere, wie Lenau, das Thema auch angingen. Für mich ist es immer verdächtig, wenn die Populären populärer und die Bestohlenen vergessen werden. Aber so ist das vom Archetyp Mephisto ja auch vorgesehen, od'r?

LG
Lothar

Kommentar geändert am 18.09.2019 um 11:23 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Danke für die Empfehlung, Lothar. "Bestohlen" ist vielleicht ein bisschen hart. Es handelte sich ja bei dem Dr. Faustus um eine Volkssage, die jeder nach seinem Gusto weiter entwickeln durfte.
LG
Ekki

 FrankReich meinte dazu am 18.09.19:
Nun ja, Ekki, bzgl. der historischen Vorlage hat Lothar schon recht, denn der Faust ist eigentlich keine Sage, sondern wurde erst dazu gemacht. Wenn mich nicht alles täuscht, war das Kerlchen sogar Luther bekannt. Auch mich ärgert, dass bereits in der Renaissance, und natürlich durch Goethe das Bild dieses Mannes offenbar ziemlich verzerrt worden ist.

Ciao, Frank

P.S.: Nachgewiesen ist auf jeden Fall, dass Johann Georg Faust Johannes Trithemius bekannt war, da dieser ihn 1507 in einem Brief an einen "Kollegen" erwähnt. Demnach hätte er Faust wohl persönlich kennenlernen können, dieser habe sich ihm jedoch entzogen, verständlicherweise, denn Fausts Ansichten vertrugen sich mit denen der Kirche offenbar nicht, und deshalb ist es auch kein Wunder, dass Trithemius sich über Faust auch im Allgemeinen wenig positiv äußert.

Antwort geändert am 18.09.2019 um 12:26 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Merci, aber nicht ärgern ,Frank, denn an allem ist Mephisto schuld: "Ich bin der Geist, der stets verneint." ;)

 FrankReich meinte dazu am 18.09.19:
Klar Ekki, ich weiß natürlich, dass Du das ironisch meinst, denn eben nicht, das wollte ich mit meinem P.S. gerade zurechtrücken, da es offenbar wohl eher die Vertreter Gottes waren, die Fausts Image in diese Richtung drängten.

 LottaManguetti (18.09.19)
Alles, was Langeweile ausschließt, hat das Potenzial, etwas besser zu machen als vorher. Da müssen wir wohl durch, auch wenn es oftmals ein Kampf gegen Windmühlen zu sein scheint.
;-)
Der Lefuet ist gar nicht böse. Wir sind es!

Lotta

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Spassibo, Lotta, das Ananym verrät seine Freude am Spiel. Nicht böse? Ich wäre vorsichtig, aber vielleicht sprüht er vor Einfällen, wenn er denkt, dass man ihn nicht für böse hält, er also an seine perfekte Tarnung glaubt.
Wachsame Grüße
Ekki

 AZU20 (18.09.19)
Das wäre an vielen Stellen bitter nötig. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
danke, Armin, meinst du die Negation?
LG
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 18.09.19:
Ja, genau. LG
Al-Badri_Sigrun (61)
(18.09.19)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Grazie, Sigi, auch ich kann mir gut einen Pakt irdischer Machthaber mit Mephisto vorstellen, weil es ihnen um die Macht geht.
LG
Ekki

 Artname (18.09.19)
Da Mephisto ja angeblich STETS verneint, müsste er ja auch den Zwist verneinen. Beispielsweise um zu verhindern, dass sich in Ruhe der Konflikt so stark entwickelt, dass er irgendwann in eine, letztlich stabile Lage umschlägt.

Ich lese aber nur davon, dass Mephisto die Harmonie stört. Verstehst, was ich meine?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Merci, Artname. Laut Goethes " Faust" ist Mephisto "der Geist, der stets verneint". Er ist sich aber des Problems, das daraus erwächst, bewusst.
"[Ich bin] ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. ...
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element."
Faust, erster Teile, Szene "Studierzimmer"
Servus
Ekki
wa Bash (47)
(18.09.19)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.09.19:
Vielen Dank, wa Bash. "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm."
Servus
Ekki

 Momo (19.09.19)
Hallo Ekki,

es heißt, das Universum entwickelt sich von einer Ordnung zum Chaos, also zu einer immer größer werdenden Zersplitterung und Unordnung. Von den physikalischen Gesetzen her wäre theoretisch auch eine Umkehrung in der Zeit möglich, was aber tatsächlich ja nicht geschieht (warum, weiß man nicht).
Wenn da mal nicht Mephisto seine Hände im Spiel hat. :)

"Die Negation zersetzt die Macht"
Ist das so, zersetzt Negation die Macht oder geht sie mit der Macht einher, ist sie gar ein Mittel zum Machterhalt? Schaut man sich Diktaturen an, die alle nur mit der Negation der Freiheit an der Macht bleiben können, kann man zu diesem Schluss kommen.
Auf der anderen Seite kann Negation aber auch eine Form des Widerstandes sein, der Infragestellung und der Zersetzung.

Liebe Grüße
Momo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.09.19:
Vielen Dank, Momo, ich bin mir sicher, dass die Negation die Macht zersetzt, denn in meinem Gedicht ist ja nicht die Negation der Regierenden selbst gemeint, zum Beispiel die Negation der Freiheit, sondern die Negation, die Mephisto den Machthabern entgegensetzt.. Als Kraft, die stets verneint würde er auch mit einer Revolution paktieren, die Freiheit auf ihre Banner geschrieben hat, aber nur so lange, bis sie an die Macht gekommen ist.. Dann ist er wieder die Kraft, die stets verneint.
Liebe Grüße
Ekki

 Habakuk (19.09.19)
Mephisto als das Prinzip der Negation ist für das Funktionieren der Welt womöglich zwingend notwendig. Er bezeichnet sich selbst in Goethes Tragödie als „Ein Teil von jener Kraft, / Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

Das eigentliches Ziel, die Zerstörung/Negation der gesamten Schöpfung, liegt jedoch nicht in seiner Macht, da er im Grunde von Gott (als Sinnbild der Ganzheit) gelenkt wird. Mephisto ist sich seiner Rolle ganz bewusst. Der beeindruckendste Charakter in Goethes Faust.

Thematisch und stilistisch in deinen Paarreimen gut umgesetzt, Ekki. Da spendiere ich gern eine Empfehlung.

BG
H.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.09.19:
Merci, Habakuk, ich schließe mich deiner Interpretation Mephistos und Gottes gerne an. Freilich sind andere Deutungen möglich, aber Goethe hat es so gemeint, wie du es auslegst.
BG
Ekki

 GastIltis (01.10.19)
Hallo Ekki, ich lasse Mephisto hier mal im falschen Film auftreten. Für dich natürlich eine Lappalie.

Mephisto

Wo Feuer sich mit Wasser mengt,
bin ich es, der die Formen sprengt,
und ist jemand zum Werk bereit,
dann tu ich so, als wär noch Zeit.

Und fließt die Arbeit munter fort,
bedeutet Stopp mein ernstes Wort!
Denn was er aufbaut mit Verstand,
zerschlage ich mit eigner Hand.

Berührt ein Ton des Menschen Ohr,
steh ich mit einer Pauke vor.
Schwelgt auch das Herz in Seligkeit,
der Schleier wird im Wahn entzweit.

Denn rühmt sich wer mit stolzem Mund,
stoß ich ihn in der Erde Grund!
Und hofft wer auf des Himmels Rat,
wird er des Schnitters letzte Tat.

Herzlich grüßt dich Freund Gil.

Kommentar geändert am 01.10.2019 um 16:53 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.10.19:
Vielen Dank für die sehr gelungene Fortsetzung meiner Mephisto-Verse, Gil.
Herzliche Grüße
Ekki

 TrekanBelluvitsh (03.12.19)
Auch nur ein kleiner unbedeutender Narzisst. Das die Menschen dennoch immer wieder auf ihn hereinfallen, sagt mehr über sie als über ihn aus.

Trefflich beschrieben!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.12.19:
Vielen Dank, Trekan. Er ist schon ein merkwürdiger Geselle. Narzisst stimmt auf jeden Fall. Aber er packt die Menschen charmant bei ihrer Eitelkeit.
LG
Ekki

 harzgebirgler (14.03.21)
einst brachte luzifer das licht -
damit ist seit den christen schicht:
die brauchten wen der ihr'm gott widerspricht
denn ohne gegensatz gäb's auch den nicht.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.03.21:
Gracias, Henning. Mephisto als Schöpfung theologischer Dialektik.. Das hat viel für sich.
LG
Ekki
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