300.000 DM in einer Nacht verspielt

Anekdote zum Thema Spiel(e)

von  EkkehartMittelberg

Erfahrungen mit türkischen Gastarbeitern lassen die Türkei in Deutschland nicht gerade als ein Land erscheinen, in dem sehr reiche Menschen leben.
Doch 1971 mussten meine Frau und ich unsere Vorstellungen von diesem Land gründlich ändern.
Wir lagen am Strand von Kusadasi, das als Hafen für Kreuzfahrtschiffe bekannt wurde. Dort kamen wir mit einem türkischen Ehepaar ins Gespräch, das dort seinen Urlaub  mit seinem fünfjährigen Sohn verbrachte. Das Paar war uns aufgefallen durch liebenswürdige Umgangsformen und weil sie die schönste Frau war, die wir bis dahin gesehen hatten. Stellen Sie sich eine klassische Schönheit vor, die auch durch Bewegungen und Sprache zu gefallen wusste.
Wir blieben länger als vorgesehen am Strand und der kleine Sohn begann zu frieren. Kurz entschlossen schenkten wir ihm ein besonders schönes Badetuch. Das veranlasste den Vater, uns nach Istanbul einzuladen, wo er uns am Flughafen abholte.
Er war Präsident des berühmten Fußballclubs Galatasaray und stellte uns zur Wahl, den Abend entweder im Clublokal von Galata oder in seiner Privatwohnung zu verbringen. Wir zögerten nicht lange und entschieden uns für die Privatwohnung. Diese hatte einen Wintergarten, in dem wir mit mehreren Gängen zu Abend speisten. Als ein gut aussehender Mann an die Scheibe des Wintergartens klopfte, fiel mir sofort die Schönheit unserer Gastgeberin ein  und ich flüsterte meiner Frau scherzhaft zu: "Pass auf, jetzt kommt der Hausfreund." Es gab aber keine Anzeichen für eine besondere erotische Spannung zwischen dem brillant plaudernden Gast und der Gastgeberin.
Auf der Rückfahrt zu unserem Hotel wagte ich den zurückhaltenden, bescheidenen Gastgeber nach seiner Freundschaft zu dem extrovertierten Gast zu fragen. Dabei stellte sich heraus. dass dieser auf Bitten des Gastgebers seit einigen Wochen ständig in dessen Hause verkehrte. Er war Spieler und mit der Tochter des reichsten Bauunternehmers in Istanbul verheiratet. Die Spielleidenschaft wurde lange Zeit geduldet. Aber nachdem er in einer einzigen Nacht 300.000 DM verspielt hatte, war die Toleranz seiner Frau erschöpft. Sie hatte die Scheidung eingereicht, was zu unserem Erstaunen schon damals auf Betreiben der Frau in der Türkei möglich war. Jetzt war der Mann mittellos und seine Freunde, unsere Gastgeber, versuchten ihn von seiner Spielsucht zu kurieren.
Die Summe des Geldes, die in einer einzigen Nacht verspielt worden war, erschien uns unfassbar hoch und wir ahnten, welche reiche Leute es in Istanbul geben musste.
Als wir am anderen Tage mit unseren Gastgebern das Topkapi-Museum besuchten und die Schätze der Sultane bewunderten, die dort zu einem geringen Teil noch vorhanden sind, wurde uns klar, dass es in der Türkei einen großen privaten und öffentlichen Reichtum gibt, der bis dahin in unserer durch türkische Gastarbeiter geprägten Vorstellung nicht existierte.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.05.21)
abhalte -> abholte

 FrankReich meinte dazu am 24.05.21:
Hi Dieter,

wenn es Dir darum ginge, Fehler in Texten zu korrigieren, solltest Du in der Hinsicht etwas sorgfältiger vorgehen: Fußballclus = Fußballclubs und Istambul = Istanbul, oder ganz einfach eine PN schicken, das wirkt dann nur auf den jeweiligen Autor peinlich, ist denn sonst alles okay bei Dir? 😂😂

Ciao, Frank

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 24.05.21:
1. Ich erhob und erhebe nie einen Anspruch auf Vollständigkeit.
2. Die Diskussion darüber, ob und wie man Autoren auf ihre Schreibfehler hinweist, ist gefühlt älter als kV. Ich kenne alle Für- und Gegen-Argumente. Es hat sich etabliert, dass jeder die Freiheit hat, dies ganz nach seinem Gusto zu tun.
3. Danke der Nachfrage, ich mache heute am Pfingstmontag noch einen schönen Ausflug + Kaffee und Kuchen (selbstgemacht), und bei dir?

 FrankReich schrieb daraufhin am 24.05.21:
Oh, ebenfalls danke der Nachfrage, mit Fliegen, Kaffee und Kuchen habe ich es allerdings nicht so, deshalb werde ich mich am Nachmittag lediglich auf eine kurze Wandertour begeben. 😀

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 24.05.21:
Hallo Dieter, ich muss deine Art der Korrektur akzeptieren. Aber vielleicht denkst du mal darüber nach, dass die sog. Flüchtigkeitsfehler meinem hohen Alter geschuldet sind. Noch vor ein paar Jahren sind sie mir selten unterlaufen. Heute passieren sie mir, obwohl ich gründlich sein möchte. Wenn du sie mir per PN mitteilen würdest, wäre das eine freundliche Geste, die ich zu schätzen wüsste.

 Moja (24.05.21)
Lieber Ekki,
Deine Anekdote zeigt deutlich mit welchen unklaren Vorstellungen wir in der Welt herumreisen und wie wir ihnen erliegen, indem wir nur kleine Ausschnitte unserer Wirklichkeit wahrnehmen. Ich musste beim Lesen sofort an den Niedergang des Osmanischen Reiches denken. Spannend erzählt! Was ist schon Geld? Spielgeld!

Liebe Grüße und Dank,
Moja

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 24.05.21:
Merci, Moja, das mit den unklaren Vorstellungen stimmt, weil die Reiseführer in der Regel nur ein verschwommenes Bild von den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Landes zeichnen.
Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (24.05.21)
heut schaufelt sich der clan von erdogan
die taschen voll und nennt ein 'untertan'
den 'sultan' dummerweise mal raffzahn
ist der davon gewiß nicht angetan -
es gibt in seinem 'reich' auch milliardäre
von denen er wohl selbst gern einer wäre.

lg
henning

-- https://www.focus.de/finanzen/news/palaeste-unternehmen-firmen-vater-der-tuerken-wie-erdogan-zu-seinem-gigantischen-vermoegen-kam_id_5750986.html

-- https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_reichsten_Türken

Kommentar geändert am 24.05.2021 um 09:55 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.05.21:
Lieber Henning, ich danke dir besonders für die heutigen Kommentare, die sehr aufschlussreich sind. Die Liste der reichsten Türken hat meine Erwartungen von dieser Klassengesellschaft übertroffen.
Herzliche Grüße
Ekki.
Agnete (66)
(24.05.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.05.21:
Grazie, Agnete, ich war inzwischen so oft in der Türkei, dass ich die politischen Verhältnisse gut beurteilen kann. Dein Kommentar hinsichtlich der Herkunft der Gastarbeiter und hinsichtlich der Scheidungen (Frage des Geldes) trifft zu.
Auch mich macht es betroffen, dass sich die BRD durch die klaffende Schere zwischen arm und reich immer mehr zu einer Klassengesellschaft entwickelt, wobei die Verlierer dieser Entwicklung oft Schwierigkeiten haben, sich dies selbst einzugestehen.
LG
Ekki

 AZU20 (24.05.21)
In jedem Land gibt es eben solche und solche. Man lernt beim Reisen nie aus. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.05.21:
Danke, Armin, das ist klar, ich wundere mich freilich, wie lange es hierzulande dauert, bis gescheite Menschen die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Türkei nicht nur an der Armut Anatoliens messen.
LG
Ekki

 FrankReich (24.05.21)
Hi Ekki,

mich würde ja mal die weitere Entwicklung interessieren. 😉

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.05.21:
Hallo Frank,

man muss leider feststellen, dass Erdogan das angeschlagene Selbstbewusstsein zahlreichen Türken heilt. Dafür sind sie bereit, immer mehr Abstriche an dem von Ata Türk aufgebauten säkularisierten Staat zu machen.

LG
Ekki

 FrankReich meinte dazu am 24.05.21:
Na ja, Ekki,

eigentlich interessierte mich mehr, ob der Spieler sich wieder berappeln konnte. 🤔

Ciao, Frank

 indikatrix (24.05.21)
Lieber Ekki,
der Text gefällt mir sehr,- wen ich immer wieder sehr gerne und mit Gewinn auch zu diesem Thema lese ist Hatice Akyün, auch weil sie es schafft, immer diesen Humor zu behalten.
Liebe Grüße,
Indikatrix

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.05.21:
Liebe Indi,
vielen Dank für den Hinweis auf gute türkische Literatur, die hierzulande wenig bekannt ist.
Liebe Grüße
Ekki

 Graeculus (24.05.21)
300000 Mark verspielt ... aber leider weder ein Dostojewskij noch ein Turgenjew daraus geworden!
Immerhin dankt (die Spielbank von) Baden-Baden Turgenjew dafür bis heute mit einem Denkmal im Stadtpark. Bei Dostojewskij (das war Wiesbaden) weiß ich es nicht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.05.21:
Merci Graeculus, du hast eine Unterlassungssünde von mir getilgt. Wer über das Spielen schreibt, sollte an Dostojewski und Turgenjew erinnern,. Dostojewski hat den Spielern ja gleich zwei große literarische Zeugnisse hinterlassen, einmal die Novelle "Der Spieler" und zum anderen die Figur des Dimitri aus den Gebrüdern Karamasov.

 TassoTuwas (25.05.21)
Hallo Ekki,
zur damaligen Zeit wusste wir wenig vom Rest der Welt. Heute erfahren wir tagtäglich welche Zustände in entferntesten Regionen herrschen, Den Unterschied von bitterer Armut zu protzendem Reichtum gab es schon immer und er wird größer.
Unser Wissen ändert nichts daran!
Herzliche Grüße
TT

.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.05.21:
Merci, Tasso, das stimmt. Wissen ohne Handeln bleibt folgenlos.
Herzliche Grüße
Ekki

 GastIltis (25.05.21)
Lieber Ekki, du hast wieder einen wunderbar unverfänglichen Text geschrieben, der mir persönlich sehr gut gefällt. Weil er auch von deiner Weltoffenheit kündet, die ihresgleichen sucht.

Daraus nun abzuleiten (nicht von dir!), dass es Unterschiede zwischen Armen und Reichen in demokratischen und nicht demokratischen Ländern gibt, finde ich schon mehr als eigenwillig. Wer den Begriff „demokratisch“ gutherzig in seine Teile zerlegt und sich bemüht, ohne die abgedroschenen Floskeln wie Freiheiten und Bürgerrechte auszukommen, und dann eins und eins zusammen rechnen kann, kommt ganz schnell zu der Feststellung, dass die höchsten Vermögens-(Geld-)Werte in den Ländern angehäuft sind, in denen es nach wie vor möglich ist, dass Menschen auf offener Straße getötet werden und die Todesstrafe verhängt wird. Ob es unter den Besitzern der höchsten Geldwerte Spieler gibt, steht auf einem anderen Blatt.

Diese Bemerkung erschien mir notwendig. Sie gehört nicht zum Text, überlagert ihn leider auf unangenehme Weise, was ich bedauere.
Sei dennoch ganz freundlich gegrüßt von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.05.21:
Merci, Gil, Kapitalismus kann offensichtlich in autokratisch regierten Ländern härter zuschlagen. Es ist sehr bedauerlich, dass Demokratie das Roll back zu Klassengesellschaften nicht verhindert.
Herzliche Grüße
Ekki
Sin (56)
(26.05.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.05.21:
Vielen Dank, Sin. Das hat mich auch fassungslos gemacht. Gemessen an heutigen Maßstäben hätte dieser Spieler in einer Nacht mehrere Millionen verspielt
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