Wenn ich morgens aufwache und nicht tot bin vergeht es mir die dritte Fee auf Genuss zu trinken, ich stürze die dann runter und brülle ''Kampftrinken!''

Tagebuch zum Thema Abhängigkeit

von  alter79

Im Click- und Rembercom, einer Art Face Book für lebende Leichen, bin auch ich ab und an zu Hause. Ich suche dort Material, mehr kann ich jetzt nicht verraten. Doch seien sie gewiss, digitale Friedhöfe haben nicht nur als Gedenkforen Konjunktur. Man trifft dort auf die größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte. Patrick, zum Beispiel, lässt darin seine Opfer auferstehen. Nun, nicht das er die Verstorbenen dort würdigt oder so, nein, er beschreibt dort erklärend seine Untaten - und hat die sogar mit Fotos garniert, wenn man das so sagen darf. Auf der Strecke bleibt natürlich, und da sind wir uns sicher einig, die menschliche Würde und jede Art von Respekt den Toten gegenüber. Von deren Angehörigen nicht zu schweigen. ’Doch ihr alle habt ja ab nun mich’, rufe ich der Onlinekommune zu. Und das ich die Sache PERSÖNLICH in die Hand nehmen werde, verspreche ich. Ja, versprochen -, der Kerl bekommt sein Fett weg, wenn ich ihn erst mal an seinem Armani- Trenchcoat aus reiner Wildseide am Arsch habe.
„Steh auf!“
„Nein - lass mich!“ wird er jaulen.
„Steh auf und sieh dir an, was du angerichtet hast!“
„Ne-e-e-ein!“ wird er sabbern.
„Steh auf, sieh hin -, und stirb wie ein Mann!“
(...)
Okay, ich mach’s so wie er ... Denn ich habe es schon mal gemacht. Reiße ihm mit Schwung die Bauchdecke auf und grabe mit den Händen in seinen Eingeweiden. Ja, ich werde und will ihm den Scheiß-Bauch aufreißen und seinen Scheiß-Schwulenhals und ... Oder anders herum. Und sei mir dankbar, Patrick, dass ich dich schon jetzt vorwarne, sage ich ihm. Deine Opfer hatten leider nicht so viel Glück. Also nehme ich mir genau so sein aufgedunsenes Whiskey-Gedicht vor meins - und flüstere ihm zu was ist, was kommt, was sein wird. Und überhöre sein ewig winselndes Gejammer ’mir blieb doch keine andere Wahl’! Mir auch nicht, Pat, werde ich entgegnen. Mein weißes Pferd aufsteigen lassen und in den blutigen Morgen seiner Därme reiten, darin gewiss, dass die meisten Menschen selber bereit sind zu foltern und anderen Menschen Leid antun, wenn sie denn nur könnten. Motto: Verändere die Einflussnahme auf dein Opfer langsam und graduell. Springe im Sekundentakt von rational und rechtmäßig zu verbohrt und erbarmungslos ... Ja, auch ich finde das voll krass legitim. Also lass uns fürs Erste damit beginnen, Pat. Und so fange ich klein an. Mit fast unwesentlichen Schmerzen schneide ich dem Hai die Flossen ab, werfe den Rest ins Meer der Lüge, züchte artgerecht Hähnchen auf 2 Zentimetern Raum, lasse Mast-Schweine ihre eigene Scheiße fressen, Ziegen ihrer Böcke Eier. Versaue das Meer mit Millionen Tonnen Öl, die Luft mit Pest und Schwefel, und schwängere die Erde mit Milliarden über Milliarden bescheuerter Menschen.

 
Ey, ihr ALLE kotzt mich so was von an, ihr voll blöden Pfeifen! Kaufe mir deswegen im Zoogeschäft ein Dutzend mit Pocken infizierte Ratten, die ich im Supermarkt ums Eck aussetze. Stecke ohne zu bezahlen 2 scharfe Messer, einen Liter Salzsäure ein. Denke mit Schaum vor dem Maul an Patrick. Schwitze, stöhne, hacke auf der Rolltreppe der U-Bahnstation Zoo einer alten Schachtel mit einem Hieb 2 Finger von der Handlaufleiste und als die aufschreit, von der anderen Hand auch zwei. Dabei wollte ich vorhin lediglich eine Teekanne erwerben. Egal. Von den 4 Fingern finde ich dann ohne zu suchen 3 in den Ritzen der Treppe. Stecke die mir in die Seitentasche meines seidenen blackvelvet Matsuda Blazer, um die später für den Hund zu grillen. Die alte Frau scheint leider ohnmächtig zu sein. Jedenfalls rührt die sich nicht. Dabei hätte ich sie gerne über den Verlust hinweggetröstet und wollte ihr auch sagen, dass es noch viel - viel schlimmer hätte kommen können, - denken Sie doch nur an den Krieg, oder so. Doch nichts, die liegt wie tot. Erst als ein idiotischer Biker die Rolltreppe down up fährt kommt Leben in die Bude. Doch da bin ich schon dabei die beim Einstieg in die Fahrradrikscha zerbrochene altchinesischen Ming-Teekanne aus der II Dekade, die ich ausschließlich für den von mir so gerne getrunkenen Nero d´Avola benutze, zu beklagen. Und natürlich mache ich den voll verblödeten Fahrrad-Kuli für das Unglück verantwortlich, - das wäre ja noch schöner. Doch der sagt zum Thema (mir die kostbare Vase zu ersetzen), er sei illegal in Deutschland und hätte nicht mal eine Krankenversicherung. Prost Mahlzeit, wünsche ich ihm trotzdem, als er zur Strafe einen Schluck aus der Salzsäureflasche trinkt - und dann auch prompt röchelnd zusammenbricht. Was für ein Schwächling, denke ich, - so was haben wir hier schon zur Genüge. Während ich mir beim Übersteigen der quittegelben Leiche fast den Fuß verstauche, und schon überhaupt nicht in der Lage bin meine Füße in die Pedale der Rikscha zu stecken, ohne mir die Diet- Coke Schuhe auszuziehen. So lasse ich alles wie es ist, und freue mich auf das Gesicht vom Hund, wenn er auf Hutschenreuther Biskuit Porzellan mit Goldrand die gegrillten Finger sieht. Ich habe denen natürlich vor dem Anrichten die Ringe abgezogen. Denn auch bei mir ist der Kunde König. Und Steine frigide. Vor allem Diamanten. „Bitte zahlen!“ rufe ich deswegen, denn jeden Tag einen Einkaräter stehlen, fällt auf Dauer sogar Woolworths Erben auf. Aber könnte ich es mir wünschen, ich würde es mir wünschen. Und die Spielregeln einhalten. Doch so ...

Treffe Edgar Nähe Café Möhring. Bezahle den. Und lobe. „Guter Job, Baby!“ Gehe mit ihm dann einen Runde Schlittschuhlaufen. Und Edgarboy läuft so schnell, dass das Eis unter seinen flitzenden Kufen zu Wasser wird, dann heiß aufquillt und Nebel die Luft angraut. Bald darauf die ersten ’hunderttausender’ Scheinwerferbirnen in der Feuchte knallen wie Kanonenschüsse, sich die Palästinenser neben uns aufs geschmolzene Eis werfen, und zu ihrem Gott beten. „Komm, wir versaufen unsere Getränkebons!“ beschließe ich.



Anmerkung von alter79:

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram